Zweiter Auftritt

[375] Der Prinz von Homburg, mit einem schwarzen Band um die linke Hand. Die Vorigen.


OBRIST KOTTWITZ.

Sei mir gegrüßt, mein junger edler Prinz!

Schau her, wie, während du im Dörfchen warst,

Die Reuter ich im Talweg aufgestellt:

Ich denk du wirst mit mir zufrieden sein!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Guten Morgen, Kottwitz! – Guten Morgen, Freunde!

– Du weißt, ich lobe alles, was du tust.

HOHENZOLLERN.

Was machtest, Arthur, in dem Dörfchen du?

– Du scheinst so ernst!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Ich – war in der Kapelle,

Die aus des Dörfchens stillen Büschen blinkte.

Man läutete, da wir vorüberzogen,

Zur Andacht eben ein; da trieb mich's an,

Am Altar auch mich betend hinzuwerfen.

OBRIST KOTTWITZ.

Ein frommer junger Herr, das muß ich sagen!

Das Werk, glaubt mir, das mit Gebet beginnt,

Das wird mit Heil und Ruhm und Sieg sich krönen!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Was ich dir sagen wollte, Heinrich –


Er führt den Grafen ein wenig vor.


Was war's schon, was der Dörfling, mich betreffend,

Bei der Parol' hat gestern vorgebracht?

HOHENZOLLERN.

– Du warst zerstreut. Ich hab es wohl gesehn.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Zerstreut – geteilt; ich weiß nicht, was mir fehlte,

Diktieren in die Feder macht mich irr. –

HOHENZOLLERN.

– Zum Glück nicht diesmal eben viel für dich.

Der Truchß und Hennings, die das Fußvolk führen,

Die sind zum Angriff auf den Feind bestimmt,

Und dir ist aufgegeben, hier zu halten[375]

Im Tal schlagfertig mit der Reuterei,

Bis man zum Angriff den Befehl dir schickt.

DER PRINZ VON HOMBURG nach einer Pause, in der er vor sich nieder geträumt.

– Ein wunderlicher Vorfall!

HOHENZOLLERN.

Welcher, Lieber?


Er sieht ihn an. – Ein Kanonenschuß fällt.


OBRIST KOTTWITZ.

Holla, ihr Herrn, holla! Sitzt auf, sitzt auf!

Das ist der Hennings und die Schlacht beginnt!


Sie besteigen sämtlich einen Hügel.


DER PRINZ VON HOMBURG.

Wer ist es? Was?

HOHENZOLLERN.

Der Obrist Hennings, Arthur,

Der sich in Wrangels Rücken hat geschlichen!

Komm nur, dort kannst du alles überschaun.

GOLZ auf dem Hügel.

Seht, wie er furchtbar sich am Rhyn entfaltet!

DER PRINZ VON HOMBURG hält sich die Hand vors Auge.

– Der Hennings dort auf unserm rechten Flügel?

ERSTER OFFIZIER.

Ja, mein erlauchter Prinz.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Was auch, zum Henker!

Der stand ja gestern auf des Heeres linken.


Kanonenschüsse in der Ferne.


OBRIST KOTTWITZ.

Blitzelement! Seht, aus zwölf Feuerschlünden

Wirkt jetzt der Wrangel auf den Hennings los!

ERSTER OFFIZIER.

Das nenn ich Schanzen das, die schwedischen!

ZWEITER OFFIZIER.

Bei Gott, getürmt bis an die Kirchsturmspitze,

Des Dorfs, das hinter ihrem Rücken liegt!


Schüsse in der Nähe.


GOLZ.

Das ist der Truchß!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Der Truchß?[376]

OBRIST KOTTWITZ.

Der Truchß, er, ja;

Der Hennings jetzt von vorn zu Hülfe kommt.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Wie kommt der Truchß heut in die Mitte?


Heftige Kanonade.


GOLZ.

O Himmel, schaut, mich dünkt das Dorf fing Feuer!

DRITTER OFFIZIER.

Es brennt, so wahr ich leb!

ERSTER OFFIZIER.

Es brennt! Es brennt!

Die Flamme zuckt schon an dem Turm empor!

GOLZ.

Hui! Wie die Schwedenboten fliegen rechts und links!

ZWEITER OFFIZIER.

Sie brechen auf!

OBRIST KOTTWITZ.

Wo?

ERSTER OFFIZIER.

Auf dem rechten Flügel! –

DRITTER OFFIZIER.

Freilich! In Zügen! Mit drei Regimentern!

Es scheint, den linken wollen sie verstärken.

ZWEITER OFFIZIER.

Bei meiner Treu! Und Reuterei rückt vor,

Den Marsch des rechten Flügels zu bedecken!

HOHENZOLLERN lacht.

Ha! Wie das Feld die wieder räumen wird,

Wenn sie versteckt uns hier im Tal erblickt!


Musketenfeuer.


KOTTWITZ.

Schaut, Brüder, schaut!

ZWEITER OFFIZIER.

Horcht!

ERSTER OFFIZIER.

Feuer der Musketen!

DRITTER OFFIZIER.

Jetzt sind sie bei den Schanzen aneinander! –

GOLZ.

Bei Gott! Solch einen Donner des Geschützes

Hab ich zeit meines Lebens nicht gehört!

HOHENZOLLERN.

Schießt! Schießt! Und macht den Schoß der Erde bersten!

Der Riß soll eurer Leichen Grabmal sein!


Pause. – Ein Siegsgeschrei in der Ferne.
[377]

ERSTER OFFIZIER.

Herr, du, dort oben, der den Sieg verleiht:

Der Wrangel kehrt den Rücken schon!

HOHENZOLLERN.

Nein, sprich!

GOLZ.

Beim Himmel, Freunde! Auf dem linken Flügel!

Er räumt mit seinem Feldgeschütz die Schanzen.

ALLE.

Triumph! Triumph! Triumph! Der Sieg ist unser!

DER PRINZ VON HOMBURG steigt vom Hügel herab.

Auf, Kottwitz, folg mir!

OBRIST KOTTWITZ.

Ruhig, ruhig, Kinder!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Auf! Laß Fanfare blasen! Folge mir!

OBRIST KOTTWITZ.

Ich sage, ruhig.

DER PRINZ VON HOMBURG wild.

Himmel, Erd und Hölle!

OBRIST KOTTWITZ.

Des Herrn Durchlaucht, bei der Parole gestern,

Befahl, daß wir auf Ordre warten sollen.

Golz, lies dem Herren die Parole vor.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Auf Ordr'! Ei, Kottwitz! Reitest du so langsam?

Hast du sie noch vom Herzen nicht empfangen?

OBRIST KOTTWITZ.

Ordre?

HOHENZOLLERN.

Ich bitte dich!

OBRIST KOTTWITZ.

Von meinem Herzen?

HOHENZOLLERN.

Laß dir bedeuten, Arthur!

GOLZ.

Hör mein Obrist!

OBRIST KOTTWITZ beleidigt.

Oho! Kömmst du mir so, mein junger Herr? –

Den Gaul, den du dahersprengst, schlepp ich noch

Im Notfall an dem Schwanz des meinen fort!

Marsch, marsch, ihr Herrn! Trompeter, die Fanfare!

Zum Kampf! Zum Kampf! Der Kottwitz ist dabei!

GOLZ zu Kottwitz.

Nein, nimmermehr, mein Obrist! Nimmermehr!

ZWEITER OFFIZIER.

Der Hennings hat den Rhyn noch nicht erreicht!

ERSTER OFFIZIER.

Nimm ihm den Degen ab![378]

DER PRINZ VON HOMBURG.

Den Degen mir?


Er stößt ihn zurück.


Ei, du vorwitz'ger Knabe, der du noch

Nicht die Zehn märkischen Gebote kennst!

Hier ist der deinige, zusamt der Scheide!


Er reißt ihm das Schwert samt dem Gürtel ab.


ERSTER OFFIZIER taumelnd.

Mein Prinz, die Tat, bei Gott –!

DER PRINZ VON HOMBURG auf ihn einschreitend.

Den Mund noch öffnest –?

HOHENZOLLERN zu dem Offizier.

Schweig! Bist du rasend?

DER PRINZ VON HOMBURG indem er den Degen abgibt.

Ordonnanzen! –

Führt ihn gefangen ab, ins Hauptquartier.


Zu Kottwitz und den übrigen Offizieren.


Und jetzt ist die Parol', ihr Herrn: ein Schurke,

Wer seinem General zur Schlacht nicht folgt!

– Wer von euch bleibt?

OBRIST KOTTWITZ.

Du hörst. Was eiferst du?

HOHENZOLLERN beilegend.

Es war ein Rat nur, den man dir erteilt.

OBRIST KOTTWITZ.

Auf deine Kappe nimm's. Ich folge dir.

DER PRINZ VON HOMBURG beruhigt.

Ich nehm's auf meine Kappe. Folgt mir, Brüder!


Alle ab.


Szene: Zimmer in einem Dorf.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 375-379.
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