[117] Wir trauen es dem feinen Geschmacke der Leser dieses Werks zu, daß sie gewiß die Kunst werden bewundert haben, mit welcher der Autor alle Haupt-Personen seines Drama, gleichsam zum fünften Act, in Braunschweig zusammenzuführen gewußt hat. Jetzt scheint nichts zu fehlen, als daß der Hauptmann Previllier mit seiner Meta Hochzeit mache; Ehren Schottenius könnte die Trauung verrichten und bey dieser Gelegenheit seine acht und funfzigste Rede halten und der Dichter Klingelzieher allenfalls für die Gebühr ein Carmen darauf verfertigen; die Waumanns-Familie aber ließe man mit langer Nase abziehn. Allein da erhalten wir, zu unserm großen Schrecken, so eben einen Brief von dem Herrn Verleger, worinn derselbe meldet, es komme diejenige Bogenzahl beym Drucke nicht heraus, für welche er das Honorarium vorgeschossen, so daß uns dies in die Nothwendigkeit setzt, entweder einen Theil des Geldes wiederherauszugeben, oder aber noch einmal sorgfältig unsre gesammelten Documente und Nachrichten durchzublättern, um zu sehn, ob sich darinn nicht noch Stof zu einigen Seiten findet. – Und siehe da! uns ist geholfen. Wir dürfen nur ein Paar kleine Anecdoten aus der Geschichte des Amtmanns und seines Sohnes, die grade in diesen Zeitpunct fallen, mit hier anreyhen, wodurch zugleich den sonderbaren Begebenheiten, welche diesen Personen auf ihrer Reise begegnet sind, die Crone aufgesetzt wird.
Von den übrigen Personen haben wir wenig mehr zu sagen; Daß Margarethe sich ganz gewaltig darüber freute, ihren Vater lebendig vor sich zu sehen; daß Dieser in ihre Verbindung mit dem Hauptmanne einwilligte; daß der Förster froh war, die Sache eine so gute Wendung nehmen zu sehn, und daß der Herr Pastor Gottes reichen Segen und alles ersprießliche Wohlergehn dazu wünschte; das versteht sich nun wohl von selber. Der Herr Amtmann Waumann hingegen schien das Ding Anfangs ein wenig krumm nehmen zu wollen, besonders als er etwas von den ostindischen Geldern witterte, die das Jüngferchen einst erben[117] würde; Indessen sah er bald ein, daß in via juris die Sache gegen Vater und Tochter nicht würde durchzusetzen seyn. Gern hätte er sich nun wenigstens ein rundes Sümmchen Schmerzen-Geld bezahlen lassen; aber der Pastor redete ihm liebreich zu, diesen Wunsch nicht einmal laut zu eröfnen. Da übrigens Herr Valentin, aus Ursachen, die sich noch in diesem Buche entwickeln werden, sich gewaltig froh bezeugte, dieser Heyrath aus dem Wege zu kommen; wurde endlich sein Vater ganz beruhigt und stattete dem hochverehrten Brautpaare seine gehorsamste Gratulation ab.
Nun wurden die nöthigen Verabredungen, sowohl wegen der Rückreise, als wegen der künftigen Einrichtungen genommen. Herr Waumann hatte Pferde bestellt, um früh Morgens um vier Uhr nach Biesterberg zurückzukehren; Die übrige Gesellschaft aber hielt es für anständig, erst auf einige Tage nach Goßlar zu fahren, um dort, wo Meta künftig, so lange die Werbung dauerte, mit ihrem Gatten wohnen sollte, den bösen Leuten das Maul über ihre Flucht zu stopfen. Dann aber sollte die Hochzeit in des ehrlichen Försters Heymath gefeyert werden. Der alte Dornbusch ließ sich den Plan gefallen, ein zwey Meilen von Biesterberg gelegenes adeliches Gut zu kaufen und den Rest seines Lebens in der Nähe seines Bruders hinzubringen. Der Amtmann unternahm es, den Handel zu schließen und rechnete dabey auf ein Paar Procentchen. Nach diesen Verabredungen schied die Gesellschaft aus einander und empfahl sich gegenseitig bis auf Wiedersehn.
Es war nahe an drey Uhr nach Mitternacht, als die beyden muthwilligen jungen Gelehrten vom Balle nach Hause kamen; sie waren, wie der Amtmann, im goldnen Engel abgetreten. Nun schien es ihnen nicht mehr der Mühe werth, sich zu Bette zu legen; folglich beschlossen sie, den Morgen bey einer Pfeife Tabac zu erwarten.
Schon fiengen Langeweile und Müdigkeit an, sie diesen Vorsatz bereuen zu lassen, als ein Postknecht mit vier Pferden, bestimmt, die beyden Waumänner in der schönen Amtskutsche bis Peina zu führen, mehr Lebhaftigkeit in das Haus brachte. Er stieß in sein Horn; Hausknecht und Mägde kamen nach und nach auf die Beine; der Amtmann wurde geweckt; das Feuer zum Caffee angelegt; die Kutsche hervorgeholt und geschmiert. Dann stieg der Wagenmeister zu dem Herrn Amtmann hinauf, ließ sich das Geld bezahlen und sagte, als er fortgieng, zum Postillon: »Es ist alles richtig gemacht.«[118]
»Ich habe einen närrischen Einfall, Bruder Klingelzieher!« sprach der Student. »Der Postknecht weiß nicht, wen er fahren soll; Wie wäre es, wenn wir, statt des Amtmanns, einstiegen?«
Gedacht; gethan! Die Kutsche stand angespannt vor der Thür; der Koffer war aufgebunden; Herr Waumann und sein Erbe beschäftigten sich noch in ihrem abgelegenen Zimmer mit dem Frühstücke; da kamen die beyden Genies, in ihre Überröcke eingehüllt, schnell aus der Thür des goldnen Engels getreten und stiegen ein: »Fahr zu, Schwager!« riefen sie. Fort rasselte der alte Reisekasten, ehe jemand im Hause etwas davon gewahr wurde.
Als der Postillon vor das Petri Thor kam, ließ er seine Pferde noch eine kleine Strecke lang einen schnellen Trott laufen; dann hielt er sie zum Schritte an, holte seine Pfeife aus der Tasche hervor, und indem er sie stopfte und sorglos vor sich hinsah, öfneten die jungen Herrn leise eine Kutschen-Thür, stiegen aus, sprangen, ohne von ihm bemerkt zu werden, in einen Garten und ließen das Fuhrwerk leer weiter fahren.
»Jetzt wird es wohl Zeit seyn, mein Söhnchen!« sagte der Amtmann, bezahlte seine Zeche und schritt die Treppe hinab. »Wo ist denn unsre Kutsche?« fragte er den Hausknecht. Der Hausknecht wußte keinen Bescheid zu geben; niemand wußte zu sagen, was mit dem Fuhrwerke vorgegangen wäre. Endlich, nach vielfachen Erkundigungen, erfuhr man, diese Equipage sey mit zwey Herrn besetzt, längst schon aus dem Thore gefahren. – »So ist es doch, als wenn mir auf dieser unglücklichen Reise alles verkehrt gehn soll!« rief der Amtmann aus, nahm einen kleinen ofnen Wagen von der Post und fuhr nach.[120]