Zweite Szene

[158] Rossitz. Ein Zimmer im Schlosse.

Rupert, Santing und Eustache treten auf.


RUPERT.

Erschlagen, sagst du?

EUSTACHE.

Ja, so spricht das Volk.

RUPERT.

Das Volk – ein Volk von Weibern wohl?

EUSTACHE.

Mir hat's

Ein Mann bekräftigt.

RUPERT.

Hat's ein Mann gehört?

SANTING.

Ich hab's gehört, Herr, und ein Mann, ein Wandrer.

Der her aus Warwand kam, hat's mitgebracht.

RUPERT.

Was hat er mitgebracht?

SANTING.

Daß dein Johann

Erschlagen sei.

EUSTACHE.

Nicht doch, Santing, er sagte

Nichts von Johann, vom Herold sagt' er das.

RUPERT.

Wer von euch beiden ist das Weib?

SANTING.

Ich sage,

Johann; und ist's der Herold, wohl, so steckt

Die Frau ins Panzerhemd, mich in den Weibsrock.

RUPERT.

Mit eignen Ohren will ich's hören. Bringt

Den Mann zu mir.

SANTING.

Ich zweifle, daß er noch

Im Ort.

EUSTACHE sieht ihn an.

Er ist im Hause.

RUPERT.

Einerlei.

Bringt ihn.


Santing und Eustache ab.


RUPERT pfeift; zwei Diener erscheinen.

Ruft gleich den Grafen Ottokar!

EIN DIENER.

Es soll geschehn, Herr.


Bleibt stehen.
[158]

RUPERT.

Nun? was willst du?

DER DIENER.

Herr,

Wir haben eine Klingel hier gekauft,

Und bitten dich, wenn du uns brauchst, so klingle.


Er setzt die Klingel auf den Tisch.


RUPERT.

's ist gut.

DER DIENER.

Wir bitten dich darum, denn wenn

Du pfeifst, so springt der Hund jedwedes Mal

Aus seinem Ofenloch, und denkt, es gelte ihm.

RUPERT.

– 's ist gut.


Diener ab; Eustache und ein Wanderer treten auf.


EUSTACHE.

Hier ist der Mann. – Hör es nun selbst,

Ob ich dir falsch berichtet.

RUPERT.

Wer bist du, mein Sohn?

DER WANDERER.

Bin Hans Franz Flanz von Namen, Untertan

Aus deiner Herrschaft, komm vom Wandern in

Die Heimat heut zurück.

RUPERT.

Du warst in Warwand;

Was sahst du da?

DER WANDERER.

Sie haben deinen Herold

Erschlagen.

RUPERT.

Wer tat es?

DER WANDERER.

Herr, die Namen gingen

Auf keine Eselshaut. Es waren an

Die hundert über einen, alle Graf

Sylvesters Leute.

RUPERT.

War Sylvester selbst dabei?

DER WANDERER.

Er tat, als wüßt er's nicht, und ließ sich bei

Der Tat nicht sehen. Nachher, als die Stücken

Des Herolds auf dem Hofe lagen, kam er

Herunter.

RUPERT.

Und was sagt' er da?

DER WANDERER.

Er schalt und schimpfte

Die Täter tüchtig aus, es glaubt' ihm aber keiner.[159]

Denn's dauerte nicht lang, so nannt er seine

Getreuen Untertanen sie.

RUPERT nach einer Pause.

O listig ist die Schlange – 's ist nur gut,

Daß wir das wissen, denn so ist sie's nicht

Für uns.

EUSTACHE zum Wanderer.

Hat denn der Herold ihn beleidigt?

RUPERT.

Beleidigen! Ein Herold? Der die Zange

Nur höchstens ist, womit ich ihn gekniffen.

EUSTACHE.

So läßt sich's fast nicht denken, daß die Tat

Von ihm gestiftet; denn warum sollt er

So zwecklos dich noch mehr erbittern wollen?

RUPERT.

Er setzet die Erfindungskraft vielleicht

Der Rache auf die Probe – nun wir wollen

Doch einen Henker noch zu Rate ziehen.


Santing und ein zweiter Wanderer treten auf.


SANTING.

Hier ist der Wandrer, Herr, er kann dir sagen,

Ob ich ein Weib, ob nicht.

RUPERT wendet sich.

Es ist doch nicht

Die Höll in seinem Dienst –

ZWEITER WANDERER.

Ja, Herr, Johann

So heißt der Rittersmann, den sie in Warwand

Erschlagen. –

RUPERT.

Und also wohl den Herold nicht?

ZWEITER WANDERER.

Herr, das geschah früher.

RUPERT nach einer Pause.

Tretet ab – bleib du, Santing.


Die Wanderer und Eustache ab.


RUPERT.

Du siehst, die Sache ist ein Märchen. Kannst

Du selbst nicht an die Quelle gehn nach Warwand,

So glaub ich's keinem.

SANTING.

Herr, du hättst den Mann

Doch hören sollen. In dem Hause war,

Wo ich ihn traf, ein andrer noch, der ihm[160]

Ganz fremd, und der die Nachricht mit den Worten

Fast sagt', als hätt er sie von ihm gelernt.

RUPERT.

Der Herold, sei's – das wollt ich glauben; doch

Johann! Wie käm denn der nach Warwand?

SANTING.

Wie

Die Männer sprachen, hat er Agnes,

Sylvesters Tochter, morden wollen.

RUPERT.

Morden!

Ein Mädchen! Sind sie toll? Der Junge ist

Verliebt in alles, was in Weiberröcken.

SANTING.

Er soll den Dolch auf sie gezückt schon haben,

Da kommt Jeronimus, und haut ihn nieder.

RUPERT.

Jeronimus – wenn's überhaupt geschehn,

Daß er's getan, ist glaublich, denn ich weiß,

Der graue Geck freit um die Tochter. – Glaub's

Trotz allem nicht, bis du's aus Warwand bringst.

SANTING.

So reit ich hin – und kehr ich heut am Tage

Nach Rossitz nicht zurück, so ist's ein Zeichen

Von meinem Tode auch.

RUPERT.

Auf jeden Fall

Will ich den dritten sprechen, der dir's sagte.

SANTING.

Herr, der liegt krank im Haus.

RUPERT.

So führe mich zu ihm.


Beide ab; Jeronimus und Eustache treten im Gespräch von der andern Seite auf.


EUSTACHE.

Um Gotteswillen, Ritter –

JERONIMUS.

Ihm den Mörder

Zu senden, der ihm hinterrücks die Tochter

Durchbohren soll, die Schuldlosreine, die

Mit ihrem Leben nichts verbrach, als dieses

Nur, daß just dieser Vater ihr es gab.

EUSTACHE.

Du hörst mich nicht. –

JERONIMUS.

Was seid ihr besser denn

Als die Beklagten, wenn die Rache so

Unwürdig niedrig ist, als die Beleidigung?[161]

EUSTACHE.

Ich sag dir ja –

JERONIMUS.

Ist das die Weis in diesem

Zweideutig bösen Zwist dem Rechtgefühl

Der Nachbarn schleunig anzuweisen, wo

Die gute Sache sei? Nein, wahrlich, nein,

Ich weiß es nicht, und soll ich's jetzt entscheiden,

Gleich zu Sylvester wend ich mich, nicht euch.

EUSTACHE.

So laß mich doch ein Wort nur sprechen – sind

Wir denn die Stifter dieser Tat?

JERONIMUS.

Ihr nicht

Die Stifter? Nun, das nenn ich spaßhaft! Er,

Der Mörder, hat es selbst gestanden. –

EUSTACHE.

Wer

Hat es gestanden?

JERONIMUS.

Wer fragst du? Johann.

EUSTACHE.

O welch ein Scheusal ist der Lügner. – Ich

Erstaun, Jeronimus, und wage kaum

Zu sagen, was ich von dir denke. Denn

Ein jedes unbestochnes Urteil müßte

Schnell frei uns sprechen.

