Zwölfte Szene

[1197] Kapitän. Berkley, hastig nach.


BERKLEY. Harry! Harry! He Harry! du sollst nicht!

KAPITÄN zu Wild. Wo bleibst du denn, he? – Was hier, Miß? – Indem er Lord Bushy gewahr wird. Ist das Traum? he, Mylord Bushy, bist du Fleisch und Bein?


Berkley fährt zusammen.


LORD BUSHY. Ich bin's, Kapitän.

KAPITÄN. Teufel und Hölle! Hat dich die See so lieb? Vater, es ist Bushy, der alte Bushy!

BERKLEY. Ich seh es ja, ich fühl es ja. Komm doch fort mit mir, Harry! Es geht mir so warm ums Herz –

LORD BUSHY. Lord Berkley!

BERKLEY. Nur deine Stimme nicht! ich fürchte deine Stimme! Was für Anschläge wider mich führen dich hierher?

LORD BUSHY. Anschläge des Friedens und der Liebe. Will seine Hand fassen, er hält sie zurück. Reue meines vergangenen Lebens: Vergessen der wilden Leidenschaften! Mylord! ich hab alle Sünden auf mich genommen, hab eine Pilgrimschaft vollendet hier, voll Kummer und Leiden, laß mich hier die Fahne der Ruhe aufstecken!

BERKLEY. Geh doch nun weg hier! – Komm fort, Miß! daß ich nicht in Versuchung komme, zu diesem oder jenen.

LORD BUSHY. Berkley! bist du noch nicht da wo man Ruhe gern fühlt?

KAPITÄN. Nu Sir! meine Pistolen und Pferd ist bereit, meine Wunde vergessen.

WILD. Ich hab dir vergeben, Kapitän, da ich ihn wieder fand.

KAPITÄN. Und ich dir nicht, Sir!

BERKLEY. Kömmst du bald zu mir, Miß! was stehst du da unter Bushys?

CAROLINE. O mein Vater!

WILD sie umfassend. Sie ist mein, Mylord! Du gabst mir sie als ich Knabe war, sie ist mein!

BERKLEY. Soll ich dir fluchen, Miß? komm Kind!

CAROLINE. Mein Vater!

KAPITÄN. Berkley! ich werde toll hier!

WILD die Miß umfassend. Wir wollen weg hier, Grausame! Aber die Miß geht mit. Hier ist Pistole, und hier ist Tod! Nehmt sie![1197]

KAPITÄN. Laß mich ihn doch niederschießen, Mylord!

BERKLEY. Hund du toller! Und hält Miß so fest in seinen Armen. Da knall sie mit nieder, und aller Welt Anmut liegt begraben für mich. Sieh das Mädchen an so schön und gut, und so häßlich in Bushys Armen. Liebe Miß! will dich locken! mit Liebe locken! willst du nicht bald kommen, schöne Miß! willst du wohl! Komm doch, liebes, sittsames Kind zu deinem alten Vater! Du nur allein kannst seine Nerven sanft und mild stimmen, das fühl ich soeben. Komm doch nur, ich will die Bushys ruhig ziehen lassen.

WILD. Soll ich hier mein Leben enden, Miß?

CAROLINE. Vergebet! mein Vater vergeßt!


Nach Berkley immer reichend, von Wild wieder zurückgehalten.


BERKLEY. Pfui Miß! schäme dich! Ich bitt dich, Mädchen, bring mich nicht auf. Miß! ich bitt, ich flehe dich, und meine graue Haare, mein alter Kopf, halt's nicht mit meinen Feinden, und komm geschwinde zu mir! Komm doch, Kind! Du pflegtest und wartetest mich, ich will jetzt dich pflegen und warten. He Miß! soll ich wahnsinnig werden, Miß? Soll ich Ekel und Haß für mein Kind kriegen? Dich verfluchen und die Welt? es wird mir toll ums Herz, Miß!

CAROLINE. Ich bin dein Kind, Lord! Dein gutes, treues Kind!

KAPITÄN. Sie spielen mit uns, Vater!

BERKLEY. Nur diese Gnade, lieber Himmel! daß ich dieses Kind vergesse! aus diesem verworrnen Drang komme!

LORD BUSHY. Berkley, wir nannten uns einstens Bruder. Lebten in Freundschaft und Liebe. Ein böser Geist trennte uns. Mir ist die vorige Empfindung längst zurückgekehrt, sollte es bei dir nicht geschehen können? Bruder!

BERKLEY. Rede nicht! Bushy rede nicht! ich haß und hasse, lieb und liebe!

LORD BUSHY. Dein Haß ist mir schwergefallen, jetzt verdien ich ihn nicht mehr. Sieh ich stehe am Rande des Grabes. Gedanken der ewigen Ruhe haben längst meine Seele gefüllt, und geben mir Stärke, je mehr mein schwacher Körper zusammensinkt. Berkley, da lügt man nicht, und ich tat's nie. Hier, wo Wahres vom Falschen getrennt wird, sag ich dir, daß ich unschuldig bin am Verheeren deines Hauses, an deiner Verbannung. Der es tat, liegt längst im Tale des Todes verschlossen. Ruhe seiner Asche! sein Name und seine Triebfedern sollen nicht über dieses Herz kommen.[1198]

BERKLEY. Du hättest das nicht getan? – alter Heuchler!

LORD BUSHY. Es ist hart, Berkley! mein Angesicht spricht für mich, und meine Offenheit, die mich viel gekostet hat. Unser Unglück war Mißverständnis, daß wir nach einem Ziel trieben, unsere Interessen sich aneinander stießen, meine zu hastigen Leidenschaften, und deine noch feurigere. O Mylord! was erhielten wir! was wurden wir beide? Laß uns alles gut machen, laß uns in Liebe leben!

CAROLINE. O mein Vater! es ist alles so wahr was Mylord sagt – An seinen Hals. Deine Jenny! Du bist erweicht!

WILD. Edler Berkley!

KAPITÄN. Es ist schändlich, sich vertragen wie Weibsleute am Ende.

CAROLINE. Harry! lüge dir keine Empfindung an! Ich seh dir an, daß du gerne wünschtest –

KAPITÄN. Geh doch! – ich will auf mein Schiff.

LORD BUSHY. Bruder Berkley, ich will mich rechtfertigen vor dir, nur erkenne jetzt mein Herz rein!

BERKLEY. Ich kann dich nicht liebhaben – bleibe hier!

LORD BUSHY ihn umarmend. Ich erkenne dich.

BERKLEY. Laß mich nur! es ist mir so wirr noch, bleibt nur hier beisammen!

WILD. Brav Mylord! und du Kapitän?

KAPITÄN. Ich weiß das noch all nicht. Komm Knabe!

BERKLEY. Bleib Harry!

KAPITÄN. Es mißfällt mir ja. Ich muß erst einig mit mir werden, eh ich's mit andern werden kann. Mohr! Mohr!

MOHR. Hier lieber Lord!

KAPITÄN. Komm mit, und mach mir Spaß!


Ab.


MOHR. Ja weinen für Freude, wenn dir das Spaß macht.


Ab.


BERKLEY. Komm, Bushy, die Allee hinab, ich will versuchen, ob ich mich mit dir vertragen kann. Ich kann dir noch über keine meiner Empfindungen Wort geben, haß dich noch, und – es fällt mir so vieles ein – Komm nur! Ab.


Wild und Caroline in allem Gefühl der Liebe sich umarmend.

Der Vorhang fällt zu.


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 1197-1199.
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