Der 2. Absatz.

Von dem Pferdt.

[349] Das Pferdt ist der ansehnlichsten / schön-schnell- und stärckisten Thieren eines. Es ist ein von Natur generos- oder hertzhafftes / muthig- und frisches / getreues und daurhafftes Thier / welches dem Menschen sehr gute Dienst leistet in dem Krieg und auf den Reisen /in dem Reiten und Fahren / in dem Feldbau und in dem Jagen etc.8 Dann ihren Dienst betreffend / so werden einige gebraucht als Zug-Pferdt / Gutschen-Pferdt / Artiglerie-Pferdt / Last-Pferdt / andere als Reit-Pferdt / Post-Pferdt / Jagdt-Pferdt / Parade-Pferdt / Hand-Pferdt etc. Die 4. Haupt-Farben der Pferdten seynd schwartz / weiß / liecht onckel-braun /oder roth / von denen sie auch genennet werden der Rapp / der Schimmel / der Braun oder Fuchs: die übrige aber seynd von gemengten Farben / als wie die Schecken /die Grau-Schwartz-Roth-Schimmel / der Berlin / die Mohren-Köpff etc. welche Farben ins gemein auch in ihrem Temperament und Complexion Anzeigung geben. Was die Lands-Art betrifft / so seynd anderst beschaffen die Teutsche / Englische /Türckische / Pohlnische / anderst Dänische / Spanische / Ungarische / Sibenbürgische / Neapolitanische etc.

Die Leibs-Gestalt belangend / so werden sie in dreyerley Gattungen abgetheilt: die erste nennt man Hirsch-Hälß / die den Kopff allzeit in der Höhe tragen / diese seynd munter und muthig: die andere heißt man Schwein-Hälß / welche den Kopff gerad hinauß[349] strecken / und bißweilen sincken lassen / und diese seynd von Natur schlechter Art / träg / verdrossen /und ermüden bald. Die dritte Gattung seynd die Schwanen-Hälß / die den Kopff nicht zu hoch und nicht zu nieder tragen / deren Halß weder unten noch oben zu dick / sondern gleich ist / und diese Pferdt seynd eines guten Temperaments / nicht zu hitzig und nicht zu kaltsinnig / auch leicht zu dirigiren.

Der Gang und Lauff der Pferdten ist auch unterschiedlich / nachdem sie von dem Reuter darzu angehalten werden / bald gehen sie einen Schritt / bald einen Paß / bald lauffen sie einen Trab / bald einen Galopp etc. Zur Schönheit der Pferdten dienen absonderlich ein kleiner Kopff / kleine spitzige Ohren / grosse Augen / weite Nasen-Löcher / ein aufrechter Halß / grosse Mäne / dick- und langer Schweiff / ein breite Brust etc. Ihr Alter aber erstreckt sich biß 20. Jahr /zu Zeiten etwas darüber: im fünfften Jahr beyläuffig seynd sie vollkommen ausgewachsen und verstarcket.

Das Pferdt / so von Natur ein edles und fürtreffliches Thier ist / wird noch vil edler und fürtrefflicher durch die Kunst und den Fleiß des Bereuters / wie es an Fürstlichen Höfen und auf den Reut-Schulen mit Verwunderung zu sehen ist / allwo die Pferdt also geschicklich abgerichtet werden / als wann sie einen Verstand hätten.9 Sihe was hiervon oben gemeldet worden in dem anderten Theil dritten Absatz.

Man möchte offt nicht unbillich zweifflen / ob sich mehr über die Geschicklichkeit / Kunst und Hurtigkeit des adelichen Scholaren / der in der Reut-Schul exercirt wird / oder des tollen Pferdts / welches zugleich mit unterwiesen und abgerichtet wird / zu verwunderen seye. Ein solch Schul-gerechtes Pferdt wird alsdann sehr hoch geschätzt / und um einen grossen Preiß verkaufft / massen sie in Feldschlachten und Tournieren oder Ritter-Spihlen sehr gute Dienst leisten können / so wohl zum Lust als Nutzen ihrer Herren. Gewiß ist / daß die Pferdt die Stimm ihres Herrn kennen / und ihne lieben / auf sein Bestes und seine Sicherheit geflissen seynd / ja auch seinen Todt rächen und bedauren etc.

