Siebenter Auftritt

[434] Der Prinz von Homburg tritt auf. Ein Offizier mit Wache. – Die Vorigen.


DER KURFÜRST.

Mein junger Prinz, Euch ruf ich mir zu Hülfe!

Der Obrist Kottwitz bringt, zugunsten Eurer,

Mir dieses Blatt hier, schaut, in langer Reihe

Von hundert Edelleuten unterzeichnet;

Das Heer begehre, heißt es, Eure Freiheit,

Und billige den Spruch des Kriegsrechts nicht. –

Lest, bitt ich, selbst, und unterrichtet Euch!


Er gibt ihm das Blatt.


DER PRINZ VON HOMBURG.


nachdem er einen Blick hineingetan, wendet sich, und sieht sich im Kreis der Offiziere um.


Kottwitz, gib deine Hand mir, alter Freund!

Du tust mir mehr, als ich, am Tag der Schlacht,

Um dich verdient! Doch jetzt geschwind geh hin

Nach Arnstein wiederum, von wo du kamst,[434]

Und rühr dich nicht; ich hab's mir überlegt,

Ich will den Tod, der mir erkannt, erdulden!


Er übergibt ihm die Schrift.


KOTTWITZ betroffen.

Nein, nimmermehr, mein Prinz! Was sprichst du da?

HOHENZOLLERN.

Er will den Tod. –?

GRAF TRUCHSS.

Er soll und darf nicht sterben!

MEHRERE OFFIZIERE vordringend.

Mein Herr und Kurfürst! Mein Gebieter! Hör uns?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Ruhig! Es ist mein unbeugsamer Wille!

Ich will das heilige Gesetz des Kriegs,

Das ich verletzt, im Angesicht des Heers,

Durch einen freien Tod verherrlichen!

Was kann der Sieg euch, meine Brüder, gelten,

Der eine, dürftige, den ich vielleicht

Dem Wrangel noch entreiße, dem Triumph

Verglichen, über den verderblichsten

Der Feind' in uns, den Trotz, den Übermut,

Errungen glorreich morgen? Es erliege

Der Fremdling, der uns unterjochen will,

Und frei, auf mütterlichem Grund, behaupte

Der Brandenburger sich; denn sein ist er,

Und seiner Fluren Pracht nur ihm erbaut!

KOTTWITZ gerührt.

Mein Sohn! Mein liebster Freund! Wie nenn ich dich?

GRAF TRUCHSS.

O Gott der Welt!

KOTTWITZ.

Laß deine Hand mich küssen!


Sie drängen sich um ihn.


DER PRINZ VON HOMBURG wendet sich zum Kurfürsten.

Doch dir, mein Fürst, der einen süßern Namen

Dereinst mir führte, leider jetzt verscherzt:

Dir leg ich tiefbewegt zu Füßen mich!

Vergib, wenn ich am Tage der Entscheidung,

Mit übereiltem Eifer dir gedient:[435]

Der Tod wäscht jetzt von jeder Schuld mich rein.

Laß meinem Herzen, das versöhnt und heiter

Sich deinem Rechtsspruch unterwirft, den Trost,

Daß deine Brust auch jedem Groll entsagt:

Und, in der Abschiedsstunde, dess' zum Zeichen,

Bewill'ge huldreich eine Gnade mir!

DER KURFÜRST.

Sprich, junger Held! Was ist's, das du begehrst?

Mein Wort verpfänd ich dir und Ritterehre,

Was es auch sei, es ist dir zugestanden!

DER PRINZ VON HOMBURG.

Erkauf o Herr, mit deiner Nichte Hand,

Von Gustav Karl Hand den Frieden nicht! Hinweg

Mit diesem Unterhändler aus dem Lager,

Der solchen Antrag ehrlos dir gemacht:

Mit Kettenkugeln schreib die Antwort ihm!

DER KURFÜRST küßt seine Stirn.

Sei's, wie du sagst! Mit diesem Kuß, mein Sohn,

Bewillg' ich diese letzte Bitte dir!

Was auch, bedarf es dieses Opfers noch,

Vom Mißglück nur des Kriegs mir abgerungen,

Blüht doch aus jedem Wort, das du gesprochen,

Jetzt mir ein Sieg auf, der zu Staub ihn malmt!

Prinz Homburgs Braut sei sie, werd ich ihm schreiben,

Der Fehrbellins halb, dem Gesetzt verfiel,

Und seinem Geist, tot vor den Fahnen schreitend,

Kämpf er auf dem Gefild der Schlacht, sie ab!


Er küßt ihn noch einmal und erhebt ihn.


DER PRINZ VON HOMBURG.

Nun sieh, jetzt schenktest du das Leben mir!

Nun fleh ich jeden Segen dir herab,

Den, von dem Thron der Wolken, Seraphin

Auf Heldenhäupter jauchzend niederschütten:

Geh und bekrieg, o Herr, und überwinde

Den Weltkreis, der dir trotzt – denn du bist's wert!

DER KURFÜRST.

Wache! Führt ihn zurück in sein Gefängnis![436]


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 434-437.
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