JERONIMUS.

Schnell? Da hast du unrecht.

Als ich Sylvester hörte hab ich schnell

Im Geist entschieden, denn sehr würdig wies

Die Schuld er von sich, die man auf ihn bürdet.

EUSTACHE.

Ist's möglich, du nimmst ihn in Schutz?

JERONIMUS.

Haut mir

Die Hand ab, wenn ich sie meineidig hebe;

Unschuldig ist Sylvester!

EUSTACHE.

Soll ich dir

Mehr glauben, als den Tätern, die es selbst

Gestanden?

JERONIMUS.

Nun, das nenn ich wieder spaßhaft;

Denn glauben soll ich doch von euch, daß ihr

Unschuldig, ob es gleich Johann gestanden.

EUSTACHE.

Nun über jedwedes Geständnis geht

Mein innerstes Gefühl doch. –[162]

JERONIMUS.

Gerad so spricht Sylvester,

Doch mit dem Unterschied, daß ich's ihm glaube.

EUSTACHE.

Wenn jene Tat wie diese ist beschaffen –

JERONIMUS.

Für jene, für Sylvesters Unschuld, steh ich.

EUSTACHE.

Und nicht für unsre?

JERONIMUS.

Reinigt euch.

EUSTACHE.

– Was hat

Der Knabe denn gestanden?

JERONIMUS.

Sag mir erst,

Was hat der Mörder ausgesagt, den man

Gefoltert – wörtlich will ich's wissen.

EUSTACHE.

Ach,

Jeronimus, soll ich mich wahr dir zeigen,

Ich weiß es nicht. Denn frag ich, heißt es stets,

Er hat's gestanden; will ich's wörtlich wissen,

So hat, vor dem Geräusch ein jeder nur,

Selbst Rupert nur ein Wort gehört: Sylvester.

JERONIMUS.

Selbst Rupert? Ei, wenn's nur dies Wort bedurfte,

So wußte er's wohl schon vorher, nicht wahr?

So halb und halb?

EUSTACHE.

Gewiß hat er's vorher

Geahndet. –

JERONIMUS.

Wirklich? Nun so war auch wohl

Dies Wort nicht nötig, und ihr hättet euch

Mit einem Blick genügt.

EUSTACHE.

Ach, mir hat's nie

Genügt – doch muß die Flagge wehn wohin

Der Wind. – Ich werde nie den Unglückstag

Vergessen – und es knüpft, du wirst es sehn,

Sich eine Zukunft noch von Unglück an.

– Nun sag mir nur, was hat Johann bekannt?

JERONIMUS.

Johann? Dasselbe. Er hat euren Namen

Genannt.

EUSTACHE.

Und weiter nichts?

JERONIMUS.

Das wäre schon

Wenn nicht Sylvester edel wär, genug.[163]

EUSTACHE.

So glaubt er's also nicht?

JERONIMUS.

Er ist der einz'ge

In seinem Warwand fast, der euch entschuldigt.

EUSTACHE.

– Ja, dieser Haß, der die zwei Stämme trennt,

Stets grundlos schien er mir, und stets bemüht

War ich, die Männer auszusöhnen – doch

Ein neues Mißtraun trennte stets sie wieder

Auf Jahre, wenn so kaum ich sie vereinigt.

– Nun, weiter hat Johann doch nichts bekannt.

JERONIMUS.

Auch dieses Wort selbst sprach er nur im Fieber

– Doch wie gesagt, es wär genug. –

EUSTACHE.

So ist

Er krank?

JERONIMUS.

Er phantasiert sehr heftig, spricht

Das Wahre und das Falsche durcheinander. –

– Zum Beispiel, im Gebirge sei die Hölle

Für ihn, für Ottokar und Agnes doch

Der Himmel.

EUSTACHE.

Nun, und was bedeutet das?

JERONIMUS.

Ei, daß sie sich so treu wie Engel lieben.

EUSTACHE.

