Sechste Scene.

[66] Faust und Käthe.


KÄTHE nahet sich ihm, sanft und innig.

O lieber Mann!

FAUST legt ihre Hand auf sein Herz.

Hier schlägt es heiß und glühend!

KÄTHE bang.

Wild, wie im Fieber!

FAUST.

Gieb mir Gluth für Gluth! –

KÄTHE.

Ich leide Todesangst!

FAUST wild und scheu.

Was will ich denn?

Ein Herz begehr' ich nur, das meines fühlt,[66]

Allein will ich nicht stehn auf dieser Erde,

Nicht ewig in ein todtes Echorufen; –

Nur eine Seele, die in meine glüht,

Und ich bin fromm und mild!

KÄTHE.

Mein lieber Faust!

FAUST mit innerer Angst.

Dann kann noch alles wohl und gut sich enden!

KÄTHE in ihn dringend.

O höre mich! – Dein Blick ist wild und schrecklich! –

FAUST aufstürmend.

Doch warf er mich mit dieser Feuerseele

In eine Wildniß, wo nichts Nahrung giebt,

Nichts meinen innern Hunger je befriedigt; –

Dann wär' es besser, wenn ich nie geboren!

KÄTHE wie vorher.

Verzweifle nicht! Noch giebt es einen Ausweg!

FAUST.

Was willst du?

KÄTHE hastig zu ihm redend.

Folge mir zum Gotteshause!

So lange ist es, daß du nicht gebeichtet! –[67]

FAUST.

O weg damit!

KÄTHE.

Stoß mich so hart nicht von dir!

Erinn're dich der frommen süßen Stunden,

Wo Hand in Hand wir zu dem Altar gingen,

Vereint dem Himmel unsre Schuld bekannten

Und seine Gnade uns vereint versöhnte!


Dringend.


Folg mir dahin – der Angst dich zu entladen!

FAUST wild und heftig.

Nein! Nein! –

KÄTHE schaudernd.

Herrgott! –


Als sie seine linke Hand faßt.


Du blutest an der Hand!

FAUST.

Das ist – –


Indem er auf die Hand starrt.


Ja so!

KÄTHE ängstlich.

Wer hat dich so verwundet? –

Der Schnitt geht grade durch die Lebenslinie![68]

FAUST wild auflachend.

Ha! ha! –

KÄTHE.

Du blutest stark!

FAUST.

Ein alter Schaden!

Wenn's in mir stürmt, bricht er stets wieder auf,

Und macht mir Luft! –

KÄTHE die unverwandt darauf hinblickt.

Es ist die linke Hand,

Die kommt vom Herzen – –


Tiefsinnig und langsam.


es ist Herzensblut!

FAUST entreißt ihr die Hand.

Nun doch – was starrst du drauf!

KÄTHE wie wenn sie sich ein Mährchen wiederholte.

»Es war ein Graf

Der ging hinaus in einen finstern Wald,

Alldort er sich dem Bösen übergab.«

FAUST erschüttert und bewegt.

Ha denn, was soll das alte Ammenmährchen?

KÄTHE monoton fortfahrend.

»Der Finstre aber schnitt mit einem Eisen[69]

Ihm in die linke Hand, gerad' durch's Leben,

Und ließ den Pact mit Blut sich unterschreiben;

Als das vollbracht, begann die Feuertaufe,

Und schloß das Werk der Nacht; drauf ward der Grafe

Ein reicher Mann, allein die Wunde heilte

Nie wieder zu, und nach der Feuertaufe

Blieb sein Gesicht –«


Bricht in dem Augenblicke Faust anblickend ab, verlaßt den vorigen Ton und schreit außer sich auf.


– Ha, glühend, wie das deine!

FAUST unwillkührlich zurückbebend.

Ha – glühend?

KÄTHE stürzt die Hände ringend vor ihm nieder.

O in aller Heil'gen Namen!

Gieb mir die Wahrheit – deine Linke blutet,

Dein Auge brennt wie sein's!

FAUST reißt sie heftig empor.

Was soll das Mährchen,

Womit die Amme einst in Schlaf dich lullte;

'S ist Tollheit – weiter nichts!

KÄTHE bebend.

Und wär' es mehr!?[70]

FAUST wilder und kühner.

Beim Teufel, wollt' ich's doch! – Mich trieb es längst,

Mit ihm da drunten wacker anzubinden,

Denn ihm zu trotzen fühl' ich Kraft in mir!

Zu Schanden macht' ich ihn mit seiner Tücke –

Und hätt' er auch mein Herzblut roth auf weiß!

KÄTHE wirft sich an seine Brust.

O Faust, es ist nicht so!?

FAUST.

Was so? Was soll es?

Ihr träumt euch närrisch durch die Phantasei –


Ablenkend, indem sein Blick auf das verschleierte Konterfei fällt.


Was ist denn dort?

KÄTHE die seinem Blicke nicht gleich folgt.

Wo meinst du?

FAUST.

Hinterm Schleier!

KÄTHE aufschreckend.

Um Gottes willen!

FAUST.

Nun?[71]

KÄTHE schnell und hastig.

Enthüll' es nicht!

FAUST.

Was ist's? Warum nicht?

KÄTHE.

Weh! Entsetzliches!

FAUST will hinzutreten.

Laß mich!

KÄTHE die ihn zurückhält.

Ein Haupt!

FAUST mit flüchtiger Laune.

Nun denn – doch nicht des Teufels?

KÄTHE außer sich, ihn hinwegdrängend.

O mehr – ein Mörderhaupt!

FAUST reißt den Schleier gewaltsam fort.

Hinweg den Schleier!


Eine Pause. Käthe taumelt zurück. Faust ist gewaltsam ergriffen und streckt die Arme aus. Dann fährt er begeistert und außer sich fort.


Was ist geschehn! – Ha, welch ein heiß Entzücken,

Das feurig mir durch alle Adern glüht,

Das Leben thront in diesen Flammenblicken,[72]

Auf dieser Lippe, die zum Kusse blüht,

O könnt' ich wild an's wilde Herz dich drücken,

Ha, wie dein Auge meines zu sich zieht! –

KÄTHE blaß und schwankend.

Es mordet mich – den Dolch seh' ich's erheben!

FAUST feurig.

Ha, lebend steig herab in's helle Leben! –

KÄTHE bebt zurück.

Schau, wie es flammt!

FAUST.

In heißen Liebesgluthen! –

Blick zu mir her!

KÄTHE.

Es kündet mir den Tod!

Hinweg! –

FAUST.

Für dich stürzt' ich hinab in Fluthen!

Der Frühling blüht in diesem Wangenroth!

Hin, zu dir hin! –

KÄTHE jammernd.

Und mich läßt du verbluten?

FAUST.

Es reißt mich fort![73]

KÄTHE streckt die Arme nach ihm.

Bleib mir in dieser Noth!

FAUST zu dem Bilde gekehrt.

Dich suchte ich!

KÄTHE.

O weh! mein Herz gebrochen!

FAUST.

Du hast mein Leben glühend ausgesprochen!


Käthe sinkt in Ohnmacht, Faust tritt gegen das Gemälde vor, der Vorhang fällt.
[74]

Quelle:
Klingemann, August: Faust. Ein Trauerspiel in fünf Acten. Leipzig und Altenburg 1815 [Nachdruck Wildberg 1996], S. 66-75.
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