Zweiter Auftritt

[983] Alter Guelfo. Vorige.


ALTER GUELFO. Guten Morgen! guten Morgen! – Warum seht ihr so blaß?

AMALIA. Und du so zerstört?

ALTER GUELFO. Mir ist doch nichts, als daß ich manchmal furchtsam um mich seh. Ich komme, mich bei euch zu zerstreuen.

CAMILLA. Ist Ferdinando noch nicht zurück?

ALTER GUELFO. Er kann nicht lange mehr bleiben. Das war eine schreckliche Nacht. Seitdem ich lebe, hab ich's so nicht stürmen gehört. Unsre ganze Orangerie ist zerschlagen. Alle Bildsäulen liegen zerschmissen weit von den Fußgestellen. Ferdinandos Lieblingsbaum ist vom Gipfel bis auf die Mitte zersplittert; wie wird er trauern, kömmt er zurück! Wir müssen's ihm heute nicht sagen; hört ihr's? Der schönste Baum, der auf viele Meilen zu finden ist. Weiß Gott, wie ich mit Kummer und Ahndung die schönen breiten Äste, die uns so oft Schatten gaben, zur Erde hängen sah!

CAMILLA. Was soll das all noch werden?

AMALIA. Der schöne Baum, unter dem wir so oft mit ihm saßen, und er uns die halben Sommernächte beim Mondschein mit der Harfe wegspielte!

ALTER GUELFO. Ich suchte Hülfe bei euch, und ihr macht's schlimmer. Was ist Ihnen, Tochter?

CAMILLA. Nichts, nichts!

ALTER GUELFO. Ich fürchte, Guelfos Haus bedroht großes Unglück. Es sind fürchterliche Zeichen diese Nacht geschehen. Der Wächter will die Totenglocken von den nächsten Klöstern her gehört haben. Man trug Leichen an ihm vorbei, und schwarz verhüllte Männer wehklagten durch den Sturm.

AMALIA. Still! Camilla wird bleich und tot.

ALTER GUELFO. Tochter! Tochter! Was wird uns das tun? Daß ich's auch erzählte! Kommen Sie zu sich! Vergessen Sie's![983]

CAMILLA. Mir ist nicht wohl. Es wird schon besser. Reden Sie was anders, Vater! Hat Ferdinando ein wildes Pferd?

ALTER GUELFO. Nein, nein! Oh, so nah ist's nicht! Ich lege das ganz anders aus. Sein Sie munter! Amalia, sei munter!

AMALIA. Wo ist der Ritter?

ALTER GUELFO. Er ritt vor Sonnenaufgang hinaus, der wilde Jäger Nimrod, mit Lanz und Schwert. Gott beßr' ihn, oder kehr er nie wieder! Noch so eine Begebenheit, wie die gestrige, und ich streich ihn aus! Er bringt uns alle um. Ich hab eine Nacht gelebt – wenn ich noch so eine leben soll, will ich mich lieber auf die Galeeren schmieden lassen. Sein Zorn ist verflucht.

AMALIA. Fluch deinem Sohn nicht, Vater!

CAMILLA. Lassen Sie sich nicht hinreißen! Der Ritter wird sanft werden und verträglich. Wir nehmen's über uns.

ALTER GUELFO. Steh euch der Himmel bei! Ich seh nicht lange mehr zu. Ich hoffte, es sollte gut gehen. – Der Stallknecht sagte, er habe sich auf seinen tollen Türken geschwungen, mit dem Pferde wie mit seinem Freunde gesprochen, und die Tränen wären dem Tier auf die Mähnen gefallen. Aber gleich kehrte der wilde Guelfo zurück. Er fragt' ihn, ob er nichts an mich zu bestellen hätte? und er gab dem armen Kerl die Peitsche, daß er noch heult und wimmert.

AMALIA. Denk nicht dran!

ALTER GUELFO. Nu stille denn! die Sonne soll uns freudig finden an Ferdinandos Hochzeitstag. Ich hab große Gesellschaft bitten lassen, und keiner schlug's dem Guelfo ab. Diesen Abend will ich euch Ball geben; und wer mir nicht lustig ist, der soll dem Guelfo und dem traurigen Grimaldi Gesellschaft leisten.

AMALIA. Die werden dabeisein, Guelfo!

ALTER GUELFO. Ich zweifle.

CAMILLA. Warum?


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 983-984.
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