Dritte Scene.

[54] Wagner. Die Vorigen.


WAGNER eintretend.

Mit Urlaub, Ehrenvester, und Ehrsame!

DIETHER aufhorchend.

Das ist –

WAGNER.

Des Wagners Stimme, alter Herr!

Ihr habt sie lange bei euch nicht vernommen;

Das macht, ich steckte in der Wissenschaft,

Und glaubte nahe dran seyn, sie zu fassen, –

Die liebe Wahrheit mein' ich! – Seht, Herr Faust,

Ein andrer Doctor lehrte hier seit kurzem,

Und hatte mich zum Famulus erwählt;

Ich habe mich auch tüchtig dran gehalten,

Daß oft der Schädel vor Gedanken dampfte;

Allein nachdem der Cursus jetzt beendigt,[54]

Entdeckt sich mir, zum herzlichen Erstaunen,

Daß ich so wenig weiß, als wie vorher!

DIETHER.

So bleibt dabei! – Viel Wissen ist gefährlich!

WAGNER.

Ja, guter Gott! Man will denn doch erfahren,

Wie man zuletzt daran ist mit sich selber;

Das drückt und quält, wenn mit der lieben Nase

Man stets sich an die alte Mauer stößt!

DIETHER.

Der Herrgott hat sie weislich aufgeführt,

Für Nasen eures gleichen!

WAGNER.

Nein, mit Gunsten,

So dachte Würden, unser Doctor, nicht!

Drum hält man ihn auch hoch und schätzt den Mann,

Seitdem er fort ist aus dem deutschen Lande;

Und wird er gar einmal gestorben seyn,

So möchte leicht der Ruhm noch lauter schallen,

Dieweil der Deutsche erst die Todten ehrt! –

Indessen druckt man wacker schon drauf los,

Und zieht den Zins von dem, was er erfunden;

Ja, was man auch vom schwarzen Bündniß munkelt,[55]

So scheut doch niemand seine schwarzen Zeichen,

Und Guttenberg pflügt dreist mit seinem Kalbe! –

Doch redet, hat mein Ohr es recht vernommen?

Er kehrt zurück! so lautet das Gerücht!

KÄTHE.

Es ist gewiß!

WAGNER.

Fürwahr?


Gerührt.


Mein lieber Meister!


Er küßt Käthens Hand.


KÄTHE bewegt.

Die Hand ist naß!

WAGNER.

Vergebt den schwachen Augen,

Es kommt vom Lesen bei der Abendlampe!

KÄTHE drückt ihm die Hand.

Ihr Guter! – Ihr verdammt den Faust doch nicht!

WAGNER.

Ehrsame Frau – den Herrn, ich ihn verdammen?

Seht, mir sind hohe Worte nicht verliehen;

Doch hab' ich ihn so treu einfältig lieb,[56]

Daß, wenn er sich dem Feind fürwahr ergeben,

Ich, ihn zu retten, selbst mich opfern könnte!

DIETHER der nach außen hin hörte.

Horcht! Wie das stürmt!

WAGNER am Fenster.

Nicht doch, es ist ein Wagen!

Vier schwarze Rosse toben dort herauf!

KÄTHE aufschreiend.

Jesus Maria! Der Faust!

DIETHER bewegt.

Der Hans!

WAGNER rufend.

Der Meister!

Ich muß hinaus!


Er eilt ab.


KÄTHE mit einer Bewegung gegen die Thüre.

Ich kann nicht fort! Der Freudenschreck erstarrt mich!

DIETHER.

Ist es denn wahr?

KÄTHE in einem Taumel, ohne zu wissen, wohin, nach dem Fenster zu.

O wie so hoch und stattlich![57]


Quelle:
Klingemann, August: Faust. Ein Trauerspiel in fünf Acten. Leipzig und Altenburg 1815 [Nachdruck Wildberg 1996], S. 54-58.
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