Zwölfter Auftritt

[232] Der Graf vom Strahl und das Käthchen.


DER GRAF VOM STRAHL indem er sie bei der Hand nimmt, und sich setzt.

Nun denn, mein Käthchen, komm! komm her, o Mädchen!

Mein Mund hat jetzt dir etwas zu vertraun.

KÄTHCHEN.

Mein hoher Herr! Sprich! Was bedeutet mir –?

DER GRAF VOM STRAHL.

Zuerst, mein süßes Kind, muß ich dir sagen,

Daß ich mit Liebe dir, unsäglich, ewig,

Durch alle meine Sinne zugetan.

Der Hirsch, der von der Mittagsglut gequält,[232]

Den Grund zerwühlt, mit spitzigem Geweih,

Er sehnt sich so begierig nicht,

Vom Felsen in den Waldstrom sich zu stürzen,

Den reißenden, als ich, jetzt, da du mein bist,

In alle deine jungen Reize mich.

KÄTHCHEN schamrot.

Jesus! Was sprichst du? Ich versteh dich nicht.

DER GRAF VOM STRAHL.

Vergib mir, wenn mein Wort dich oft gekränkt,

Beleidigt; meine roh mißhandelnde

Gebärde dir zuweilen weh getan.

Denk ich, wie lieblos einst mein Herz geeifert,

Dich von mir wegzustoßen – und seh ich gleichwohl jetzo dich

So voll von Huld und Güte vor mir stehn,

Sieh, so kommt Wehmut, Käthchen, über mich,

Und meine Tränen halt ich nicht zurück.


Er weint.


KÄTHCHEN ängstlich.

Himmel! Was fehlt dir? Was bewegt dich so?

Was hast du mir getan? Ich weiß von nichts.

DER GRAF VOM STRAHL.

O Mädchen, wenn die Sonne wieder scheint,

Will ich den Fuß in Gold und Seide legen,

Der einst auf meiner Spur sich wund gelaufen.

Ein Baldachin soll diese Scheitel schirmen,

Die einst der Mittag hinter mir versengt.

Arabien soll sein schönstes Pferd mir schicken,

Geschirrt in Gold, mein süßes Kind zu tragen,

Wenn mich ins Feld der Klang der Hörner ruft;

Und wo der Zeisig sich das Nest gebaut,

Der zwitschernde, in dem Holunderstrauch,

Soll sich ein Sommersitz dir auferbaun,

In heitern, weitverbreiteten Gemächern,

Mein Käthchen, kehr ich wieder, zu empfangen.

KÄTHCHEN.

Mein Friederich! Mein angebeteter!

Was soll ich auch von dieser Rede denken?

Du willst? – Du sagst? –


[233] Sie will seine Hand küssen.


DER GRAF VOM STRAHL zieht sie zurück.

Nichts, nichts, mein süßes Kind.


Er küßt ihre Stirn.


KÄTHCHEN.

Nichts?

DER GRAF VOM STRAHL.

Nichts. Vergib. Ich glaubt, es wäre morgen.

– Was wollt ich doch schon sagen? – Ja, ganz recht,

Ich wollte dich um einen Dienst ersuchen.


Er wischt sich die Tränen ab.


KÄTHCHEN kleinlaut.

Um einen Dienst? Nun, welchen? Sag nur an.


Pause.


DER GRAF VOM STRAHL.

Ganz recht. Das war's. – Du weißt, ich mache morgen Hochzeit.

Es ist zur Feier alles schon bereitet;

Am nächsten Mittag bricht der Zug,

Mit meiner Braut bereits zum Altar auf.

Nun sann ich mir ein Fest aus, süßes Mädchen,

Zu welchem du die Göttin spielen sollst.

Du sollst, aus Lieb zu deinem Herrn, für morgen

Die Kleidung, die dich deckt, beiseite legen,

Und in ein reiches Schmuckgewand dich werfen,

Das Mutter schon für dich zurechtgelegt.

– Willst du das tun?

KÄTHCHEN hält ihre Schürze vor die Augen.

Ja, ja, es soll geschehn.

DER GRAF VOM STRAHL.

Jedoch recht schön; hörst du? Still, aber prächtig!

Recht, wie's Natur und Weis in dir erheischt.

Man wird dir Perlen und Smaragden reichen;

Gern möcht ich daß du alle Fraun im Schloß,

Selbst noch die Kunigunde überstrahlst. –

Was weinst du?

KÄTHCHEN.

– Ich weiß nicht, mein verehrter Herr.

Es ist ins Aug mir was gekommen.[234]

DER GRAF VOM STRAHL.

Ins Auge? Wo?


Er küßt ihr die Tränen aus den Augen.


Nun komm nur fort. Es wird sich schon erhellen.


Er führt sie ab.


Szene: Schloßplatz, zur Rechten, im Vordergrund, ein Portal. Zur Linken, mehr in der Tiefe, das Schloß, mit einer Rampe. Im Hintergrund die Kirche.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 232-235.
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