Zweite Szene


[934] Gesandter. Franz.


FRANZ. Meine Schwester Hure geworden? Kein Weib denn, die keine ist! Verflucht alles, alles! Meine Schwester Ehebrecherin? Red, red! Ist sie's? Mit meinen Händen ihr ehebrecherisches Herz –

GESANDTER. Hör mich, Unglücklicher! Es ist so; sag es sei nicht! Es ist so.

FRANZ. Mit Brand?

GESANDTER. Alles, wie ich's sagte.

FRANZ. Denn hier mein Leben, alles Ende! Gesandter, an beiden sollst du blutige Rache haben; gib dich zufrieden! Wird seiner Schwester Schattenriß gewahr. Siehst du sie? Dieses Gesicht, das Ohnmögliche, betrügerische Ohnmögliche, das drinnen liegt! Man sollte schwören, es könnte Gott hintergehen. Herunter, zertreten, zertreten! So will ich dich zertreten. Fort, fort, zur Ehebrecherin! Mein Vater am Schlag tot! Ist er tot?[934]

GESANDTER. Auf der Stelle.

FRANZ. Hätt er sie erwürgt! Nun, er ist tot, er ist tot, Gesandter! Ach! Schwester! Schwester!

GESANDTER. Lieber Bruder, ras nicht! Deine Schwester!

FRANZ. Was, meine Schwester? Was? was? red mir nicht! Keiner Hur ihr Bruder. Mörder! Mörder! – Zertreten liegst du!

GESANDTER. Ich bin ihr Mann, Franz, und –

FRANZ. Was?

GESANDTER. Will nachgeben.

FRANZ. Aus meinen Augen!

GESANDTER. Zu meinen Füßen hat sie gelegen, alles gestanden. Lehr mich's vergessen!

FRANZ. Wenn sie tot ist – Fort, fort!

GESANDTER. Ich laß dich nicht, bis du mir schwörst.

FRANZ. Nichts tu ich! Hure, Hure! Komm Gesandter, armer Gesandter!

GESANDTER. Ich bin ihr Mann, hab Kinder.

FRANZ. Ihr Narr bist du. Ach, Bruder, Bruder; ihr Narr. War sie nicht ein Engelweib? Und sie betrog dich – Engel müssen weinen – eine verfluchte Ehebrecherin! Und alles haben sie uns genommen. Komm, wir wollen sie strafen! Nimm deine Kinder und wir gehn heischen. Wollen betteln, deine Geschichte erzählen. Fort, fort!

GESANDTER. Sie fällt tot nieder, sieht sie dich.

FRANZ. Wo ist Brand?

GESANDTER. Flüchtig.

FRANZ. Er ist in der Welt, und hätte er sich unterm tiefsten Berg vergraben, ich müßte mit meinen Nägeln durchgraben – Schwester, Schwester!

GESANDTER. Malchen! Malchen!

FRANZ. Hure! Hure!


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 934-935.
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