Wie? Du erschreckst mich, Ottokar und Agnes?

JERONIMUS.

Warum erschrickst du? Denk ich doch, du solltest

Vielmehr dich freun. Denn fast kein Minnesänger

Könnt etwas Besseres ersinnen, leicht

Das Wildverworrene euch aufzulösen,

Das Blutig-Angefangne lachend zu

Beenden, und der Stämme Zwietracht ewig

Mit seiner Wurzel auszurotten, als

– Als eine Heirat.

EUSTACHE.

Ritter, du erweckst

Mir da Gedanken. – Aber wie? Man sagte,

– War's ein Gerücht nur bloß? – du freitest selbst

Um Agnes?

JERONIMUS.

Ja, 's ist wahr. – Doch untersucht

Es nicht, ob es viel Edelmut, ob wenig[164]

Beweise, daß ich deinem Sohn sie gönne,

– Denn kurz, das Mädel liebt ihn.

EUSTACHE.

Aber sag

Mir nur, wie sie sich kennenlernten? Seit

Drei Monden erst ist Ottokar vom Hofe

Des Kaisers, dessen Edelknab er war,

Zurück. In dieser Zeit hat er das Mädchen,

In meinem Beisein mindstens nicht gesehn.

JERONIMUS.

Doch nicht in deinem Beisein um so öfter.

Noch heute waren beid in dem Gebirge.

EUSTACHE.

– Nun freilich, glücklich könnte sich's beschließen,

Sylvester also wär bereit?

JERONIMUS.

Ich bin

Gewiß, daß er das Mädchen ihm nicht weigert,

Obschon von ihrer Lieb er noch nichts weiß.

– Wenn Rupert nur –

EUSTACHE.

's ist kaum zu hoffen, kaum,

– Versuchen will ich's. – Horch! Er kommt! Da ist er!


Rupert und Santing treten auf; Rupert erblickt Jeronimus, erblaßt, kehrt um.


RUPERT im Abgehen.

Santing!


Beide ab.


JERONIMUS.

Was war das?

EUSTACHE.

Hat er dich denn schon gesehen?

JERONIMUS.

Absichtlich hab ich ihn vermieden, um

Mit dir vorher mich zu besprechen. – Wie

Es scheint, ist er sehr aufgebracht.

EUSTACHE.

Er ward

Ganz blaß als er dich sah – das ist ein Zeichen

Wie matte Wolkenstreifen stets für mich;

Ich fürchte einen bösen Sturm.

JERONIMUS.

Weiß er

Denn, daß Johann von meiner Hand gefallen?

EUSTACHE.

Noch wußt er's nicht, doch hat er eben jetzt

Noch einen dritten Wanderer gesprochen.

JERONIMUS.

Das ist ein böser Strich durch meinen Plan.[165]

RUPERT tritt auf.

Laß uns allein, Eustache.

EUSTACHE halblaut zu Jeronimus.

Hüte dich,

Um Gotteswillen.


Ab.


JERONIMUS.

Sei gegrüßet!

RUPERT.

Sehr

Neugierig bin ich zu erfahren, was

Zu mir nach Rossitz dich geführt. – Du kommst

Aus Warwand – nicht?

JERONIMUS.

Unmittelbar von Hause,

Doch war ich kürzlich dort.

RUPERT.

So wirst du wissen,

Wir Vettern sind seit kurzer Zeit ein wenig

Schlimm übern Fuß gespannt. – Vielleicht hast du

Aufträg an mich, kommst im Geschäft des Friedens,

Stellst selbst vielleicht die heilige Person

Des Herolds vor – ?

JERONIMUS.

Des Herolds? Nein – Warum?

– Die Frag ist seltsam. – Als dein Gast komm ich.

RUPERT.

Mein Gast – und hättst aus Warwand keinen Auftrag?

JERONIMUS.

Zum mindsten keinen andern, dessen ich

Mich nicht als Freund des Hauses im Gespräch

Gelegentlich entled'gen könnte.

RUPERT.

