[246] Thusnelda, den Ventidius aufführend. Ihr folgt Hermann, Scäpio, ein Gefolge von Jägern und ein leerer römischer Wagen mit vier breitgespannten weißen Rossen.
THUSNELDA.
Heil dem Ventidius Carbo! Römerritter!
Dem kühnen Sieger des gehörnten Urs!
DAS GEFOLGE.
Heil! Heil!
THUISKOMAR.
Was! Habt ihr ihn?
HERMANN.
Hier, seht, ihr Freunde!
Man schleppt ihn bei den Hörnern schon herbei!
Der erlegte Auerochs wird herangeschleppt.
VENTIDIUS.
Ihr deutschen Herrn, der Ruhm gehört nicht mir!
Er kommt Thusnelden, Hermanns Gattin,
Kommt der erhabenen Cheruskerfürstin zu!
Ihr Pfeil, auf mehr denn hundert Schritte,
Warf mit der Macht des Donnerkeils ihn nieder,
Und, Sieg! rief, wem ein Odem ward;
Der Ur hob plötzlich nur, mit pfeildurchbohrtem Nacken
Noch einmal sich vom Sand empor:
Da kreuzt ich seinen Nacken durch noch einen.
THUSNELDA.
Du häufst, Ventidius, Siegsruhm auf die Scheitel,
Die du davon entkleiden willst.
Das Tier schoß, von dem Pfeil gereizt, den ich entsendet,
Mit wuterfüllten Sätzen auf mich ein,
Und schon verloren glaubt ich mich;
Da half dein beßrer Schuß dem meinen nach,
Und warf es völlig leblos vor mir nieder.
SCÄPIO.
Bei allen Helden des Homers!
Dir ward ein Herz von par'schem Marmel, Fürstin!
Des Todes Nacht schlug über mich zusammen,
Als es gekrümmt, mit auf die Brust
Gesetzten Hörnern, auf dich ein,[246]
Das rachentflammte Untier, wetterte:
Und du, du wichst, du wanktest nicht – was sag ich?
Sorg überflog, mit keiner Wolke,
Den heitern Himmel deines Angesichts!
THUSNELDA mutwillig.
Was sollt ich fürchten, Scäpio,
Solang Ventidius mir zur Seite stand.
VENTIDIUS.
Du warst des Todes gleichwohl, wenn ich fehlte.
WOLF finster.
– Stand sie im Freien, als sie schoß?
VENTIDIUS.
Die Fürstin?
SCÄPIO.
Nein – hier im Wald. Warum?
VENTIDIUS.
Ganz in der Nähe,
Wo kreuzend durch die Forst die Wildbahn bricht.
WOLF lachend.
Nun denn, beim Himmel –!
THUISKOMAR.
Wenn sie im Walde stand –
WOLF.
Ein Auerochs ist keine Katze,
Und geht, soviel bekannt mir, auf die Wipfel
Der Pinien und Eichen nicht.
HERMANN abbrechend.
Kurz, Heil ruf ich Ventidius noch einmal,
Des Urs, des hornbewehrten, Sieger,
Und der Thusnelda Retter obenein!
THUSNELDA zu Hermann.
Vergönnst du mein Gebieter mir,
Nach Teutoburg nunmehr zurückzukehren?
Sie gibt den Pfeil und Bogen weg.
HERMANN wendet sich.
Holla! Die Pferd!
VENTIDIUS halblaut, zu Thusnelden.
Wie, Göttliche, du willst –?
Sie sprechen heimlich zusammen.
THUISKOMAR die Pferde betrachtend.
Schau, die Quadriga, die August dir schenkte?
SELGAR.
Die Pferd aus Rom?
HERMANN zerstreut.
Aus Rom, beim Jupiter!
Ein Zug, wie der Pelid ihn nicht geführt!
VENTIDIUS zu Thusnelda.
Darf ich in Teutoburg –?[247]
THUSNELDA.
Ich bitte dich.
HERMANN.
Ventidius Carbo! Willst du sie begleiten?
VENTIDIUS.
Mein Fürst! Du machst zum Sel'gen mich –
Er gibt Pfeil und Bogen gleichfalls weg; offiziös.
Wann wohl vergönnst du,
Vor deinem Thron, o Herr, in Ehrfurcht
Dir eine Botschaft des Augustus zu entdecken?
HERMANN.
Wenn du begehrst, Ventidius!
VENTIDIUS.
So werd ich
Dir mit der nächsten Sonne Strahl erscheinen.
HERMANN.
Auf denn! – Ein Roß dem Scäpio, ihr Jäger!
– Gib deine Hand, Thusnelda, mir!
Er hebt, mit Ventidius, Thusnelda in den Wagen; Ventidius folgt ihr.
THUSNELDA sich aus dem Wagen herausbeugend.
Ihr Herrn, wir sehn uns an der Tafel doch?
HERMANN zu den Fürsten.
Wolf! Selgar! Redet!
DIE FÜRSTEN.
Zu deinem Dienst, Erlauchte!
Wir werden gleich nach dem Gezelt dir folgen.
HERMANN.
Wohlauf, ihr Jäger! Laßt das Horn dann schmettern,
Und bringt sie im Triumph nach Teutoburg!
Der Wagen fährt ab; Hörnermusik.
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