Sechste Szene

[378] Charis. Sosias.


CHARIS für sich.

Was hast du da gehört, Unselige?

Olymp'sche Götter wären es gewesen?

Und der sich für Sosias hier mir gibt,

Der wäre einer der Unsterblichen,

Apollon, Hermes, oder Ganymed?

SOSIAS für sich.

Der Blitzgott! Zeus soll es gewesen sein.

CHARIS für sich.

Pfui, schäme dich, wie du dich aufgeführt.

SOSIAS für sich.

Mein Seel, er war nicht schlecht bedient.

Ein Kerl, der seinen Mann stund, und sich

Für seinen Herrn schlug, wie ein Panthertier.

CHARIS für sich.

Wer weiß auch, irr ich nicht. Ich muß ihn prüfen.


Laut.


Komm, laß uns Frieden machen auch, Sosias.

SOSIAS.

Ein andermal. Jetzt ist nicht Zeit dazu.

CHARIS.

Wo gehst du hin?

SOSIAS.

Ich soll die Feldherrn rufen.

CHARIS.

Vergönne mir ein Wort vorher, mein Gatte.

SOSIAS.

Dein Gatte –? Oh, recht gern.

CHARIS.

Hast du gehört,

Daß in der Dämmerung zu meiner Fürstin gestern,[378]

Und ihrer treuen Dienerin,

Zwei große Götter vom Olymp gestiegen,

Daß Zeus, der Gott der Wolken, hier gewesen,

Und Phöbus ihn, der herrliche, begleitet?

SOSIAS.

Ja wenn's noch wahr ist. Leider hört ich's, Charis.

Dergleichen Heirat war mir stets zuwider.

CHARIS.

Zuwider? Warum das? Ich wüßte nicht –

SOSIAS.

Hm! Wenn ich dir die Wahrheit sagen soll,

Es ist wie Pferd und Esel.

CHARIS.

Pferd und Esel!

Ein Gott und eine Fürstin!


Für sich.


Der auch kömmt

Wohl vom Olymp nicht.


Laut.


Du beliebst

Mit deiner schlechten Dienerin zu scherzen.

Solch ein Triumph, wie über uns gekommen,

Ward noch in Theben nicht erhört.

SOSIAS.

Mir für mein Teil, schlecht ist er mir bekommen.

Und ein gemeßnes Maß von Schande wär mir

So lieb, als die verteufelten Trophäen,

Die mir auf beiden Schultern prangen. –

Doch ich muß eilen.

CHARIS.

Ja, was ich sagen wollte –

Wer träumte, solche Gäste zu empfangen?

Wer glaubte in der schlechten Menschen Leiber

Zwei der Unsterblichen auch eingehüllt.

Gewiß, wir hätten manche gute Seite,

Die unachtsam zu Innerst blieb, mehr hin

Nach außen wenden können, als geschehn ist.

SOSIAS.

Mein Seel, das hätt ich brauchen können, Charis.

Denn du bist zärtlich gegen mich gewesen,

Wie eine wilde Katze. Beßre dich.

CHARIS.

Ich wüßte nicht, daß ich dich just beleidigt?

Dir mehr getan als sich –

SOSIAS.

Mich nicht beleidigt?

Ich will ein Schuft sein, wenn du heute morgen

Nicht Prügel, so gesalzene verdient,

Als je herab sind auf ein Weib geregnet.[379]

CHARIS.

Nun was – Was ist geschehen denn?

SOSIAS.

Was geschehn ist,

Maulaffe? Hast du nicht gesagt, du würdest

Dir den Thebaner holen, den ich jüngst

Schon, den Halunken, aus dem Hause warf?

Nicht mir ein Hörnerpaar versprochen? Nicht

Mich einen Hahnrei schamlos tituliert?

CHARIS.

Ei, Scherz! Gewiß!

SOSIAS.

Ja, Scherz! Kömmst du

Mit diesem Scherz mir wieder, prell ich dir,

Hol mich der Teufel, eins –!

CHARIS.

O Himmel! Wie geschieht mir?

SOSIAS.

Der Saupelz!

CHARIS.

Blicke nicht so grimmig her!

Das Herz in Stücken fühl ich mir zerspalten!

SOSIAS.

Pfui, schäme dich, du Gotteslästerliche!

So deiner heil'gen Ehepflicht zu spotten!

Geh mach dich solcher Sünd nicht mehr teilhaftig,

Das rat ich dir – und wenn ich wiederkomme,

Will ich gebratne Wurst mit Kohlköpf' essen.

CHARIS.

Was du begehrst: Was säum ich auch noch länger?

Was zaudr ich noch? Ist er's nicht? Ist er's nicht?

SOSIAS.

Ob ich es bin?

CHARIS.

Sieh mich in Staub.

SOSIAS.

Was fehlt dir?

CHARIS.

Sieh mich zerknirscht vor dir im Staube liegen.

SOSIAS.

Bist du von Sinnen?

CHARIS.

Ach du bist's! du bist's!

SOSIAS.

Wer bin ich?

CHARIS.

Ach was leugnest du dich mir.

SOSIAS.

Ist heute alles rasend toll?

CHARIS.

Sah ich

Aus deines Auges Flammenzorne nicht

Den fernhintreffenden Apollon strahlen?

SOSIAS.

Apollon, ich? bist du des Teufels? – Der eine[380]

Macht mich zum Hund, der andre mich zum Gott? –

Ich bin der alte, wohlbekannte Esel

Sosias!


Ab.


CHARIS.

Sosias? Was? Der alte,

Mir wohlbekannte Esel du, Sosias?

Halunke, gut, daß ich das weiß,

So wird die Bratwurst heute dir nicht heiß.


Ab.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 1978, S. 378-381.
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