Erster Auftritt

[353] Der Prinz von Homburg sitzt mit bloßem Haupt und offner Brust, halb wachend halb schlafend, unter einer Eiche und windet sich einen Kranz. – Der Kurfürst, seine Gemahlin Prinzessin Natalie, der Graf von Hohenzollern, Rittmeister Golz und andere treten heimlich aus dem Schloß, und schauen vom Geländer der Rampe, auf ihn nieder. – Pagen mit Fackeln.


DER GRAF VON HOHENZOLLERN.

Der Prinz von Homburg, unser tapfrer Vetter,

Der an der Reuter Spitze, seit drei Tagen

Den flücht'gen Schweden munter nachgesetzt,

Und sich erst heute wieder atemlos,

Im Hauptquartier zu Fehrbellin gezeigt:

Befehl ward ihm von dir, hier länger nicht,

Als nur drei Füttrungsstunden zu verweilen,

Und gleich dem Wrangel wiederum entgegen,

Der sich am Rhyn versucht hat einzuschanzen,

Bis an die Hackelberge vorzurücken?

DER KURFÜRST.

So ist's!

HOHENZOLLERN.

Die Chefs nun sämtlicher Schwadroner,[353]

Zum Aufbruch aus der Stadt, dem Plan gemäß,

Glock zehn zu Nacht, gemessen instruiert,

Wirft er erschöpft, gleich einem Jagdhund lechzend,

Sich auf das Stroh um für die Schlacht, die uns

Bevor beim Strahl des Morgens steht, ein wenig

Die Glieder, die erschöpften, auszuruhn.

DER KURFÜRST.

So hört ich! – Nun?

HOHENZOLLERN.

Da nun die Stunde schlägt,

Und aufgesessen schon die ganze Reuterei

Den Acker vor dem Tor zerstampft,

Fehlt – wer? der Prinz von Homburg noch, ihr Führer.

Mit Fackeln wird und Lichtern und Laternen

Der Held gesucht – und aufgefunden, wo?


Er nimmt einem Pagen die Fackel aus der Hand.


Als ein Nachtwandler, schau, auf jener Bank,

Wohin, im Schlaf, wie du nie glauben wolltest,

Der Mondschein ihn gelockt, beschäftiget,

Sich träumend, seiner eignen Nachwelt gleich,

Den prächt'gen Kranz des Ruhmes einzuwinden.

DER KURFÜRST.

Was!

HOHENZOLLERN.

In der Tat! Schau hier herab: da sitzt er!


Er leuchtet von der Rampe auf ihn nieder.


DER KURFÜRST.

Im Schlaf versenkt? Unmöglich!

HOHENZOLLERN.

Fest im Schlafe!

Ruf ihn bei Namen auf, so fällt er nieder.


Pause.


DIE KURFÜRSTIN.

Der junge Mann ist krank, so wahr ich lebe.

PRINZESSIN NATALIE.

Er braucht des Arztes –!

DIE KURFÜRSTIN.

Man sollt ihm helfen, dünkt mich,

Nicht den Moment verbringen, sein zu spotten!

HOHENZOLLERN indem er die Fackel wieder weggibt.

Er ist gesund, ihr mitleidsvollen Frauen,

Bei Gott, ich bin's nicht mehr! Der Schwede morgen

Wenn wir im Feld ihn treffen, wird's empfinden![354]

Es ist nichts weiter, glaubt mir auf mein Wort,

Als eine bloße Unart seines Geistes.

DER KURFÜRST.

Fürwahr! Ein Märchen glaubt ich's! – Folgt mir Freunde,

Und laßt uns näher ihn einmal betrachten.


Sie steigen von der Rampe herab.


EIN HOFKAVALIER zu den Pagen.

Zurück! die Fackeln!

HOHENZOLLERN.

Laßt sie, laßt sie, Freunde!

Der ganze Flecken könnt in Feuer aufgehn,

Daß sein Gemüt davon nicht mehr empfände,

Als der Demant, den er am Finger trägt.


Sie umringen ihn; die Pagen leuchten.


DER KURFÜRST über ihn gebeugt.

Was für ein Laub denn flicht er? – Laub der Weide?

HOHENZOLLERN.

Was! Laub der Weid, o Herr! – Der Lorbeer ist's,

Wie er's gesehn hat, an der Helden Bildern,

Die zu Berlin im Rüstsaal aufgehängt.

DER KURFÜRST.

– Wo fand er den in meinem märk'schen Sand?

HOHENZOLLERN.

Das mögen die gerechten Götter wissen!

DER HOFKAVALIER.

Vielleicht im Garten hinten, wo der Gärtner

Mehr noch der fremden Pflanzen auferzieht.

DER KURFÜRST.

Seltsam beim Himmel! Doch, was gilt's, ich weiß,

Was dieses jungen Toren Brust bewegt?

HOHENZOLLERN.

O – was! Die Schlacht von morgen, mein Gebieter!

Sterngucker sieht er, wett ich, schon im Geist,

Aus Sonnen einen Siegeskranz ihm winden.


Der Prinz besieht den Kranz.


DER HOFKAVALIER.

Jetzt ist er fertig![355]

HOHENZOLLERN.

Schade, ewig schade,

Daß hier kein Spiegel in der Nähe ist!

Er würd ihm eitel, wie ein Mädchen nahn,

Und sich den Kranz bald so, und wieder so,

Wie eine florne Haube aufprobieren.

DER KURFÜRST.

Bei Gott! Ich muß doch sehn, wie weit er's treibt!


Der Kurfürst nimmt ihm den Kranz aus der Hand; der Prinz errötet und sieht ihn an. Der Kurfürst

schlingt seine Halskette um den Kranz und gibt ihn der Prinzessin; der Prinz steht lebhaft auf. Der Kurfürst weicht mit der Prinzessin, welche den Kranz erhebt, zurück: der Prinz mit ausgestreckten Armen, folgt ihr.


DER PRINZ VON HOMBURG flüsternd.

Natalie! Mein Mädchen! Meine Braut!

DER KURFÜRST.

Geschwind! Hinweg!

HOHENZOLLERN.

Was sagt der Tor?

DER HOFKAVALIER.

Was sprach er?


Sie besteigen sämtlich die Rampe.


DER PRINZ VON HOMBURG.

Friedrich! Mein Fürst! Mein Vater!

HOHENZOLLERN.

Höll und Teufel!

DER KURFÜRST rückwärts ausweichend.

Öffn mir die Pforte nur!

DER PRINZ VON HOMBURG.

O meine Mutter!

HOHENZOLLERN.

Der Rasende! Er ist –

DIE KURFÜRSTIN.

Wen nennt er so?

DER PRINZ VON HOMBURG nach dem Kranz greifend.

Oh! Liebste! Was entweichst du mir? Natalie!


Er erhascht einen Handschuh von der Prinzessin Hand.


HOHENZOLLERN.

Himmel und Erde! Was ergriff er da?

DER HOFKAVALIER.

Den Kranz?[356]

NATALIE.

Nein, nein!

HOHENZOLLERN öffnet die Tür.

Hier rasch herein, mein Fürst!

Auf daß das ganze Bild ihm wieder schwinde!

DER KURFÜRST.

Ins Nichts mit dir zurück, Herr Prinz von Homburg,

Ins Nichts, ins Nichts! In dem Gefild der Schlacht,

Sehn wir, wenn's dir gefällig ist, uns wieder!

Im Traum erringt man solche Dinge nicht!


Alle ab; die Tür fliegt rasselnd vor dem Prinzen zu. Pause.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 353-357.
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