Zwölfte Scene.

[173] Faust zieht Helenen auf die Bühne, die ebenfalls ganz verlarvt ist. Die andern Masken entfernen sich.


FAUST erhitzt und glühend.

Nicht länger sträube dich!

HELENE.

Ha, wilder Stürmer!

FAUST.

Mein Busen brennt –!

HELENE.

Die Zeit ist noch nicht da![173]

FAUST.

Sie ist's! Sie ist's! – Ha, Weib, sie soll es seyn!

Statt einer hab' ich drei dir aufgeopfert!

Die Mutter schläft, das Kindlein und der Alte,

Mit dir zu kosen sang ich sie in Schlummer! –

Ha, Feuerbraut, die Nacht ist eingeweiht,

Gezahlt hab' ich die theure Morgengabe;

Drum gieb mir Gluth für Gluth!

HELENE mit heimlichem Nachdrucke.

Sie brennt für dich!

FAUST.

Zerrissen ist jedwedes Lebensband;

An dich bin ich gefesselt, dein –

HELENE mit einem Triumph einfallend.

Auf ewig!


Die Musik in der Ferne wird immer wilder und seltsamer, es rollen dumpfe Donner hinein, die nach und nach stärker werden.


FAUST.

Auf ewig dein! – Horch, wie die Töne schwellen!

HELENE.

Sie donnern uns den wilden Hochzeitsjubel!

FAUST sie umschlingend.

Ha, gieb den Brautkuß mir![174]

HELENE.

Um Mitternacht!!

FAUST.

Jedweder Puls wird mir zur Ewigkeit! –

Die Larve fort, die mir dein Wangenfeuer,

Der schwarzen Augen dunkle Gluth verbirgt!


Er will ihr die Maske nehmen.


HELENE sträubt ihm entgegen.

Ist sie gefallen, wirst du treu verbleiben?

FAUST streckt die Hand empor.

Ja bei dem –

HELENE zieht ihn rasch zurück.

Halt!

FAUST als es stärker donnert.

Das donnert meinen Eid!

Die Töne schwören ihn, die Herzensschläge,

Mein ganzes Daseyn, das in Flammen glüht!

Ha, immer wilder schwillt der Jubel an,

Schon wirbelt um uns her der Hochzeitsreigen,

Die Fackel brennt –

HELENE mit wildem Tone.

Ha denn, mein Bräutigam![175]

FAUST auf sie eindringend.

Hinweg die Larve! –

HELENE noch wilder.

Hei! Die Hochzeitsstunde –

FAUST.

Die Larve fort!!

HELENE.

Sie schlägt!!

FAUST.

Den Brautkuß!


Er ist im Begriffe, sie zu umschlingen.


HELENE.

Nimm ihn!!


Die Larve und die Hauptbedeckung entfallen ihr und sie grinset ihn aus einem Todtenschädel an; es donnert heftig und die Musik endet wie mit einem Schrei in Dissonanzen.


FAUST taumelt in Todesschrecken zurück.

Entsetzen – –! Weh! – –

HELENE.

Das Lager ist bereit!

Folg, Bräutigam, hinab zur Feuerhochzeit!!


Sie versinkt mit einem krachenden Donnerschlage in den Boden, aus dem Flammen emporlodern. Faust stürzt von der Bühne, die so lange leer bleibt, bis die jetzt einfallende[176] Glocke zwölf ausgeschlagen hat. Alles verdunkelt sich tief und die Lichter erlöschen.


Quelle:
Klingemann, August: Faust. Ein Trauerspiel in fünf Acten. Leipzig und Altenburg 1815 [Nachdruck Wildberg 1996], S. 173-177.
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