Daher kommt es / daß so vil und grosse Liebhaber der Pferdten gefunden werden / welche überaus grosse Mühe und Kösten auf rahre Pferdt verwenden.10 Ein solcher ist gewesen der grosse Alexander mit seinem Weltberühmten Leib-Pferdt Bucephalo, welches keinen anderen Reuter / als den König seinen Herrn allein hat aufsitzen lassen / und welches er / als es sterben solte / in einen guldenen Schragen hat legen / und mit möglichster Sorg verpflegen lassen / ja so gar zu seiner Gedächtnuß eine Stadt erbaut / und von seinem Namen Bucephalam benahmset. Ein solcher ist auch gewesen der Kayser Caligula, der sein Leib-Pferdt aus Silber-Geschirr hat speisen lassen / und wann er hoch schwören wolte / bey seinem Pferdt geschworen hat. Ein anderer gewisser sonst kluger Monarch /ware also närrisch in sein Pferdt verliebt / daß er dessen guldene Bildnuß beständig bey ihm truge. Adrianus aber der Kayser liesse seinem Leib-Pferdt ein kostbare Begräbnuß machen etc.

Durch solche übermäßig- und thorrechte Liebhaber der Pferdten werden uns füglich angeditten die sinnliche und wollüstige Menschen / welche ihr Fleisch /ihren Leib / der gleichsam das Pferdt ist / so von der Seel / als dem Reuter solle regiert werden / allzu starck und unmäßig lieben / ihm zu vil anhencken /allen Muthwillen zulassen / und ihm zu Gefallen viles thun / was der Vernunfft und Billichkeit zuwider ist.11 Das Pferdt ist von Natur ein stoltzes / hochmüthiges Thier / es liebet den Pracht / und mercket es gleich / wann es stattlich aufgebutzt / oder mit schön-und kostbarem Sattel und Zeug ausstaffiert wird / da thut es sich gewaltig spreitzen / hupffen und springen / es weiß nicht wie es hochmüthig genug herein tretten soll.

Eben also ein üppiger sinnlicher Mensch ist von Natur hochmüthig / er liebet den Pracht / und wann er[350] stattlich gekleidet ist / da zeigt er sich stoltz und hoffärtig.

Wann das Pferdt häuffig und überflüßig gefütteret wird / da ist es muthig und unbändig / zur Arbeit aber / oder zum Lauffen / Streiten etc. untauglich etc. Auch das Fleisch / der Leib / wann er zu wohl verpflegt und stattlich gehalten wird in Speiß und Tranck / da wird er muthwillig und dem Geist widerspennig / untauglich zu streiten und zu arbeiten. Vil Reuter seynd durch den Muthwillen hitziger Pferdten zu Grund gangen / und um das Leben kommen: aber noch unzahlbar mehr Seelen seynd durch den Muthwillen des unbändigen Fleisches zu Grund gangen / ins ewige Verderben gestürtzt worden.

Das Pferdt ist ein hertzhafftes und streitbares Thier / es zeigt sich frölich und muthig / wann der Streit solle angehen / es wird von den Trompeten und Paucken animirt / setzt hertzhafft in die Feind / und lasset sich durch die Waffen / ja auch durch die Wunden nicht abschröcken oder hintertreiben / dann es ist daurhafft / seinem Herrn getreu / und begierig des Siegs: wann es aber überwunden wird / da ist es betrübt / begierig sich zu rächen / und den Schaden wiederum einzubringen.12 Also seynd auch beschaffen die Pferdt GOttes / das ist / die getreue und eyserige Catholische Christen / und absonderlich die Heil. Martyrer / welche keinen anderen lassen aufsitzen /das ist / von keinem sich lassen regieren / als von GOTT ihrem rechtmäßigen Oberherrn.13 Diese sittliche Pferdt GOttes / sage ich / seynd hertzhafft und unerschrocken / ja begierig und frölich zum geistlichen Streit wider die Versuchungen / wider die Feind GOttes und ihrer Seel: Sie werden aufgemunteret durch den Paucken- und Trompeten-Schall / das ist / durch die ruffende starcke Stimm der Heil. Schrifft / der Propheten und Apostlen: Sie lassen sich nicht abschröcken von den Gefahren / Beschwernuß- und Verfolgungen / die sie müssen ausstehen / sie bieten dem Feind den Trutz / mit dem Apostel sprechend: Quis nos separabit à Charitate Christi?14 Gewißlich nichts. Sie seynd allzeit treu und beständig: oder wann sie je aus Schwachheit fallen / so stehen sie doch durch die Reu und Buß bald wiederum auf / verdopplen die Kräfften und den Eyfer / den erlittenen Schaden wiederum einzubringen und zu ersetzen.

