Der 1. Absatz.

Von dem Meer.

[73] Congregationem aquarum appellavit maria,1 die Versammlung der Wässer hat GOtt Meer genennet. So ist dann das Meer eine überaus grosse / sich schier unermessen weit ausstreckende / auch an viel Orthen unergründlich tieffe Menge deß Wassers / so den grösten Platz in dem Reich der Natur / in der sublunarischen Welt occupirt oder einnimmt.2 Es wird aber fürnehmlich dieses Gewässer in fünferley Meer abgetheilt: dann erstlich ist das allgemeine Haupt-Meer der grosse Oceanus, so den gantzen Erdboden umgibet: hernach das Mediterranische Meer / das rothe Meer / das Persische und Caspische Meer etc. Von welchen allen bey denen Cosmographis und in denen Land-Charten ein mehrers zu ersehen ist. Das Meer-Wasser ist also saur / saltzig und räß / daß es zum Trincken gantz untauglich ist / welches glaublich daher kommt / daß die Erd-Dämpf / welche durch die Krafft und Hitz der Sonnen außgezogen und gleichsam verbrennt seynd / mit dem Meer-Wasser vermischt werden. Eben darum ist das Meer auch schwerer und dicker als andere Wässer: folgends aber bequemer die ungeheure Last der grösten und schweristen Schiffen zu tragen.

Es mag auch wohl die Säure deß Meer-Wassers zum Theil herkommen aus Vermischung des wahren Saltz / welches in denen tieffen Höhlen oder Erd-Klufften unter dem Meer sich befindet. Eben wegen besagter Säure oder Rässe ist das Meer-Wasser auch zu Erhaltung und Ernährung der Meer-Fischen tauglich.

Die fürnehmste Eigenschafft des Meers ist dessen Bewegung: bevorab sein verwunderlicher Zu- und Abfluß.3 Sein Bewegung gehet erstlich von Aufgang gegen Nidergang (neben denen Bewegungen / so von unterschiedlichen Winden herkommen) welches aus dem erhellet / daß die Schiffende bey gleichem Wind in einer gleichen Zeit drey mahl weiter und geschwinder gegen Nidergang als gegen Aufgang fahren. Die zweyte Bewegung ist von Mitternacht gegen Mittag. Die dritte Bewegung ist Æstus Maris, das ist / die Ebb und Fluth oder Ab- und Zufluß des Meers /Krafft dessen es zu gewiser Zeit und Stunden abnimmt / und von dem Ufer abweicht / hingegen aber zu anderer Zeit und Stunden wiederum zunimmt / aufgeschwellen und an dem Gestad anlauffen[73] thut. Woher aber dieses eigentlich komme / ist sehr schwer zu ergründen. Die glaubwürdigste Meynung ist / es komme her von dem Lauff des Monds / nachdem dieser auf- oder absteige / zu- oder abnehme / inmassen dieses Gestirn ein grosse heimliche Krafft oder würckende Influenz in das Meer hat: Und dieses zwar wegen einer starcken Correspondenz und Sympathi, oder Neigung und natürlichen Trieb / so von Gleichförmigkeit der Eigenschafften dieser beyden herkommet.

Ubrigens ist das Meer gar unbeständig / sehr ungestümm und gefährlich / wie es die Heil. Schrifft selber bezeuget: Qui navigant mare, enarrent pericula ejus.4 Die auf dem Meer fahren / sagen von seinen Gefahren. Es sausen und prausen allda die hefftige Sturm-Wind / es wüthen und toben die grausame Wellen: Es gibt allda erschreckliche Schroffen und Felsen / gefährliche Strudel und Würbel / so auch die gröste Schiff verschlucken / und scheitern machen: Es seynd da die begierige Meer-Rauber und gefräßige Wall-Fisch / so denen Schiffenden aufbassen / und nachstellen.5 Die verführische Sirenen oder Meer-Fräulein / der Hunger und Durst / die Hitz und Kälte /das Ungezifer und gifftige Lüfft / so die schiffende auf den Galeen plagen und peinigen: neben gar viel anderen Gefahren und Beschwerden die so manchen Schiffbruch und Untergang verursachen und so viel tausend Menschen in dem Meer vergraben.

