Sechster Auftritt

[289] Ein Herold tritt auf. Bald darauf das Römerheer. – Die Vorigen.


DER HEROLD zum Volk das zusammengelaufen.

Platz hier, beliebt's euch, ihr Cherusker!

Varus', des Feldherrn Roms, Liktoren

Nahn festlich an des Heeres Spitze sich!

THUSNELDA.

Was gibt's?

SEPTIMIUS nähert sich ihr.

Es ist das Römerheer,

Das seinen Einzug hält in Teutoburg!

HERMANN zerstreut.

Das Römerheer?


Er beobachtet Varus und Ventidius, welche heimlich miteinander sprechen.


THUSNELDA.

Wer sind die ersten dort?

CRASSUS.

Varus' Liktoren, königliche Frau,

Die des Gesetzes heil'ges Richtbeil tragen.[289]

THUSNELDA.

Das Beil? Wem! Uns?

SEPTIMIUS.

Vergib! Dem Heere,

Dem sie ins Lager feierlich voranziehn.


Das Römerheer zieht in voller Pracht vorüber.


VARUS zu Ventidius.

Was also, sag mir an, was hab ich

Von jenem Hermann dort mir zu versehn?

VENTIDIUS.

Quintilius! Das faß ich in zwei Worten!

Er ist ein Deutscher.

In einem Hämmling ist, der an der Tiber graset,

Mehr Lug und Trug, muß ich dir sagen,

Als in dem ganzen Volk, dem er gehört. –

VARUS.

So kann ich, meinst du, dreist der Sueven Fürsten

Entgegenrücken? Habe nichts von diesem,

Bleibt er in meinem Rücken, zu befürchten?

VENTIDIUS.

Sowenig, wiederhol ich dir,

Als hier von diesem Dolch in meinem Gurt. –

VARUS.

Ich werde doch den Platz, in dem Cheruskerland,

Beschaun, nach des Augusts Gebot,

Auf welchem ein Kastell erbaut soll werden.

– Marbod ist mächtig, und nicht weiß ich,

Wie sich am Weserstrom das Glück entscheiden wird.


Er sieht ihn fragend an.


VENTIDIUS.

Das lob ich sehr. Solch eine Anstalt

Wird stets, auch wenn du siegst, zu brauchen sein.

VARUS.

Wieso? Meinst du vielleicht, die Absicht sei, Cheruska

Als ein erobertes Gebiet –?

VENTIDIUS.

Quintilius,

Die Absicht, dünkt mich, läßt sich fast erraten.

VARUS.

– Ward dir etwa bestimmte Kund hierüber?

VENTIDIUS.

Nicht, nicht! Mißhör mich nicht! Ich teile bloß,

Was sich in dieser Brust prophetisch regt, dir mit,

Und Freunde mir aus Rom bestätigen.

VARUS.

Sei's! Was bekümmert's mich? Es ist nicht meines Amtes

Den Willen meines Kaisers zu erspähn.[290]

Er sagt ihn, wenn er ihn vollführt will wissen. –

Wahr ist's, Rom wird auf seinen sieben Hügeln,

Vor diesen Horden nimmer sicher sein,

Bis ihrer kecken Fürsten Hand

Auf immerdar der Zepterstab entwunden.

VENTIDIUS.

So denkt August, so denket der Senat.

VARUS.

Laß uns in ihre Mitte wieder treten.


Sie treten wieder zu Hermann und Thusnelda, welche, von Feldherrn und Fürsten umringt, dem Zuge des Heers zusehen.


THUSNELDA.

Septimius! Was bedeutet dieser Adler?

SEPTIMIUS.

Das ist ein Kriegspanier, erhabne Frau!

Jedweder der drei Legionen

Fleucht solch metallnes Adlerbild voran.

THUSNELDA.

So, so! Ein Kriegspanier! Sein Anblick hält

Die Scharen in der Nacht des Kampfs zusammen?

SEPTIMIUS.

Du trafst's. Er führet sie den Pfad des Siegs. –

THUSNELDA.

Wie jedes Land doch seine Sitte hat!

– Bei uns tut es der Chorgesang der Barden.


Pause. Der Zug schließt, die Musik schweigt.


HERMANN indem er sich zu dem Feldherrn Roms wendet.

Willst du dich in das Zelt verfügen, Varus?

Ein Mahl ist, nach Cheruskersitte,

Für dich und dein Gefolge drin bereitet.

VARUS.

Ich werde kurz jedoch mich fassen müssen.


Er nimmt ihn vertraulich bei der Hand.


Ventidius hat dir gesagt,

Wie ich den Plan für diesen Krieg entworfen?

HERMANN.

Ich weiß um jeden seiner weisen Punkte.

VARUS.

Ich breche morgen mit dem Römerheer

Aus diesem Lager auf, und übermorgen

Rückst du mit dem Cheruskervolk mir nach.

Jenseits der Weser, in des Feindes Antlitz,

Hörst du das Weitre. – Wünschest du vielleicht,[291]

Daß ein geschickter Römerfeldherr,

Für diesen Feldzug, sich in dein Gefolge mische?

Sag's dreist mir an. Du hast nur zu befehlen.

HERMANN.

Quintilius, in der Tat, du wirst

Durch eine solche Wahl mich glücklich machen.

VARUS.

Wohlan, Septimius, schick dich an,

Dem Kriegsbefehl des Königs zu gehorchen. –


Er wendet sich zu Crassus.


Und daß die Teutoburg gesichert sei,

Indessen wir entfernt sind, laß ich, Crassus,

Mit drei Kohorten, dich darin zurück.

– Weißt du noch sonst was anzumerken, Freund?

HERMANN.

Nichts, Feldherr Roms! Dir übergab ich alles,

So sei die Sorge auch, es zu beschützen, dein.

VARUS zu Thusnelda.

Nun, schöne Frau, so bitt ich – Eure Hand!


Er führt die Fürstin ins Zelt.


HERMANN.

Holla, die Hörner! Dieser Tag

Soll für Cheruska stets ein Festtag sein!


Hörnermusik. Alle ab.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 289-292.
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