Der 3. Absatz.

Von den unfruchtbaren Bäumen.

[587] Durch die unfruchtbare Bäum verstehe ich da all diejenige / welche entweders gar keine / oder doch keine solche Früchten tragen / die zu der gewöhnlichen Nahrung der Menschen dienlich seynd.27

Ein solcher ist erstlich der starcke und großmächtige Eichbaum / welcher in gewissen Orten / benanntlich in der Americanischen Landschafft Guadimola, ja auch wie ich höre / in Westphalien in eine solche Dicke erwachset / daß er in seinem Umkreiß etliche Klaffter begreifft. Sein Holtz ist fest / hart und daurhafft / es kan von den Holtz-Würmen nicht leicht zernagen werden / deßwegen er vor anderen Bäumen zu den Gebäuen / wie auch Statuen daraus zu schnitzlen / Brucken und Wein-Fässer daraus zu machen tauglich ist. Das Eichen-Laub und anderes von disem Baum wird vilfältig Artzney-weiß / die Eichelen aber / wie bekannt / zur Mästung der Schwein gebraucht. Die Natur-Kündiger wollen behaubten / daß die Eichen durch ein und anderes Jahr hundert / in allem Ungewitter unversehrt dauren können.

Doch thut auch nit selten eben solche Stärcke und Grösse dem Eichbaum zu seinem Ruin oder Untergang[587] gereichen / wann nemlich ein hefftiger Sturm-Wind an ihn kommt / und ihme zusetzt / da will er im geringsten nit weichen und nachgeben / sondern widersetzet sich / auf seine starcke und tieffe Wurtzlen sich verlassend. Mithin aber wird ihme von dem tobenden Wind / der auch nit nachlasset / da und dort ein Ast abgerissen / ja auch zu Zeiten der gantze Baum selbsten umgestürtzt / oder gar aus der Wurtzel gerissen: da hingegen die Hasel-Stauden oder schwaches Moß-Rohr auch bey dem hefftigsten Sturm-Wind unversehrt und unzerstöhrt bleibet / weilen es nemlich in Zeiten nachgibt / und gleich auf den ersten Anstoß des Winds / auf alle Seiten sich bucket und bieget /und dem Wind gleichsam tausend Reverenz und Complementen machet.

Also nemlich ist es nit allzeit gut Gewalt mit Gewalt vertreiben wollen.28 Wann zwey Kiselstein hart aneinander schlagen / da gibt es Feur ab / und thut leicht ein unauslöschliche Brunst zum allgemeinen Schaden entstehen. Es ist nit nur ein sittliche Tugend /sonderen auch eine stäte Klugheit in Zeiten wissen nachzugeben / und aus der Noth eine Tugend zu machen. Freylich wohl kan ein unbeweglicher Stein-Felsen in dem Meer die tobende Wasser-Wellen sicher trutzen / ohne daß er selben ein Hand-breit weiche /weil er sie an ihm unkräfftig zerschlagen / und allzeit abgetrieben sihet: da hingegen ein kluger Schiffmann nothwendig dem Wind nachgeben / und den Segel nach ihme wenden muß / indem er sonst unfehlbar zu Grund gehen wurde / wann er sich ihm mit Gewalt widersetzen wolte.

Der göttliche Heyland selber hat dise Christliche Polizey in dem Evangelio gelehret / indem er zu seinen Jüngeren gesprochen hat: Quis Rex iturus committere bellum adversus alium Regem, non sedens prius cogitat, si possit cum decem millibus occurrere, qui cum viginti millibus venit à se?29 Welcher König / der da ausziehen / und wider einen anderen König Krieg anheben will / sitzt nit zuvor /und rathschlaget / ob er könne mit zehen tausend begegnen / dem der über ihn kommet mit zwantzig tausend? wo nit / sagt weiter Christus / so schicket er Bottschafft / wann jener noch fern ist /und bittet um Frieden.

