Zweiter Auftritt

[318] Der Hauptmann mit den drei cheruskischen Boten. – Die Vorigen.


VARUS.

Nach welchem Ort, sag an, von mir benannt,

Hast du mich heut von Arkon führen sollen?

DER ERSTE CHERUSKER.

Nach Pfiffikon, mein hochverehrter Herr.[318]

VARUS.

Was, Pfiffikon! hab ich nicht Iphi– dir

Bestimmt, und wieder Iphikon genannt?

DER ERSTE CHERUSKER.

Vergib, o Herr, du nanntest Pfiffikon.

Zwar sprachst du, nach der Römermundart,

Das leugn ich nicht: »führt mich nach Iphikon«;

Doch Hermann hat bestimmt uns gestern,

Als er uns unterrichtete, gesagt:

»Des Varus Wille ist nach Pfiffikon zu kommen;

Drum tut nach mir, wie er auch ausspricht,

Und führt sein Heer auf Pfiffikon hinaus.«

VARUS.

Was!

DER ERSTE CHERUSKER.

Ja, mein erlauchter Herr, so ist's.

VARUS.

Woher kennt auch dein Hermann meine Mundart?

Den Namen hatt ich: Iphikon,

Ja schriftlich ihm, mit dieser Hand gegeben?!

DER ERSTE CHERUSKER.

Darüber wirst du ihn zur Rede stellen;

Doch wir sind schuldlos, mein verehrter Herr.

VARUS.

O wart! – – Wo sind wir jetzt?

DER ERSTE CHERUSKER.

Das weiß ich nicht.

VARUS.

Das weißt du nicht, verwünschter Galgenstrick,

Und bist ein Bote?

DER ERSTE CHERUSKER.

Nein! Wie vermöcht ich das?

Der Weg, den dein Gebot mich zwang,

Südwest quer durch den Wald hin einzuschlagen,

Hat in der Richtung mich verwirrt:

Mir war die große Straße nur,

Von Teutoburg nach Pfiffikon, bekannt.

VARUS.

Und du? Du weißt es auch nicht.

DER ZWEITE CHERUSKER.

Nein, mein Feldherr.

VARUS.

Und du?

DER DRITTE CHERUSKER.

Ich auch bin, seit es dunkelt, irre. –

Nach allem doch, was ich ringsum erkenne,

Bist du nicht weit von unserm Waldplatz Arkon.

VARUS.

Von Arkon? Was! Wo ich heut ausgerückt?[319]

DER DRITTE CHERUSKER.

Von eben dort; du bist ganz heimgegangen.

VARUS.

Daß euch der Erde finstrer Schoß verschlänge! –

Legt sie in Stricken! – Und wenn sie jedes ihrer Worte

Hermann ins Antlitz nicht beweisen können,

So hängt der Schufte einen auf,

Und gerbt den beiden anderen die Rücken!


Die Boten werden abgeführt.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 318-320.
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