Nun,

Wir brechen die Gelegenheit vom Zaune;

Sag an.

JERONIMUS.

– Sylvester will dich sprechen.

RUPERT.

Mich;

Mich sprechen?

JERONIMUS.

Freilich seltsam ist die Forderung,

Ja unerhört fast – dennoch, gäb's ein Zeichen,

Ein sichres fast, von seiner Unschuld, wär

Es dieses.

RUPERT.

Unschuld?

JERONIMUS.

Ja, mir ist's ein Rätsel,

Wie dir, da es die Mörder selbst gestanden.[166]

Zwar ein Geständnis auf der Folter ist

Zweideutig stets – auch war es nur ein Wort,

Das doch im Grunde stets sehr unbestimmt.

Allein, trotz allem, der Verdacht bleibt groß,

Und fast unmöglich scheint's – zum wenigsten

Sehr schwer, doch sich davon zu reinigen.

RUPERT.

Meinst du?

JERONIMUS.

Doch, wie gesagt, er hält's für möglich.

Er glaubt, es steck ein Irrtum wo verborgen. –

RUPERT.

Ein Irrtum?

JERONIMUS.

Den er aufzudecken, nichts

Bedürfe, als nur ein Gespräch mit dir.

RUPERT.

– Nun, meinetwegen.

JERONIMUS.

Wirklich? Willst du's tun?

RUPERT.

Wenn du ihn jemals wiedersehen solltest. –

JERONIMUS.

– Jemals? Ich eile gleich zu ihm.

RUPERT.

So sag's

Daß ich mit Freuden ihn erwarten würde.

JERONIMUS.

O welche segensreiche Stunde hat

Mich hergeführt. – Ich reite gleich nach Warwand,

Und bring ihn her. – Möcht er dich auch so finden,

So freundlich, und so mild, wie ich. – Mach's ihm

Nicht schwer, die Sache ist verwickelt, blutig

Ist die Entscheidung stets des Schwerts, und Frieden

Ist die Bedingung doch von allem Glück.

Willst du ihn nur unschuldig finden, wirst

Du's auch. – Ich glaub's, bei meinem Eid, ich glaub's,

Ich war wie du von dem Verdacht empört,

Ein einz'ger Blick auf sein ehrwürdig Haupt,

Hat schnell das Wahre mich gelehrt. –

RUPERT.

Dein Amt

Scheint aus, wenn ich nicht irre.

JERONIMUS.

Nur noch zur

Berichtigung etwas von zwei Gerüchten,

Die bös verfälscht, wie ich fast fürchte, dir

Zu Ohren kommen möchten. –[167]

RUPERT.

Nun?

JERONIMUS.

Johann

Liegt krank in Warwand.

RUPERT.

Auf den Tod, ich weiß.

JERONIMUS.

Er wird nicht sterben.

RUPERT.

Wie es euch beliebt.

JERONIMUS.

Wie?

RUPERT.

Weiter – Nun, das andere Gerücht?

JERONIMUS.

Ich wollt dir sagen noch, daß zwar Johann

Den Dolch auf Agnes –

RUPERT.

Ich hatt ihn gedungen.

JERONIMUS.

Wie sagst du?

RUPERT.

Könnt's mir doch nichts helfen, wenn

Ich's leugnen wollte, da er's ja gestanden.

JERONIMUS.

Vielmehr das Gegenteil – aus seiner Rede

Wird klar, daß dir ganz unbewußt die Tat.

RUPERT.

Sylvester doch ist überzeugt, wie billig,

Daß ich so gut ein Mörder bin, wie er?

JERONIMUS.

Vielmehr das Gegenteil – der Anschein hat

Das ganze Volk getäuscht, doch er bleibt stets

Unwandelbar, und nennt dich schuldlos.

RUPERT.

O List der Hölle, von dem bösesten

Der Teufel ausgeheckt!

JERONIMUS.

Was ist das? Rupert!

RUPERT faßt sich.

Das war das eine. – Nun, sprich weiter, noch

Ein anderes Gerücht wolltst du bericht'gen.