Dahero billich das Sprüchwort entstanden ist: Qui nescit orare, vadat ad mare. Wer nicht betten kan /oder mag / den soll man aufs Meer schicken / da wird er schon betten lernen / nehmlich wegen sovil augenscheinlichen Tods-Gefahren. Ja auch wann das Meer gantz ruhig und still ist / da ist es verdächtig und gefährlich / es ist ein Anzeigen / daß bald ein starcker Sturm entstehen werde / und wann man vermeynt einer Gefahr entrunnen zu seyn / da steckt man schon in einer andern / bald wird das Schiff von denen Wellen in die Höhe geschupfft / als wie auf grosse Berg /und dann gleich wider in einen tieffen Abgrund gesencket: bald wird es mit vollem Segel wie ein Pfeil fortgetrieben / mit gröster Gefahr an einem Felsen in tausend Stuck zu zerschmetteren / bald bleibt es auf einem Sand-Banck unbeweglich stehen / bald bekommt es einen Spalt oder Loch / daß häuffiges Wasser hinein tringt / bald gehen die nothwendige Victualien oder Lebens-Mittel aus etc. Benandtlich wird von dem Meer zwischen Japon und Sina erzehlt / daß es gemeiniglich zur Herbst-Zeit also wüthe und tobe /daß es kaum zu beschreiben / und daß es für ein grosses Glück zu halten seye / wann aus drey Schiffen eines seinen Lauff vollziehen könne und nicht zerschlagen werde. Die Magellanische Meer-Enge solle ebenfalls sehr gefährlich zu schiffen seyn / wegen den grausamen Sturm- und Wirbel-Winden.

Sonsten melden auch die Geschicht-Schreiber von einem Milch-Meer: massen bey einer gewisen Insul um Cuba her das Meer bey 40. Meil weit so weiß wie Milch seyn solle / oder vielmehr Silber-Farb und dick / als ob man viel Mehl darauf gestreuet hätte.6 Hingegen in der Provintz Chiribichi wird das Meer zu gewisen Zeiten neben dem Ufer her gantz Blutfärbig: glaublich darum / weilen alsdann ein grosse Menge der Fischen ihren Rogen auswirfft / und mithin das Wasser gefärbt und Blut-roth gemachet wird / oder aber weilen am Grund rother Sand und Stein / als wie im rothen Meer sich befinden und heraus scheinen /gleichwie es hingegen anderstwo wegen schwartzem Grund und Sand / schwartz aussihet.

Aber so ungestümm und gefährlich das Meer immer ist / so hat es doch auch einige gute und löbliche Eigenschafften / wegen welchen es füglich in geistlichem Verstand auf die Mutter GOttes mag ausgedeutet werden.7 Dann erstlich gleichwie das Meer aller Wasser ist / also ist Maria Congregatio aquarum, ein Versammlung aller sowohl natürlichen als übernatürlichen Gaaben und Gnaden. Omnia flumina intrant in mare, & [74] mare non redundat.8 Alle Wässer lauffen in das Meer und doch wird das Meer nicht völler. Es überlaufft oder überschreitet seine vorgesetzte Schrancken nicht. Eben also alle Flüß der Tugend und Vollkommenheit rinnen in der Mutter GOttes zusammen / und dannoch überlaufft oder übernimmt sie sich im geringsten nicht / sonder haltet sich allzeit inner denen Schrancken der tieffsten Demuth. Es hat GOtt als ein Urheber der Natur in dem Oceano oder grossen Haupt-Meer die Wasser also häuffig versamlet / daß von selbem aus alle andere geringere Meer / Flüß und See durch unterirrdische Canäl ihr Herkommen und ordentlichen Lauff haben /doch also / daß jenes allein / diese alle zusammen genommen / an Menge des Wassers weit übertrifft. Aber als ein Urheber der Gnad hat er sich selbsten in Mariam also reichlich ergossen / daß von oder durch sie alle andere Heilige ihre Gaben und Gnaden empfangen / doch also / daß sie alleinig alle andere zusammen (wie die heilige Vätter darvor halten) verstehe die Apostel / Martyrer / Beichtiger und Jungfrauen in der Gnad und Vollkommenheit übertrifft. Das natürliche Meer ist unerschöpfflich / es nimmt nicht ab / ob schon viel und grosse Flüß davon ausgehen / auch das Marianische Gnaden-Meer ist unerschöpfflich und theilet allen häuffig mit.


