[5] Seth. Selima.
SELIMA. Wie schön ist dieser glückselige Tag der Liebe! Wie hell ist er! Wie viel freudiger, als alle Tage, die ich gelebt habe! Und nun ist unsre Mutter auch hingegangen, daß sie sehe, wie ihre Töchter meine Brautlaube schmücken, und mit mütterlicher Hand auch einen Zweig in die Laube flechte. Ich habe kühlende Früchte abgebrochen. Ich habe sie schon auf die Teppiche geschüttet, daß unsre Brüder und Schwestern sich erfrischen, wenn sie von der Laube kommen. Ich habe sie mit röthlichen Trauben gekränzt. Die schönsten für Heman habe ich mit thauvollen Blättern bedeckt. Ich Glückselige! Der weise, der tugendhafte Heman hat Selima gewählt! Heman liebt Selima! Und dazu werden die Enkelinnen mit der Abendröthe kommen und ihre dreijährigen Knaben Adam das erste Mal bringen, daß er sie segne und uns mit allen seinen väterlichen Freuden in die Brautlaube führe. Aber warum siehst du mich so ernst an, mein Bruder? Warum lächelte dieses Lächeln nicht ganz?[5]
SETH. Meine Selima! Ich sann mit ernsten Freuden deiner Glückseligkeit nach.
SELIMA. Aber du sagtest ja Dieses – du sagtest es mit einer Stimme, die Unruh verschweigen wollte.
SETH. Was kann ich dir, Selima, verbergen! Ich wollte es dir verbergen. Allein die reine Aufrichtigkeit meines Herzens und dieser wartende Kummer, mit dem du vor mir stehst, zwingen mich, daß ich dir es sagen muß. Aber betrübe dich nicht, Selima. Die Liebe zu unserm Vater machte mich zu aufmerksam auf seinen Ernst, mit dem er zu Abels Altare hineinging, als du vor der Hütte standst und Eva nachsahst.
SELIMA. Soll ich hingehen, und seine Hand umfassen? und sie festhalten? und ihn kindlich ansehen? und ihm flehn, daß er nicht traurig sey? – Ach, mein Bruder! mein Bruder! du verschweigst mir noch etwas! So hab' ich dich noch niemals weinen gesehen!
SETH. Meine Selima, wärst du in der Vorhütte geblieben! Du hast mich zu sehr bewegt! Denn nun – ja, nun muß ich dir Alles sagen. Noch niemals hab' ich unsern Vater so gesehen, wie er erst vor mir vorüberging. Sein Gesicht war fürchterlich bleich! Er bebte fort, kaum ging er. Seine Augen starrten auf mich her! Er sah mich nicht. Er ging zum Altare hinein. Da hört ich ihn laut beten! und laut zittern! Aber ich verstand seine gebrochnen Worte nicht. Seitdem du hier bist, hör' ich ihn nicht mehr. Ach, Selima, du hast es gewollt. Ich hab' es dir sagen müssen! – Hörst du unsers Vaters Schritt? Er kömmt.
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