O si nos essemus equi Dei! schreyet auf der H. Hieronymus: O daß wir alle Pferdt GOttes wären! O si Deus dignaretur super nos ascendere!15 O daß GOTT sich würdigte auf uns zu steigen! uns nach seinem Wohlgefallen dirigirte / und nicht nach unseren Gelüsten ins Verderben lauffen lasse.

Daß auch GOTT seine Pferdt und Reuterey habe /das wird in unterschiedlichen Orten der H. Schrifft angedeutet. Der Prophet Habacuc c. 3. v. 8. sagt von GOTT: Qui ascendes super equos:16 Der du auf deine Pferdt aufsitzest. Viam fecisti in mari equis tuis, ibidem: Du hast deinen Pferdten einen Weg durch das Meer gemacht etc. Aber gleich wie die natürliche Pferdt / wann sie gut und wohl geartet seynd / Dominum sessorémque suum accipiunt, wie ein vornehmer Scribent sagt / neque ex sua libidine, sed ex ejus arbitrio flectuntur, sie lassen ihren Herrn und Reuter aufsitzen / sie gehen und wenden sich nicht nach ihrem Lust und Belieben / sondern nach dem Willen des Reuters lassen sie sich lencken und leiten auf alle Seiten / schlagen und sporen etc. ohne Widersetzen.17 Also auch die sittliche Pferdt GOttes / die Menschen / sollen in ihrem Lebens-Lauff nicht ihren Begierden und Anmuthungen / sondern dem Göttlichen Befehl und Willen nachgehen / sich von ihme dirigiren und züchtigen lassen ohne Widerred: Das Pferdt wolte offt gern dort hinauß und nicht da/also auch der Mensch etc. darum hat Christus Petro gesagt: Ducet te alius, quò tu non vis: Ein anderer wird dich führen / wo du / dem Fleisch oder der Sinnlichkeit nach / nicht hin wilst. Den Pferdten wirfft man den Zaum ins Maul / damit sie thun / was[351] man haben will / und also wendet man ihren gantzen Leib herum / frœna equis in ora mittimus etc.18 wie der Heil. Jacobus anmercket. Aber / quid prodest equum regere, & cursum ejus frœno temperare, affectibus autem effrœnatissimis abstrahi?19 sagt der weise Seneca. Was hilfft es das Pferdt regieren / und seinen Lauff mit dem Zaum innhalten und mäßigen / wann dich inzwischen deine ungezämbtiste Anmuthungen weiß nicht wohin führen und reissen? Ein mancher proglet sich / er seye in wenig Stunden so und so vil Meil weit geritten (wol närzisch / 4. Füß und 3. Sporn villeicht haben es gethan) da er hingegen in langer Zeit auf dem Weg der Tugend nicht etlich Schritt weit kommen ist / das ist / keinen Fortgang gemacht hat.

Ein gutes Pferdt lasset sich gern auf die Reut-Schul führen und abrichten / es lasset willig aufsitzen / sich innhalten und beschlagen / es ist nicht stettig und nicht scheu. Auch ein Christ soll sich gern in der Reut-Schul der Christlichen Tugenden unterweisen /sich mit wenigem beschlagen oder befriedigen lassen /gern lassen aufsitzen / das ist / die Obere über ihn herrschen lassen / nicht reutstettig oder widerspennig seyn / und die Disciplin, die Correction oder Bestraffung / die Mühe und Arbeit nicht scheuen und fliehen.

Das Pferdt hat auch noch diese Tugend / daß es sich zu allem brauchen lasset / es thut unterschiedliche Dienst / und ist indifferent zu dieser oder jener Arbeit / es lasset sich sattlen und reuten vom Herrn und Knecht / vom Bauren und Edelmann / es traget die ihm auferlegte Bürde / es lasset sich anspannen an eine Gutschen / Karren oder Pflug. Also soll auch ein Mensch / absonderlich ein Religios indifferent sich brauchen lassen / bereit und gleichgültig seyn zu allen Verrichtungen / Dienst und Aemteren / sie seyen verächtlich oder ansehnlich / zu denen ihn der Gehorsam und Willen der Oberen verordnet.