Est larga in omnes.


Sie gibt der Gnaden jedem viel /

Wer sie nur begehren will.


Von dem Meer stehet geschrieben / Spiritus DEI ferebatur super aquas:9 der Geist des HErrn überschwebet die Wasser. Von Maria ist gesagt worden: Spiritus S. superveniet in te.10 Der H. Geist wird über dich kommen.


Uber das Meer muß man nothwendig schiffen /wann man in die neue Welt verreysen will / und wer in die andere Welt / in das himmlische Vatterland verlangen will / muß nothwendig durch Mariam / durch ihre Hülff und Beystand dahin kommen.

Es melden die Geschicht-Schreiber vieles von seltzamen Meer-Blumen / oder einem Blumen-Meer (deß Graß-Meers de Sargaslo genandt) da kürtze halber zu geschweigen / welches mehr einer grossen grünen Wisen / als Wasser gleich siehet / indem es / obwohlen etlich hundert Klaffter tieff / viel Tagreisen weit mit gewissem schwimmendem 5. Spannen hochen Kraut oder Graß bedeckt ist / also daß die Schiff /wann sie nicht starcken Wind haben / langsam und kümmerlich durchkommen.11 Es gibt nemlichen absonderlich bey Neu Carthago unter denen Wasser-Wellen sehr viel schöne Blumen-Wisen / welche diese Eigenschafft haben / daß sobald die Blumen von denen Wasser-Tretteren im Grund deß Meers (dann sie schwimmen nicht ohne Wurtzlen wie das obgemeldte Graß) abgebrochen und an den Lufft heraus gebracht werden / da / sage ich / bekommen sie alsobald ein Christallene Härtigkeit / und behalten doch die vorige Gestalt der Blumen: also daß / wie der hochgelehrte P. Athanasius Kircherus S.J. bezeuget /solche in Christall verhärtete Meer-Blumen zu Neu-Carthago in der Collegi Kirchen der HH. PP. Societatis JEsu gar füglich die Altär zu zieren / ausgesetzt und applicirt werden / welches Natur-Wunder für die Europäer so dahin kommen / ein rares Spectacul ist.12

Ein solches Blumen-Meer ist Maria / in welcher die schönste Blumen der Tugend- und Vollkommenheiten zu sehen seynd: als benantlich die Schneeweisse Lilien der Jungfrauschafft / die Purpurfarbe Rosen der Liebe / die blaue Violen der Demuth etc. und zwar solche Blumen oder Tugenden / welche allzeit standhafft und unverwelcklich bleiben / und die Kirchen GOttes / den Tempel des HErren unvergleichlich zieren. Absonderlich ist aus diesem Meer entsprossen jene alleredliste Blum / von welcher geschrieben stehet: Flos de radice ejus ascendet.13 Es wird ein Ruth oder Blum von ihrer Wurtzel aufgehen / das ist /Christus JEsus. Noch ein weit fürtrefflich- und rareres Meer hat der[75] H. Joannes in seiner heimlichen Offenbahrung gesehen / nemlich ein gläsernes Meer gleich dem Christall. Mare vitreum mixtum igne14 mit Feur vermengt vor dem Thron GOttes unbeweglich stehend. O wohl ein schöner Entwurff unsers Marianischen Gnaden-Meers / welches ja freylich so klar und rein ist als wie Christall / von aller auch mindisten Mackel nicht nur der würcklichen / sonder auch der Erb-Sünd jederzeit gantz befreyet / auch gantz unbeweglich und unverändert / weder von Wind noch Wellen auch der grösten Trübsal- und Wiederwärtigkeiten im geringsten verwirrt oder verstöhret. Absonderlich gleichet die schmertzhaffte Mutter Maria dem bitteren Meer / als zu welcher in der Wahrheit kan gesagt werden: Magna est veluti mare contritio tua.15 Dein Schad (dein Schmertz und Leyd) ist so groß als das Meer.

