Zweiter Auftritt

[276] Drei Hauptleute treten eilig nacheinander auf. – Die Vorigen


DER ERSTE HAUPTMANN indem er auftritt.

Mein Fürst, die ungeheueren

Unordnungen, die sich dies Römerheer erlaubt,

Beim Himmel! übersteigen allen Glauben.

Drei deiner blühndsten Plätze sind geplündert,

Entflohn die Horden, alle Hütten und Gezelte –

Die unerhörte Tat! – den Flammen preisgegeben!

HERMANN heimlich und freudig.

Geh, geh, Siegrest! Spreng aus, es wären sieben![276]

DER ERSTE HAUPTMANN.

Was? – Was gebeut mein König?

EGINHARDT.

Hermann sagt –


Er nimmt ihn beiseite.


DER ERSTE ÄLTESTE.

Dort kommt ein neuer Unglücksbote schon!

DER ZWEITE HAUPTMANN tritt auf.

Mein Fürst, man schickt von Herthakon mich her,

Dir eine gräßliche Begebenheit zu melden!

Ein Römer ist, in diesem armen Ort,

Mit einer Wöchnerin in Streit geraten,

Und hat, da sie den Vater rufen wollte,

Das Kind, das sie am Busen trug, ergriffen,

Des Kindes Schädel, die Hyäne, rasend

An seiner Mutter Schädel eingeschlagen.

Die Feldherrn, denen man die Greueltat gemeldet,

Die Achseln haben sie gezuckt, die Leichen

In eine Grube heimlich werfen lassen.

HERMANN ebenso.

Geh! Fleuch! Verbreit es in dem Platz, Govin!

Versichere von mir, den Vater hätten sie

Lebendig, weil er zürnte, nachgeworfen!

DER ZWEITE HAUPTMANN.

Wie? Mein erlauchter Herr!

EGINHARDT nimmt ihn beim Arm.

Ich will dir sagen –


Er spricht heimlich mit ihm.


ERSTER ÄLTESTER.

Beim Himmel! Da erscheint der dritte schon!

DER DRITTE HAUPTMANN tritt auf.

Mein Fürst, du mußt, wenn du die Gnade haben willst,

Verzuglos dich nach Helakon verfügen.

Die Römer fällten dort, man sagt mir, aus Versehen,

Der tausendjähr'gen Eichen eine,

Dem Wodan, in dem Hain der Zukunft, heilig.

Ganz Helakon hierauf, Thuiskon, Herthakon,

Und alles, was den Kreis bewohnt,

Mit Spieß und Schwert stand auf, die Götter zu verteid'gen.[277]

Den Aufruhr rasch zu dämpfen, steckten

Die Römer plötzlich alle Läger an:

Das Volk, so schwer bestraft, zerstreute jammernd sich,

Und heult jetzt um die Asche seiner Hütten. –

Komm, bitt ich dich, und steure der Verwirrung.

HERMANN.

Gleich, gleich! – Man hat mir hier gesagt,

Die Römer hätten die Gefangenen gezwungen,

Zeus, ihrem Greulgott, in den Staub zu knien?

DER DRITTE HAUPTMANN.

Nein, mein Gebieter, davon weiß ich nichts.

HERMANN.

Nicht? Nicht? – Ich hab es von dir selbst gehört!

DER DRITTE HAUPTMANN.

Wie? Was?

HERMANN in den Bart.

Wie! Was! Die deutschen Uren!

– Bedeut ihm, was die List sei, Eginhardt.

EGINHARDT.

Versteh, Freund Ottokar! Der König meint –


Er nimmt ihn beim Arm und spricht heimlich mit ihm.


ERSTER ÄLTESTER.

Nun solche Zügellosigkeit, beim hohen Himmel,

In Freundes Land noch obenein,

Ward doch, seitdem die Welt steht, nicht erlebt!

ZWEITER ÄLTESTER.

Schickt Männer aus, zu löschen!

HERMANN der wieder in die Ferne gesehn.

Hör, Eginhardt!

Was ich dir sagen wollte –

EGINHARDT.

Mein Gebieter!

HERMANN heimlich.

Hast du ein Häuflein wackrer Leute wohl,

Die man zu einer List gebrauchen könnte?

EGINHARDT.

Mein Fürst, die War' ist selten, wie du weißt.

– Was wünschest du, sag an?

HERMANN.

Was? Hast du sie?

Nun hör, schick sie dem Varus, Freund,

Wenn er zur Weser morgen weiter rückt,

Schick sie in Römerkleidern doch vermummt ihm nach.

Laß sie, ich bitte dich, auf allen Straßen,[278]

Die sie durchwandern, sengen, brennen, plündern:

Wenn sie's geschickt vollziehn, will ich sie lohnen!

EGINHARDT.

Du sollst die Leute haben. Laß mich machen.


Er mischt sich unter die Hauptleute.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 276-279.
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