Aber dise Polizey hat der stoltze und hartnäckige Eichbaum nit gelernet / er verlasset sich zu vil auf seine tieffe Wurtzlen und starcke Aest / und will auch dem stärcksten Wind nit im geringsten weichen oder nachgeben / darum wird er offt so übel zerraufft / oder gar entzwey gebrochen. Also und nit besser ergeht es auch demjenigen / der wider gutes Einrathen seinem Kopff und Sinn alleinig folgend / mit Gewalt alles will durchdringen / wo es doch nit möglich ist. Niemahl solle man sich auf seine Stärcke und eigne Kräfften allein / oder zu vil verlassen / sonderen die Klugheit muß voran gehen / die Wachtsamkeit und Bescheidenheit aber Gesellschafft leisten / so offt ein feindlicher Gewalt und Gefahr abzuwenden / oder sonst was haubtsächliches vorzunehmen und auszuführen ist. Auch der starcke und großmüthige Löw trauet ihm selbsten und seiner Stärcke nit allein / oder zu vil / er schlafft mit offenen Augen / damit ihn der Feind nit für unbereitet ansehe. Der behutsam im Kampff sich einlassen / und glücklich streiten will /muß zuvor seine Kräfften mit der Grösse der Gefahr fleißig abwegen / und wann er dise zu gering befindet / ist es rathsam / daß er mit dem Gold das Eisen schärpffe / und Bitt-weiß mit glimpfigen Worten erhalte / was er doch mit Ernst und Gewalt nit erzwingen kan.[588]

Wann es aber ausser Handhabung der Gerechtigkeit / oder Beschützung göttlicher Ehr um ein blossen Wort-Streit zu thun / oder sonst ein indifferente, ein gleichgültige Sach betrifft / da erforderet abermahl die wahre und Christliche Polizey / daß man nachgebe /in Versicherung neben dem Ruhm der Friedsamkeit und Bescheidenheit / vil ein grössere Ehr und Nutzen darvon zu tragen / als wann man seinen Gegner mit hefftig- und hartnäckigen Zanck und Streiten abmatten / und überwinden thäte.

Es begibt sich zu Zeiten / daß ein rauschiger / oder sonsten dollsinniger Mann als wie ein hefftiger Sturmwind in dem Hauß herum sauset und prauset /und an seinem Weib mit harten Worten anstoßt /dises oder jenes von ihr haben oder nit haben will: wann alsdann das Weib halstärrig und eigensinnig ist / und wie ein starcker Eichbaum sich disem stürmenden Wind / oder dem Mann widersetzt / im geringsten nichts nachgeben / und nicht weichen will / O da wird diser stoltze Eichbaum / das stutzige Weib offtermahl gar übel verzauset und zerraufft.30 Wann sie aber nachgibt / und wie ein schwaches Moßrohr oder weiche Haselstauden sich nach dem Willen ihres Manns /so vil es möglich ist / ein Weil bieget und lencket / da bleibt sie sicher und unversehrt / ja es thut sich auch der Wind desto ehender wiederum legen / und der Mann zur Ruh begeben. Der Eichbaum ist absonderlich dem Donnerschlag unterworffen / er wird öffters von ihm getroffen: und ein böses Weib ist den Schlägen ihres donnerten und blitzeten Manns unterworffen / es wird auch offt hart von ihm getroffen.

Was jetzund ferners den Thannen-Baum anbelangt / so ist an demselben merckwürdig / daß er so hoch /und zwar Schnur-grad aufwachset / im Sommer und Winter allzeit grünt / auch häuffiges Hartz zu unterschiedlichem / auch Artzney-Gebrauch von sich fliessen laßt / welches sonderlich zu Heilung der Wunden dienlich ist.31 Ubrigens ist es an dem Thannen-Baum was wunderliches / daß er wider die Gewonheit aller anderen Bäumen / kein einiges Laub-Blättlein / sonderen an deren statt unzahlbare grüne stechende Nadlen hat. Er wird in weiß und rothe Thannen abgetheilt. Sein Holtz ist tauglich zu schindlen / Bretter / Segel /Mast-Bäumen / und zum Wasser-Bau / weilen es hartzig ist / und das Wasser nit so leicht an sich ziehet.