Das Meer ist sehr lang / breit und tieff / auch die Schmertzen Mariä in dem Leyden ihres allerliebsten Sohns waren lang / breit und tieff. Lang zwar waren sie in dem dauren / dann sie haben gedauret von dem Augenblick der Geburt Christi an / in dem armen Stall zu Bethlehem biß nach seiner Creutzigung und Begräbnuß / an den Tag seiner glorreichen Aufferstehung / und also in die 33. Jahr lang / zu welcher Zeit sie immerdar das Leyden und Sterben ihres Göttlichen Kinds durch lebhaffte Einbildung und hertzliches Mitleyden vor Augen gehabt / und gleichsam gegenwärtig gesehen hat. B.V. cum Christo crucifixa est in hora conceptionis16 sagt der Heil. Bernardinus Senensis. Die seeligste Jungfrau ist von dem Augenblick an / als sie den Sohn GOttes empfangen hat /schon (geistlicher weiß) samt ihme ans Creutz gehefftet worden. Gleichwie auch Christus selbsten nicht erst von der Blutschwitzung an dem Oelberg / sonder gleich von seiner Empfängnuß an / in dem Geist allzeit schmertzlich gelitten hat.

Breit wie das Meer waren sie / und streckten sich aus zu all denjenigen Peynen / Schmach und Schmertzen / welche Christus würcklich leibhafftig und in der That gelitten hat / dann alle diese hat sein Jungfräuliche Mutter durch das schmertzlichste Mitleyden in der Seel und in dem Gemüth gelitten. Ja so breit waren ihre Schmertzen / das ist / so groß und weit sich ausstreckend / daß (wie der Heil. Anselmus und Bernardinus austrucklich bezeugen) sie aller anderen Menschen auch der HH. Martyrer zusammen genommene Schmertzen übertroffen haben.

Endlichen so tieff als wie das Meer waren die Schmertzen Mariä (und folgends sie selbst ein schmertzhafftes Meer voller Bitterkeit) weilen sie ihr am tieffsten zu Hertzen gedrungen / ja gar nach der Weissagung Simeonis ihr Hertz als wie ein Schwerdt durchdrungen haben.

Für das andere kan wohl im sittlichen Verstand durch das Meer die gegenwärtige Welt / und das menschliche Leben verstanden werden.17 Das natürliche Meer ist sehr unbeständig / und unruhig / sehr gefährlich und ungestümm: aber noch viel unbeständiger und unruhiger / noch viel gefährlicher und ungestümmer ist das grosse Welt-Meer. Impii quasi mare fervens, quod quiescere non potest, & redundent fluctus ejus in conculcationem.18 Die gottlose Menschen seynd gleich einem wüthenden Meer / das nicht kan still oder ruhig seyn / dessen Wellen Koth und Unrath aufwerffen. Nil stabile sub Sole, Unter der Sonnen ist nichts beständiges / sonder gleichwie das Meer bald ab / und bald zunimmt / und ein grosses Geräusch machet / also die zeitliche Glückseeligkeit / Freuden / Ehren und Wollüst nehmen bald zu / bald verschwinden sie gantz und gar /wie es die tägliche Erfahrnuß genugsam erweiset: es ist auch ein grosser Tumult auf der Welt wegen tausenderley unruhigen Geschäfft und Händeln. Gefährlich und ungestümm ist es wegen denen hefftigen Sturm-Wind und Wellen der schweren Versuchungen und Anfechtungen / wegen grossen Trübsal und Widerwärtigkeiten / welche[76] das Schifflein der Menschlichen Seel von allen Seiten anfallen und ängstigen. Gefährlich ist es / wegen soviel Schroffen und Felsen der Aergernuß und bösen Gelegenheiten / wegen der Würblen und Strudlen der Nachstellung und Verfolgungen der sichbarlich und unsichtbarlichen Feinden: gefährlich wegen der höllischen See- oder vielmehr Seelen-Raubern / wegen der betrüglich und liebkosenden Sirenen der Schmeichler- und Gleißnereyen etc. Wegen all denen gemeldten Gefahren seynd schon so unzahlbare Schiffende / ich will sagen / menschliche Seelen zu Grund gangen. O wie mancher hat schon mit David wehmüthig müssen aufschreyen. Veni in altitudinem maris & tempestas demersit me.19 Ich bin hinaus kommen auf das ungestümme Meer /und das Ungewitter hat mich überfallen: Das Ungewitter der Trübsal und Wiederwärtigkeiten / das Ungewitter der bösen Begierden u. Anmuthungen das Ungewitter der Anfechtung- und Versuchungen. Das Meer-Wasser ist bitter und saur: auch das menschliche Leben ist bitter und saur. Homo repletur multis miseriis.20 Der Mensch wird mit vielen Betrübnussen / Trangsalen / erfüllt. Doch aber gleichwie die Säure und Bittere des Meer-Wassers zu Erhaltung der Fischen dienlich ist / also ist die Bitterkeit des zeitlichen Lebens zu Erhaltung der Seelen Wohlfahrt dienlich / wann nur der Mensch ihme selbe zu Nutzen machen will: hingegen gleichwie ein grosse Meer-Stille verdächtig ist / und ein bald erfolgendes Ungewitter vorbedeutet / also ist die grosse zeitliche Wohlfahrt suspect und gefährlich / wann man sich nicht wohl darinn zu moderiren weiß.

