[381] Rittmeister von Mörner tritt verwundet auf, von zwei Reutern geführt. – Die Vorigen.
KURFÜRSTIN.
Was bringst du, Herold des Entsetzens, mir?
MÖRNER.
Was diese Augen, leider, teure Frau,
Zu meinem ew'gen Jammer, selbst gesehn.
KURFÜRSTIN.
Wohlan! Erzähl!
MÖRNER.
Der Kurfürst ist nicht mehr!
NATALIE.
O Himmel!
Soll ein so ungeheurer Schlag uns treffen?
Sie bedeckt sich das Gesicht.
KURFÜRSTIN.
Erstatte mir Bericht, wie er gesunken!
– Und wie der Blitzstrahl, der den Wandrer trifft,
Die Welt noch einmal purpurn ihm erleuchtet,
So laß dein Wort sein; Nacht, wenn du gesprochen,
Mög über meinem Haupt zusammenschlagen.
MÖRNER tritt, geführt von den beiden Reutern, vor ihr.
Der Prinz von Homburg war, sobald der Feind,
Gedrängt von Truchß, in seiner Stellung wankte,
Auf Wrangel in die Ebne vorgerückt;
Zwei Linien hatt er, mit der Reuterei,
Durchbrochen schon, und auf der Flucht vernichtet,
Als er auf eine Feldredoute stieß.
Hier schlug so mörderischer Eisenregen
Entgegen ihm, daß seine Reuterschar,
Wie eine Saat, sich knickend niederlegte:
Halt mußt er machen zwischen Busch und Hügeln,
Um sein zerstreutes Reutercorps zu sammeln.
NATALIE zur Kurfürstin.
Geliebte! Fasse dich!
KURFÜRSTIN.
Laß, laß mich, Liebe!
MÖRNER.
In diesem Augenblick, dem Staub entrückt,
Bemerken wir den Herrn, der, bei den Fahnen[381]
Des Truchßschen Corps, dem Feind entgegenreitet;
Auf einem Schimmel herrlich saß er da,
Im Sonnenstrahl, die Bahn des Siegs erleuchtend.
Wir alle sammeln uns, bei diesem Anblick,
Auf eines Hügels Abhang, schwer besorgt,
Inmitten ihn des Feuers zu erblicken:
Als plötzlich jetzt der Kurfürst, Roß und Reuter,
In Staub vor unsern Augen niedersinkt;
Zwei Fahnenträger fielen über ihn,
Und deckten ihn mit ihren Fahnen zu.
NATALIE.
O meine Mutter!
ERSTE HOFDAME.
Himmel!
KURFÜRSTIN.
Weiter! Weiter!
MÖRNER.
Drauf faßt, bei diesem schreckenvollen Anblick,
Schmerz, unermeßlicher, des Prinzen Herz;
Dem Bären gleich, von Wut gespornt und Rache,
Bricht er mit uns auf die Verschanzung los:
Der Graben wird, der Erdwall, der sie deckt,
Im Anlauf überflogen, die Besatzung
Geworfen, auf das Feld zerstreut, vernichtet,
Kanonen, Fahnen, Pauken und Standarten,
Der Schweden ganzes Kriegsgepäck, erbeutet:
Und hätte nicht der Brückenkopf am Rhyn
Im Würgen uns gehemmt, so wäre keiner,
Der an dem Herd der Väter, sagen könnte:
Bei Fehrbellin sah ich den Helden fallen!
KURFÜRSTIN.
Ein Sieg, zu teu'r erkauft! Ich mag ihn nicht.
Gebt mir den Preis, den er gekostet, wieder.
Sie sinkt in Ohnmacht.
ERSTE HOFDAME.
Hilf, Gott im Himmel! Ihre Sinne schwinden.
Natalie weint.
[382]
Ausgewählte Ausgaben von
Prinz Friedrich von Homburg
|
Buchempfehlung
Die tugendhafte Sara Sampson macht die Bekanntschaft des Lebemannes Mellefont, der sie entführt und sie heiraten will. Sara gerät in schwere Gewissenskonflikte und schließlich wird sie Opfer der intriganten Marwood, der Ex-Geliebten Mellefonts. Das erste deutsche bürgerliche Trauerspiel ist bereits bei seiner Uraufführung 1755 in Frankfurt an der Oder ein großer Publikumserfolg.
78 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro