Erster Auftritt

[293] Marbod, den Brief Hermanns, mit dem Dolch, in der Hand haltend. Neben ihm Attarin, sein Rat. Im Hintergrunde zwei Hauptleute. – Auf der andern Seite des Zeltes Luitgar mit Hermanns Kindern Rinold und Adelhart.


MARBOD.

Was soll ich davon denken, Attarin?

– Arminius, der Cheruskerfürst,

Läßt mir durch jenen wackern Freund dort melden:

Varus sei ihm, auf Schutz und Trutz, verbunden,

Und werd, in dreien Tagen schon,

Mich am Gestad der Weser überfallen! –

Der Bund, schreibt Hermann doch, sei ihm nur aufgedrungen,

Und stets im Herzen, nach wie vor,

Sei er der Römer unversöhnter Feind.

– Er ruft mich auf, verknüpft mit ihm,

Sogleich dem Mordverrat zuvorzukommen,

Die Weser, angesichts des Blatts, zu überschiffen,

Und, im Morast des Teutoburger Walds,

Die ganze gift'ge Brut der Hölle zu vertilgen. –

Zum Preis mir, wenn der Sieg erfochten,

Will er zu Deutschlands Oberherrn mich krönen.

– Da, lies den Brief, den er mir zugefertigt!

War's nicht so, Luitgar?[293]

LUITGAR.

Allerdings! So sagt ich.

ATTARIN nachdem er den Brief genommen und gelesen.

Mein Fürst, trau diesem Fuchs, ich bitte dich,

Dem Hermann, nicht! Der Himmel weiß,

Was er mit dieser schnöden List bezweckt.

Send ihm, Roms Cäsar so, wie er verdient, zu ehren,

Das Schreiben ohne Antwort heim,

Und melde Varus gleich den ganzen Inhalt!

Es ist ein tückischer, verrätrischer Versuch

Das Bündnis, das euch einigt, zu zerreißen.

Er gibt ihm den Brief zurück.

MARBOD.

Was! List! Verräterei! – Da schicket er

Den Rinold und den Adelhart,

Die beiden Knaben mir, die ihm sein Weib gebar,

Und diesen Dolch hier, sie zu töten,

Wenn sich ein Trug in seinen Worten findet.

ATTARIN wendet sich.

Wo?

MARBOD.

Dort!

ATTARIN.

Das wären des Arminius Kinder?

MARBOD.

Arminius', allerdings! Ich glaub du zweifelst?

In Teutoburg, vor sieben Monden,

Als ich den Staatenbund verhandeln wollte,

Hab ich die Jungen, die dort stehn,

Wie oft an diese alte Brust gedrückt!

ATTARIN.

Vergib, o Herr, das sind die Knaben nicht!

Das sind zwei unterschobene, behaupt ich,

An Wuchs den echten Prinzen ähnlich bloß.

Laß die Verräterbrut gleich in Verwahrsam bringen,

Und ihn, der sie gebracht dir hat, dazu!


Pause.


MARBOD nachdem er die Knaben aufmerksam betrachtet.

Rinold!


Er setzt sich nieder.


RINOLD tritt dicht vor ihn.

MARBOD.

Nun, was auch willst du mir? Wer rief dich?[294]

RINOLD sieht ihn an.

Je, nun!

MARBOD.

Je, nun! – Den andern meint ich, Rinold!


Er winkt den Adelhart.


ADELHART tritt gleichfalls vor ihn.

MARBOD nimmt ihn bei der Hand.

Nicht? Nicht? Du bist der Rinold? Allerdings!

ADELHART.

Ich bin der Adelhart.

MARBOD.

– So. Bist du das.


Er stellt die beiden Knaben nebeneinander und scheint sie zu prüfen.


Nun, Jungen, sagt mir; Rinold! Adelhart!

Wie steht's in Teutoburg daheim,

Seit ich, vergangnen Herbst her, euch nicht sah?

– Ihr kennt mich doch?

RINOLD.

O ja.

MARBOD.

– Ich bin der Holtar,

Der alte Kämmrer, im Gefolge Marbods,

Der euch, kurz vor der Mittagsstunde,

Stets in des Fürsten Zelt herüber brachte.

RINOLD.

Wer bist du?

MARBOD.

Was! Das wißt ihr nicht mehr? Holtar,

Der euch mit glänz'gem Perlenmutter,

Korallen und mit Bernstein noch beschenkte.

RINOLD nach einer Pause.

Du trägst ja Marbods eisern' Ring am Arm.

MARBOD.

Wo?

RINOLD.

Hier!

MARBOD.

Trug Marbod diesen Ring damals?

RINOLD.

Marbod?

MARBOD.

Ja, Marbod, frag ich, mein Gebieter.

RINOLD.

Ach, Marbod! Was! Freilich trugst du den Ring!

Du sagtest, weiß ich noch, auf Vater Hermanns Frage,

Du hättest ein Gelübd getan,

Und müßtest an dem Arm den Ring von Eisen tragen,

Solang ein römischer Mann in Deutschland sei.[295]

MARBOD.

Das hätt ich – wem? Euch? Nein, das hab ich nicht –!

RINOLD.

Nicht uns! Dem Hermann!

MARBOD.

Wann?

RINOLD.

Am ersten Mittag,

Als Holtar beid in dein Gezelt uns brachte.


Marbod sieht den Attarin an.


ATTARIN der die Knaben aufmerksam beobachtet.

Das ist ja sonderbar, so wahr ich lebe!


Er nimmt Hermanns Brief noch einmal und überliest ihn. Pause.


MARBOD indem er gedankenvoll in den Haaren der Knaben spielt.

Ist denn, den Weserstrom zu überschiffen,

Vorläufig eine Anstalt schon gemacht?

EINER DER BEIDEN HAUPTLEUTE vortretend.

Mein Fürst, die Kähne liegen, in der Tat,

Zusamt am rechten Ufer aufgestellt.

MARBOD.

Mithin könnt ich – wenn ich den Entschluß faßte,

Gleich, in der Tat, wie Hermann wünscht,

Des Stromes andern Uferrand gewinnen.

DER HAUPTMANN.

Warum nicht? In drei Stunden, wenn du willst.

Der Mond erhellt die Nacht; du hättest nichts,

Als den Entschluß nur schleunig zu erklären. –

ATTARIN unruhig.

Mein Herr und Herrscher, ich beschwöre dich,

Laß zu nichts Übereiltem dich verführen!

Armin ist selbst hier der Betrogene!

Nach dem, wie sich Roms Cäsar zeigte,

Wär's eine Raserei, zu glauben,

Er werde den Cheruskern sich verbinden.

Hat er mit Waffen dich, dich nicht mit Geld versehn,

In ihre Staaten feindlich einzufallen?

Stählt man die Brust, die man durchbohren will?

Dein Lager ist von Römern voll[296]

Der herrlichsten Patrizier Söhnen,

Die hergesandt, dein Heer die Bahn des Siegs zu führen;

Die dienen dir, für Augusts Wort,

Als Geißel, Herr, und würden ja

Zusamt ein Opfer deiner Rache fallen,

Wenn ein so schändlicher Verrat dich träfe.

– Beschließe nichts, ich bitte dich,

Bis dir durch Fulvius, den Legaten Roms,

Von Varus' Plänen nähre Kunde ward.


Pause.


MARBOD.

Ich will den Fulvius mindestens

Gleich über diese Sache doch vernehmen.


Er steht auf und klingelt.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 293-297.
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