In dem Meer gibt es hin und wieder viel gefährliche Strudel und Wirbel / oder gewaltige Wasser-Schlünd. Vor anderen seynd Welt-beschreyt der Scylla und Charybdis, bey welchen schon so manche Schiff seynd zu grund gangen.21 Die Scylla ist das felsenächtige Vorgebürg / welches sich weit hinein ins Meer erstreckt / und rings herum mit viel scharpff und spitzigen Felsen unter und ober dem Wasser besetzt ist / und durch die gegen einander lauffende Wasser und zusammen schlagende Wellen einen grausamen Strudel verursachet / auch deßwegen die vorbey Schiffende in grosse Gefahr setzet / eintweders daran zu scheitern / oder von dem hefftigen Wasser-Strohm in den gegen hinüber gelegenen grausamen Meer-Wirbel / oder Wasser-Schlund / Charybdis genandt /geworffen zu werden / welches ein unergründlicher Wirbel ist / so durch heimliche sehr grosse Canäl oder Erd-Röhr heraus strudlet / und dann wiederum das zuruck lauffende Wasser gleichwie in einem grossen Trachter / und starcken Wasserzug einschlüpffet / zugleich aber auch die gröste Schiff / so ihme zu nahe kommen mit hinein schlucket. Eben ein solche Beschaffenheit hat es mit dem Nordischen Meer-Strudel / der sich ohnweit von dem vesten Land des Königreichs Norwegen befindet / und etlich Meil in seinem Umkreyß hat.22 Er verschlinget in 6. Stunden alle Schiff / die ihme zu nah kommen / und gibt sie in 6. Stunden mit grossem Prausen wider von sich. Auch die gröste Schiff können seinem Gewalt nicht mehr entrinnen / wann sie sich in seinen Bezirck haben eingelassen / dann sie werden ein Meil weit von dem wirblenden Strohm ergriffen etc.

Gar viel und gefährliche Strudel und Wirbel in sittlichem Verstand / gibt es in dem grossen Welt-Meer.23 Da heißt es wahrhafftig offtermahl:


Incidit in Scyllam volens vitare Charybdim.


Der einer Gfahr vertrunnen ist

Wird zum Theil der andern List.


Offtermahl wann der Mensch die eine Versuchung überwunden hat / die eine Gefahr oder höse Gelegenheit geflohen / der einen bösen Gesellschafft abgesagt / da stosset ihme gleich ein andere auf: das Schifflein seiner Seel wird herum getrieben / und stoßt bald da /bald dorten an einem Felsen der Aergernuß an: da entzwischen anderer Seits der betrügliche Wirbel / das ist / der List und Gewalt des bösen[77] Feinds es gar hefftig an sich ziehet / und in den unergründlichen Wasser-Schlund / oder vielmehr in den unersättlichen Höllen-Schlund zu ziehen sich bemühet. Ja / was zu bedauren ist / er darff sich offt nicht viel bemühen / in circuitu impii ambulant, die blinde und thorrechte Menschen gehen selber solang im Ring herum / verstehe von einer Boßheit zu der anderen / biß daß sie schwindlich werden / und in die Grube fallen / daraus sie sich nicht mehr können erschwingen.


Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 73-78.
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