Vierzehnte Scene.

[144] BERCENNIS. Ach, dort! ... Nun darf ich kommen. Nun weißt du, daß er todt ist!

HERMANN. Ach, meine Mutter! Er ist todt!

BERCENNIS. Wir haben Gefangne, Sohn!

HERMANN. Ach, dort unter den Adlern!

BERCENNIS. Wir haben viel Gefangne, vier Tribune! zwanzig Centurione und mehr als zweihundert andre Tyrannensklaven!

HERMANN. Meine arme Mutter, wie wirst du geweint haben!

BERCENNIS. Geweint? Ich hört's, und mein Auge starrte hin! ... Sie hauen die Tannen schon um zu seinem Todtenfeuer. Ich lasse diesmal der Tannen viel mehr als sonst in den Bach stürzen!

HERMANN. Ich habe wie du gelitten, meine Mutter!

BERCENNIS. Vier! sage ich, und Zwanzig! und Zweihundert! Verstehest du nicht, was Die von dir fordert, deren Auge nicht geweint hat, und die sein Weib und deine Mutter ist? Thusnelda legt vor Schrecken den Adler vor sich nieder.

HERMANN. O du Weib seiner Jugend und meine theure Mutter![144]

BERCENNIS. Sie sollen doch nicht etwa leben?

HERMANN. Wie kann ich Die tödten, die nicht mehr streiten?

BERCENNIS. Die unsre Knaben erwürgt, die unsre Jungfrauen gezwungen haben, daß sie gegen ihr eignes Leben wütheten, die ihn getödtet haben, Die lägen nicht um seine Leiche her in dem Dampfe des Todtenfeuers?

HERMANN. Ich kenne Wodan, und ich weiß, daß er das Mitleid liebt! Und Dieß rufet mir mein Herz laut zu!

BERCENNIS. Und ich weiß, daß die Göttin der Rache mit glühendem Blicke geschworen hat, daß kein Römer leben soll, der den Bluttritt in unsre Haine wagt!

HERMANN. Ich zücke das Schwert gegen waffenlose Krieger nicht!

BERCENNIS. Siegmar! Sie geht auf die Leiche zu. Ach, er ist todt! Siegmar, dein Sohn will dein Blut nicht rächen!

HERMANN. Ich will es rächen, aber an den neuen Legionen!

BERCENNIS. Weh mir! Leben sollen die Tyrannensklaven?

HERMANN. Ja, und deine Sklaven seyn, deine Heerden hüten, deine Hürden tragen, dir den Bach leiten, den Strauch durchhauen diese Söhne der hohen Geschlechte, diese künftigen Senatoren!

BERCENNIS. Diese künftigen Feldherrn! denn frei lässest du sie auch, die wiederkommen und mich und dich zu ihren Triumphwagen fortschleppen!

HERMANN. Wegen der Triumphwagen hat diese Schlacht gesorgt, und sie wird weiter sorgen.

BERCENNIS. Lebend soll ich Die vor mir sehn, die deinen Vater getödtet haben? Liegt etwa den andern Völkern Deutschlands unten ein Siegmar im Blute? Und doch müssen ihre[145] Gefangnen sterben! Ja, wenn diese Söhne der Fabier aus ihrem Schattenreich' herauf wandeln und mir dienen müßten, dann!.. Lebend sie? Druiden! wo sind die Fürsten? Sie lebend, die in unsre Haine das Richterbeil trugen, die deinen Vater in sein letztes Blut stürzten!

HERMANN. Bei Mana, meine Mutter, ich tödte die entwaffneten Römer nicht!

BERCENNIS. Dank sey's Hertha, daß ich nicht vor dir niedergefallen bin! denn ich wollt's thun, du Unerbittlicher, Unerbittlicher gegen dein Volk und deine Mutter und deinen todten Vater! Sie geht.

HERMANN nach einigem Stillschweigen. Nein, ich halte diesen Anblick nicht mehr aus! Entfernt meines Vaters Leiche von mir! .. Legt die Adler auf den Altar! .. Eilt! .. Du, Horst, und dreihundert Cherusker, ihr umringt diese Nacht den Felsen. Du sollst bei der Leiche stehn! Ich kann jetzt die Eichen nicht wählen, Brenno.

BRENNO nachdem die Leiche weg ist. Druiden, deckt meinen todten Freund mit einem weißen Teppiche zu!