JERONIMUS.

Gib mir erst Kraft und Mut, gib mir Vertraun.

RUPERT.

Sieh zu, wie's geht – sag an.

JERONIMUS.

Der Herold ist –

RUPERT.

Erschlagen, weiß ich – doch Sylvester ist

Unschuldig an dem Blute.

JERONIMUS.

Wahrlich, ja,

Er lag in Ohnmacht während es geschah.

Es hat ihn tief empört, er bietet jede

Genugtuung dir an, die du nur forderst.

RUPERT.

Hat nichts zu sagen. –[168]

JERONIMUS.

Wie?

RUPERT.

Was ist ein Herold?

JERONIMUS.

Du bist entsetzlich. –

RUPERT.

Bist du denn ein Herold? –

JERONIMUS.

Dein Gast bin ich, ich wiederhol's. – Und wenn

Der Herold dir nicht heilig ist, so wird's

Der Gast dir sein.

RUPERT.

Mit heilig? Ja. Doch fall

Ich leicht in Ohnmacht.

JERONIMUS.

Lebe wohl.


Schnell ab.

Pause; Eustache stürzt aus dem Nebenzimmer herein.


EUSTACHE.

Um Gotteswillen, rette, rette.


Sie öffnet das Fenster.


Alles

Fällt über ihn – Jeronimus! – das Volk

Mit Keulen – rette, rette ihn – sie reißen

Ihn nieder, nieder liegt er schon am Boden –

Um Gotteswillen, komm ans Fenster nur,

Sie töten ihn. – Nein wieder steht er auf,

Er zieht, er kämpft, sie weichen. – Nun, ist's Zeit,

O Rupert, ich beschwöre dich. – Sie dringen

Schon wieder ein, er wehrt sich wütend. – Rufe

Ein Wort, um aller Heil'gen willen nur

Ein Wort aus diesem Fenster. – – Ah! jetzt fiel

Ein Schlag – – er taumelt, ah! noch einer. – – Nun

Ist's aus. – Nun fällt er um. – Nun ist er tot. – –


Pause; Eustache tritt vor Rupert.


O welch entsetzliche Gelassenheit – –

– Es hätte dir ein Wort gekostet, nur

Ein Schritt bis zu dem Fenster, ja, dein bloßes

Gebieterantlitz hätte sie geschreckt. –

– Mög einst in jener bittern Stunde, wenn

Du Hülfe Gottes brauchest, Gott nicht säumen,

Wie du, mit Hülfe vor dir zu erscheinen.

SANTING tritt auf.

's ist abgetan, Herr.[169]

EUSTACHE.

Abgetan? Wie sagst

Du, Santing – Rupert, abgetan?


Rupert wendet sich verlegen.


O jetzt

Ist's klar. – Ich Törin, die ich dich zur Rettung

Berief! – O pfui! Das ist kein schönes Werk,

Das ist so häßlich, so verächtlich, daß

Selbst ich, dein unterdrücktes Weib, es kühn

Und laut verachte. Pfui! O pfui! Wie du

Jetzt vor mir sitzest und es leiden mußt,

Daß ich in meiner Unschuld hoch mich brüste.

Denn über alles siegt das Rechtgefühl,

Auch über jede Furcht und jede Liebe,

Und nicht der Herr, der Gatte nicht, der Vater

Nicht meiner Kinder ist so heilig mir,

Daß ich den Richterspruch verleugnen sollte,

Du bist ein Mörder.

RUPERT steht auf.

Wer zuerst ihn tödlich

Getroffen hat, der ist des Todes!

SANTING.

Herr,

Auf dein Geheiß. –

RUPERT.

Wer sagt das?

SANTING.

's ist ein Faustschlag

Mir ins Gesicht.

RUPERT.

Steck's ein.


Er pfeift; zwei Diener erscheinen.


Wo sind die Hunde wenn

Ich pfeife? – Ruft den Grafen auf mein Zimmer.


Der Vorhang fällt.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 1978, S. 158-170.
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