Der Linden-Baum Tilia auf Lateinisch / wachset auch zu einer gewaltigen Grösse / ist dick belaubet /und strecket seine Aest weit in die Breite aus / deßwegen er auch einen angenehmen starcken Schatten verursachet: er macht tieffe Wurtzlen / und ist anderen benachbahrten Bäumen schädlich / weil er ihnen zu vil Saffts hinweg nimbt / und an sich ziehet.32 Auf disen Schlag ist es auch unter denen Menschen nit allzeit gut / sondern gefähelich mächtige Nachbaren haben / weilen selbe zu Zeiten den Safft der zeitlichen Güter gar zu starck an sich ziehen / und desselben die andere kleinere Bäum berauben / und verderben machen. Der Stamm dises Baums ist mit einer dicken /rauhen / schwartzlechten Rinden bekleidet / unter welcher ein weisses dünnes Häutlein / welches safftig und süß / zu finden ist. Und also befindet sich auch zu Zeiten bey einem / dem äusserlichen Ansehen nach groben und ungeschlachten Menschen ein zartes und reines Gewissen / süß und safftig mit Andacht erfüllet. Die Blätter dises Baums seynd dem Espen-Laub zimlich gleich / doch etwas weichers / und klein gezeferlet: das Holtz aber ist zart und lind (woher es auch den Nahmen haben soll) auch deßwegen tauglich[589] allerhand Figuren / Geschirr und Ziraden daraus drexlen und zuschnitzlen.

Es kan deßwegen füglich die Tugend mit dem Linden-Baum verglichen werden / als welche auch leichtlich (wann der Fleiß des Künstlers / das ist / eines guten Zucht- und Lehrmeisters darzu kommt) wegen ihrer Zärte und Weiche in allerhand schöne Gestalten sich formiren und schnitzlen laßt: man kan aus disem Linden-Holtz / verstehe aus einem capablen oder fähigen jungen Menschen / den tauglichsten Werckzeug zu grossen und herrlichen Verrichtungen machen /oder aber schöne Geschirrlein des kostbaren Saffts oder Balsams der Tugend und Wissenschafften darinn aufzubehalten.33 Aber wann die Jugend aufgewachsen / und kein Linden-Holtz mehr / sondern verhartet ist / da heißt es zum öfftern: Non ex quolibet trunco fit Mercurius: Man kan nit aus einem jeden Klotz einen Mercurium schnitzlen / wann man schon allen Fleiß und Mühe anwendet.

Ferners die Blühe dises Baums hat ein angenehmen Geruch / sie wird zu einem gewissen Wasser gebrennt / und Artzney-weiß gebraucht. Er tragt auch kleine runde Beerlein / und wann sich selbe in dem Augustmonath aufthun / da fallet ein runder schwartzer Saamen heraus / süß am Geschmack / welches doch nur von dem Weiblein zu verstehen ist / dann diser Baum wird in zwey Geschlecht / das Männlein und Weiblein (gleichwie auch etliche andere Bäum) abgetheilt.

Man sihet hin und wider bey den Städten / Flecken und Dörfferen grosse Linden-Bäum mit Fleiß gepflantzet / auf daß die Burger und Bauren zu Zeiten ein Zech-Bier oder Wein darunter halten / und sich unter seinem Schatten ergötzen mögen.