HERMANN. Ruf mir, Brenno, wenn du wieder opferst, so will ich die Eichen wählen! Ich kann jetzt hier nicht mehr weilen! Ich bin immer noch dem Todten zu nah! Er geht hin und her. Du sollst gerächt werden, mein Vater! ja, du sollst gerächt an den neuen Legionen werden, an allen ihren Tribunen und Legaten und Feldherrn! ... Ha, an ihren hohen Tribunen gerächt mit Todesrache! Horst, eile, fleug hinunter zu den Cheruskern und sag' ihnen, ruf' es ihnen laut zu, daß es alle, alle wissen! Dieß ruf' unter die blutigen Lanzen hinein: Wenn ihr auf dem Altarfelsen die Hörner wüthen hört und singen hört aus Wodans Gesang, dann schwören Hermann und Alle, die um ihn sind, bei dem[146] Schwert, zu rächen Siegmars Tod an allen Römern, die kommen werden! Schreckliche, nie vergessende, nie verzeihende Rache, Blut oder Ketten, schwören wir bei dem Schwert'! Eile nun gleich fort und komm' eben so schnell zurück! Hermann reißt einem Barden das Schwert von der Seite. Horst, bring Segest dieß Schwert von mir! Horst geht. Ha, Das erluftet mein Herz, daß wir Cherusker Dieß schwören. Er geht hin und her. Nein, nein, Das ist noch nicht genug! Werdomar, tritt ganz auf dem Felsen vor und ruf's in das Thal hinab den Fürsten Deutschlands zu, daß kein Schonen seyn soll, und daß wir's bei dem Schwert schwören!


Der Marse kömmt zurück. Er nimmt den Adler wieder.


WERDOMAR zu einem Barden. Komm du, dein Horn wüthet, komm! Indem er den Barden schnell mit sich fortführt, etwas leiser. So stell dich! so! blas jetzt ins Thal hinunter. Kriegsgeschrei, Barde! Nachdem der Barde geblasen hat. Ihr Sieger, ihr Rächer, ihr Fürsten Deutschlands! wenn hier die Hörner wüthen, hier oben bei dem Altar, wenn's tönt ans Wodans Gesang: dann schwört Hermann bei dem Schwert, schwört Siegmund, schwört der Bructerer, der den Adler nahm, der Marse, der den Adler nahm, schwört der Cherusker, der den Adler nahm, schwören alle Jünglinge mit den Cohortenlanzen, alle Kriegsgefährten Hermanns, schwören alle Cherusker bei dem Schwert, bei dem Schwert, zu rächen an den neuen Legionen Siegmars Tod, der ein Mann de Vaterlands war, ein ganzes Heer er, der Eine, mit nie vergessender, nie verzeihender Rache, durch Fessel oder Blut, zu rächen Siegmars, Siegmars Tod! Siegmars Tod!

HERMANN. Werdomar, so im Walhallaton' hat mir nie eins deiner Lieder geklungen! Beschließ' es auch, o Wodan, was wir beschließen![147]

HORST. Hermann, alle deine Cherusker haben ihre Hand an das Schwert gelegt! Sie drücken fest am Griffe und werfen glühende Blicke der Rache umher!


Die Barden erheben auf Werdomars Wink ihre Hörner.


HERMANN. Noch nicht, Werdomar, noch nicht. Die Fürsten Deutschlands müssen es erst ihren Heeren zurufen.

HORST. Seyd ihr Alle meine Zeugen: Ich trage diesen Blutring bis an meinen Tod!

HERMANN. Halt' Einer meinem jungen Kriegsgefährten dort ein Schwert in der Hand! Er soll's auch schwören! Vielleicht lebt er, und, wenn nicht –

WERDOMAR. Ach, wie kann er? Seine Hand sinkt und ist schon kalt vom nahen Tode!

HERMANN. Wenn denn nicht, so erzählt er Siegmar, was er mitgeschworen hat. Sein Vater hält ihm das Schwert.

DER KNABE. Was soll das schwere Schwert hier? Ist es das Schwert des Centurio? Will mich der blutige Mann vollends tödten?

WERDOMAR. Hörtest du nicht, du lieber Sohn, was ich hinunterrief? Du sollst Das auch bei dem Schwerte schwören. Hermann hat's geboten.

DER KNABE. Ja, ich hörte es wohl, wie du auf der Harfe herunter rauschtest und meiner Mutter ein Siegslied vorsangst.

HERMANN. Wodan, Wodan, beschließ' es auch! Nun, nun, Werdomar, nun.


So lange die Barden singen, halten Alle das Schwert in die Höh.


Wodan, unbeleidigt von uns,

Fielen sie bei deinen Altären uns an!

Wodan, unbeleidigt von uns

Erhoben sie ihr Beil gegen dein freies Volk!

Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Sämmtliche Werke. Band 6, Leipzig 1844, S. 144-148.
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