Eilfter Auftritt

[327] Hermann und Winfried treten auf. Die Vorigen.


HERMANN in die Ferne schauend.

Siehst du die Feuer dort?

WINFRIED.

Das ist der Marbod! –

Er gibt das Zeichen dir zum Angriff schon.

HERMANN.

Rasch! – Daß ich keinen Augenblick verliere.


Er tritt in die Versammlung.


Kommt her, ihr Feldherrn der Cherusker!

Ich hab euch etwas Wicht'ges zu entdecken.

EGBERT indem er vortritt.

Mein Fürst und Herr, eh du das Wort ergreifst,

Vergönnst, auf einen Augenblick,

In deiner Gnade, du die Rede mir!

HERMANN.

Dir? – Rede!

EGBERT.

Wir folgten deinem Ruf

Ins Feld des Tods, du weißt, vor wenig Wochen,[327]

Im Wahn, den du geschickt erregt,

Es gelte Rom und die Tyrannenmacht,

Die unser heil'ges Vaterland zertritt.

Des Tages neueste, unselige Geschichte

Belehrt uns doch, daß wir uns schwer geirrt:

Dem August hast du dich, dem Feind des Reichs, verbunden,

Und rückst, um eines nicht'gen Streits,

Marbod, dem deutschen Völkerherrn entgegen.

Cherusker, hättst du wissen können,

Leihn, wie die Ubier sich, und Äduer, nicht,

Die Sklavenkette, die der Römer bringt,

Den deutschen Brüdern um den Hals zu legen.

Und kurz, daß ich's, o Herr, mit einem Wort dir melde:

Dein Heer verweigert mutig dir den Dienst;

Es folgt zum Sturm nach Rom dir wenn du willst,

Doch in des wackern Marbod Lager nicht.

HERMANN sieht ihn an.

Was! hört ich recht?

WINFRIED.

Ihr Götter des Olymps!

HERMANN.

Ihr weigert, ihr Verräter, mir den Dienst?

WINFRIED ironisch.

Sie weigern dir den Dienst, du hörst! Sie wollen

Nur gegen Varus' Legionen fechten!

HERMANN indem er sich den Helm in die Augen drückt.

Nun denn, bei Wodans erznem Donnerwagen,

So soll ein grimmig Beispiel doch

Solch eine schlechte Regung in dir strafen!

– Gib deine Hand mir her!


Er streckt ihm die Hand hin.


EGBERT.

Wie, mein Gebieter.

HERMANN.

Mir deine Hand, sag ich! Du sollst, du Römerfeind,

Noch heut, auf ihrer Adler einen,

Im dichtesten Gedräng des Kampfs mir treffen!

Noch eh die Sonn entwich, das merk dir wohl,

Legst du ihn hier zu Füßen mir darnieder!

EGBERT.

Auf wen, mein Fürst? Vergib, daß ich erstaune!

Ist's Marbod nicht, dem deine Rüstung –?[328]

HERMANN.

Marbod?

Meinst du, daß Hermann minder deutsch gesinnt,

Als du? – Der ist hier diesem Schwert verfallen,

Der seinem greisen Haupt ein Haar nur krümmt! –

Auf meinen Ruf, ihr Brüder, müßt ihr wissen,

Steht er auf jenen Höhn, durch eine Botschaft

Mir, vor vier Tagen, heimlich schon verbunden!

Und kurz, daß ich mich gleichfalls rund erkläre:

Auf, ihr Cherusker zu den Waffen!

Doch ihm nicht, Marbod, meinem Freunde,

Germaniens Henkersknecht, Quintilius Varus gilt's!

WINFRIED.

Das war's, was Hermann euch zu sagen hatte.

EGBERT freudig.

Ihr Götter!

DIE FELDHERRN UND HAUPTLEUTE durcheinander.

Tag des Jubels und der Freude!

DAS CHERUSKERHEER jauchzend.

Heil, Hermann, Heil dir! Heil, Sohn Siegmars, dir!

Daß Wodan dir den Sieg verleihen mög!


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 327-329.
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