Endlichen / wann schon ein Fürstliches Leib-Pferdt einen sammeten / mit Gold bordirt- oder gestickten Sattel und Schabracken hat aufgehabt / wann es schon mit einem vergoldeten Zaum / mit silbernem Biß und Stangen ist geziert gewesen / oder mit kostbarem Geschirr und seidenen Quasten an dem Fürstlichen Leib-Wagen gepranget hat / hernach aber ausgespannt oder abgesattlet wird / und all dieser Zierd beraubt /gleichsam nackend und bloß da stehet / so ist es gleichwohl zufrieden / es nimmt mit der Halffter und einer gemeinen Roß-Decke vorlieb; weilen nemlich all der vorige Ornat nicht sein eigen / sondern nur geliehen gewesen ist. Auf gleiche Weiß soll ein sittliches Pferdt GOttes / ein guter Christ beschaffen seyn /wann er schon stattlich ist versehen und geziert gewesen mit hohen Ehren-Aemteren / mit Reichthum und Ansehen / mit guter Gesundheit / Stärcke und schöner Leibs-Gestalt / dessen allem aber beraubt wird durch Mißgunst / durch Unglück und Kranckheiten etc. so soll er gleichwohl zufrieden seyn / und gedencken /daß dieses alles kein Eigenthum / sondern nur von GOTT geliehene Güter gewesen seyen / mit dem gedultigen Job sprechend: Dominus dedit, Dominus abstulit etc.20 Der HERR hats gegeben / der HERR hats genommen: wie es dem HERRN gefallen hat / also ist es geschehen: der Name des HERRN sey gebenedeyet.

Das Pferdt ist von Natur gleichwohl ein hochmüthig- und stoltzes Thier / es verachtet den Ochsen und Esel / wie es sich klar gezeiget hat / als ein schön-aufgebutztes Pferdt gantz muthig in der Stadt auf der Gassen herum gesprungen / und ihm ein schwerbeladener Esel begegnet ist.21 Dieser buckete sich demüthig vor dem Pferdt / und grüßte es / so gut er kunte: das Pferdt aber würdigte sich nicht ihme zu antworten / sondern sprach nur gantz hochmüthig: was darffst du mich anreden / du ungeschickter/ langsamer und fauler Tropff / gehe mir aus[352] dem Gesicht /oder ich tritt dich mit Füssen etc. Der gute Langohr durffte kein Wörtlein sagen / und machte sich aus dem Weeg / so gut er kunt. Gleich darauf ist diesem stoltzen Pferdt ein Ochs begegnet und diesen hat es auch also verachtet und ausgemacht / einen plumpen unverständigen Dölpel gescholten. Weil aber das Pferdt so muthig herum gesprungen / da hat es einen Fuß starck verräncket / und übel zu hincken angefangen. Als nun sein Herr dieses gesehen / da hat er ihm den schönen Sattel und Zeug abgenommen / und selbes einem armen Karrer um einen Spott verkaufft: diser aber hat es alsobald in Karren gespannt und braf zu ziehen angetrieben. Da hernach der Ochs und Esel ihme wieder begegnet seynd / und das hoffärtige Pferdt in diesem neuen Ehren-Stand / nemlich in dem Karren gesehen haben / da hat es sich greulich geschämt: sie aber haben es ihm gar wohl gegunnet /selbes ausgespöttlet / und gesagt: Ey wie machest du nicht so schöne Sprüng / wie stehet dir das kostbare Gutschen-Geschirr so wohl an / du führest gewiß deine Herrschafft nacher Hoff etc. gelt die Hoffart kommt vor dem Fall / und wer sich erhöhet / der wird erniedriget: du hast uns neulich so verachtet / jetzt bist du selbst verachtet / und aus einem stoltzen Leib-Pferdt ein armer Karren-Gaul worden. Du hättest sollen gedencken / wie sich das Blätlein so bald wenden / und das Glücks-Rad umkehren kan; dann:


Das Glück allzeit unb'ständig ist /

Dessen du jetzt ein Zeugnuß bist:

Bald gibts was / bald nimmt es wieder /

Jetzt erhöchts / jetzt druckts ein nieder.

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 349-353.
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