Auch der Buchbaum Fagus, will an der Grösse und Stärcke den vorgehenden nit nachgeben / deßgleichen an der Härte des Holtzes / doch ist er in dem Wetter nicht gar daurhafft.34 Er wird in zwey Gattungen abgetheilt / in Rothbuchen und Hagenbuchen. Diser Baum hat ein weißlächte Rinden / und wachset gern in einem morastigen wässerigen Boden / er ist sehr dienlich zum Bau-Holtz innerhalb des Gemäurs. Sein Frucht bestehet in den sogenannten Büchelen / welche dreyecket und süßlecht seynd: ihr inwendige Schale ist braun / die aussere aber gantz rauh / dise Kerner aber seynd denen Ratzen und Feld-Mäuß / wie auch den Eichhörnlein die angenehmste Speiß / welcher sie aus Antrib der Natur von weitem zulauffen.

An dem Birckenbaum Betula, ist dises merckwürdig / daß wann man in dem Frühling anschneidet /oder die Rinden auflöset / und hinein bohret / da laufft ein häuffiger Safft oder Wasser heraus / welches aufgefangen / und aus Verordnung der Herren Medicorum für gewisse Zuständ Cur-weiß getruncken wird.35 Wann diser Baum noch jung ist / da hat er ein braune Rinden / wann er aber älter ist / da wird sie weiß / Wobey zu wissen ist / daß man vor alten Zeiten / ehe die Kunst das Papir zu machen ist erfunden worden / auf dise und andere dergleichen weisse Baum-Rinden / als Buchbaum-Rinden etc. zu schreiben / und Bücher daraus zu machen gepflegt habe /welche annoch Libri genennt werden / Liber aber heist eigentlich ein Baum-Rinden. Das Holtz dises Baums belangend / so das es zu anderem Gebrauch dienet ist es so beschaffen/ wann es noch jung / und zum anderen wann es schon alt ist.

Der Buxbaum ist ein kleines daurhafftes Bäumlein / selten mehr als eines Armbs dick / mit vilen Aesten und kleinen Laub-Blättlein gar dick besetzt / welche gantz glatt und glitzend seynd / etwas hart / sie bleiben all zeit grün / und fallen nimmer ab.36 Sein Blüh ist[590] auch grün / aus welcher hernach grüne oder gelblechte Kerner wachsen / in der Grösse einer Erbis /und obenher mit 3. Spitzen versehen / welche aber weder ein Vogel / noch ein anderes Thier niemahl isset. Das Holtz des Buchsbaums ist fürtrefflich für die Trexler und Bildhauer / schöne Figuren / oder Geschirrlein / Flöten oder Pfeiffen daraus zu schnitzlen oder trähen / dann es ist schön gelblecht / auch so fest und hart / daß es im Wasser zu Boden fallt / als wie das Ebenholtz / dann es nit Poros oder gelöchlet / es faulet auch nit / und wird nit Wurm-stichig.37 Diser Baum wachset gern in dürren und steinigen Orten. Deßwegen er füglich einen gerechten vollkommenen Menschen vorstellet; dann ein solcher wird auch an rauhen harten Orten erzogen / ich will sagen / wo es rauh und streng hergehet / in dem Creutz und Leyden / in der Mortification oder Abtödtung: aber eben darum grünet er allzeit an der Hoffnung / er ist auch fest und daurhafft wegen der Beständigkeit / und wann er in den Wässeren der zeitlichen Gütern und Glückseeligkeit sich befindet / da laßt er sich gleich in die Tieffe durch die Demuth und Betrachtung des Todts / dann er hat in seinem Hertzen keine Poros oder leere Lufft-Löchlein (es ist gäntzlich mit der Liebe GOttes angefüllt) durch welche der Lufft der Eitelkeit oder Hoffart möchte eintringen / und ihn erheben.

Die Buchsbäum / wann sie ordentlich gepflantzt seynd / geben den Lust-Gärten ein sonderliche Zierd: aber noch vilmehr wird der sittliche Lust-Garten der Catholischen Kirch / von solchen gerechten vollkommenen Männern geziert und geadlet.

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 587-591.
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