[251] Frau Marthe, Eve, Veit und Ruprecht treten auf. – Walter und Licht im Hintergrunde.
FRAU MARTHE.
Ihr krugzertrümmerndes Gesindel, ihr!
Ihr sollt mir büßen, ihr!
VEIT.
Sei Sie nur ruhig,
Frau Marth! Es wird sich alles hier entscheiden.
FRAU MARTHE.
O ja. Entscheiden. Seht doch. Den Klugschwätzer.
Den Krug mir, den zerbrochenen, entscheiden.
Wer wird mir den geschiednen Krug entscheiden?
Hier wird entschieden werden, daß geschieden[251]
Der Krug mir bleiben soll. Für so 'n Schiedsurteil
Geb ich noch die geschiednen Scherben nicht.
VEIT.
Wenn Sie sich Recht erstreiten kann, Sie hört's,
Ersetz ich ihn.
FRAU MARTHE.
Er mir den Krug ersetzen.
Wenn ich mir Recht erstreiten kann, ersetzen.
Setz Er den Krug mal hin, versuch Er's mal,
Setz Er 'n mal hin auf das Gesims! Ersetzen!
Den Krug, der kein Gebein zum Stehen hat,
Zum Liegen oder Sitzen hat, ersetzen!
VEIT.
Sie hört's! Was geifert Sie? Kann man mehr tun?
Wenn einer Ihr von uns den Krug zerbrochen,
Soll Sie entschädigt werden.
FRAU MARTHE.
Ich entschädigt!
Als ob ein Stück von meinem Hornvieh spräche.
Meint Er, daß die Justiz ein Töpfer ist?
Und kämen die Hochmögenden und bänden
Die Schürze vor, und trügen ihn zum Ofen,
Die könnten sonstwas in den Krug mir tun,
Als ihn entschädigen. Entschädigen!
RUPRECHT.
Laß Er sie, Vater. Folg Er mir. Der Drache!
's ist der zerbrochne Krug nicht, der sie wurmt,
Die Hochzeit ist es, die ein Loch bekommen,
Und mit Gewalt hier denkt sie sie zu flicken.
Ich aber setze noch den Fuß eins drauf:
Verflucht bin ich, wenn ich die Metze nehme.
FRAU MARTHE.
Der eitle Flaps! Die Hochzeit ich hier flicken!
Die Hochzeit, nicht des Flickdrahts, unzerbrochen
Nicht einen von des Kruges Scherben wert.
Und stünd die Hochzeit blankgescheuert vor mir,
Wie noch der Krug auf dem Gesimse gestern,
So faßt ich sie beim Griff jetzt mit den Händen,
Und schlüg sie gellend ihm am Kopf entzwei,
Nicht aber hier die Scherben möcht ich flicken!
Sie flicken!
EVE.
Ruprecht![252]
RUPRECHT.
Fort du –!
EVE.
Liebster Ruprecht!
RUPRECHT.
Mir aus den Augen!
EVE.
Ich beschwöre dich.
RUPRECHT.
Die lüderliche –! Ich mag nicht sagen, was.
EVE.
Laß mich ein einz'ges Wort dir heimlich –
RUPRECHT.
Nichts!
EVE.
– Du gehst zum Regimente jetzt, o Ruprecht,
Wer weiß, wenn du erst die Muskete trägst,
Ob ich dich je im Leben wiedersehe.
Krieg ist's, bedenke, Krieg, in den du ziehst:
Willst du mit solchem Grolle von mir scheiden?
RUPRECHT.
Groll? Nein, bewahr mich Gott, das will ich nicht.
Gott schenk dir so viel Wohlergehn, als er
Erübrigen kann. Doch kehrt ich aus dem Kriege
Gesund, mit erzgegoßnem Leib zurück,
Und würd in Huisum achtzig Jahre alt,
So sagt ich noch im Tode zu dir: Metze!
Du willst's ja selber vor Gericht beschwören.
FRAU MARTHE zu Eve.
Hinweg! Was sagt ich dir? Willst du dich noch
Beschimpfen lassen? Der Herr Korporal
Ist was für dich, der würd'ge Holzgebein,
Der seinen Stock im Militär geführt,
Und nicht dort der Maulaffe, der dem Stock
Jetzt seinen Rücken bieten wird. Heut ist
Verlobung, Hochzeit, wäre Taufe heute,
Es wär mir recht, und mein Begräbnis leid ich,
Wenn ich dem Hochmut erst den Kamm zertreten,
Der mir bis an die Krüge schwillet.
EVE.
Mutter!
Laßt doch den Krug! Laßt mich doch in der Stadt versuchen,
Ob ein geschickter Handwerksmann die Scherben
Nicht wieder Euch zur Lust zusammenfügt.
Und wär's um ihn geschehn, nehmt meine ganze
Sparbüchse hin, und kauft Euch einen neuen.[253]
Wer wollte doch um einen irdnen Krug,
Und stammt er von Herodes' Zeiten her,
Solch einen Aufruhr, so viel Unheil stiften.
FRAU MARTHE.
Du sprichst, wie du's verstehst. Willst du etwa
Die Fiedel tragen, Evchen, in der Kirche
Am nächsten Sonntag reuig Buße tun?
Dein guter Name lag in diesem Topfe,
Und vor der Welt mit ihm ward er zerstoßen,
Wenn auch vor Gott nicht, und vor mir und dir.
Der Richter ist mein Handwerksmann, der Schergen,
Der Block ist's, Peitschenhiebe, die es braucht,
Und auf den Scheiterhaufen das Gesindel,
Wenn's unsre Ehre weiß zu brennen gilt,
Und diesen Krug hier wieder zu glasieren.
Ausgewählte Ausgaben von
Der zerbrochene Krug
|
Buchempfehlung
Der junge Wiener Maler Albrecht schreibt im Sommer 1834 neunzehn Briefe an seinen Freund Titus, die er mit den Namen von Feldblumen überschreibt und darin überschwänglich von seiner Liebe zu Angela schwärmt. Bis er diese in den Armen eines anderen findet.
90 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro