Der 1. Absatz

Der 1. Absatz.

Von dem Roßmarin, Majoran, und Lavendel.

[637] Der edle Roßmarin wird in den Gärten gepflantzt /und erzogen / seyn länglecht / und schmahle / aber fette Blättlein / wie auch sein weißlechte Blühe hat /wie bekannt einen lieblichen und penetranten Geruch / der in das Hirn steiget / und das Haupt stärcket / so wohl die Blühe / als auch Blätlein werden vielfältig in der Apothecken Artzney-weiß gebraucht / und auch ein Wasser daraus gebrennt.2 Es gibt aber auch eine Gattung[637] des Roßmarins in etwas breiteren Blättlein. Wann ein Stock sechs / oder sieben Jahr alt ist / da wird er zu holtzig / und ferners undienlich: darum muß man ihn zertheilen. Und die Zweig oder Schößlein versetzen / damit man nicht von der Art komme. Die Bienen / oder Immlein lieben die Roßmarin-Blühe sehr / und machen besseren Honig darvon / als von anderem Blumenwerck. Am besten ist es / wann man den Roßmarin-Stock über Winter in einer Stuben hat / wo man nicht einheitzt / oder an einem solchen Orth / welches temperirt / das ist / nicht gar zu kalt /und nicht zu warm ist / wann der Roßmarin in der Blühe ist / muß er nie umgesetzt werden.

Er ist warmer und truckner Natur / er wärmet / er öffnet / und stärcket: ist auch für die Anligen des Miltzes / und der Leber / wie auch für kalte Flüß des Haupts etc.3 Die Blumen samt dem nechsten Blättlein (so lang die Blühe wehret) alle Morgen mit Brod und Saltz genommen / stärcket das Gesicht sehr: in Wein aber / oder Eßig gesotten / und warm in den Mund gehalten / vertreiben sie das Zahnwehe: seynd auch sonsten dem Haupt / Hertz / und Magen gut / wie Herr von Hochberg schreibet / von dem adelichen Land-Leben Tom. I. f. 616.

Der wilde Roßmarin aber / so dauerhaffter ist / als der gepflantzte / wachst in Franckreich in der Nabonensischen Provintz für sich selbst so häuffig / daß man ihn / als wie ein anderes gemeines Holtz brennet / mit so dicken Stammen / daß man allerley daraus machen kan.4 Deßgleichen in Italien / allwo er nicht nur im Frühling / sondern auch in dem Herbst blühet: wie Mathiolus in Dioscoridem f. 523. bezeuget. Auch wie ich erzehlen höre / so wächst in Hispanien an gewissen Orthen der Roßmarin so häuffig / daß die Schaf darin weyden / als wie bey uns in gemeinem Graß.

Sampsuchus, oder Amaracus der Majoran ist ein bekanntes / starckes / und wohlriechendes Kraut.5 Es ist aber des Majorans zweyerley: Sommer und Winter-Majoran / jener ist zart / und wohlriechend / muß alle Jahr aufs neue / von dem aus Italien kommenden Saamen in dem zunehmenden Mond gesäet werden: der Winter-Majoran ist etwas gröbers / mag wohl an statt des Bux-Baums gebraucht / und die Blum-Bettlein darmit eingefast werden; weil er sich wohl unter die Garten-Scheer gibet / und jemehr man ihn stutzet /je besser wachst er: wann er im Winter mit Stroh eingemacht wird / so schlagt er im Frühling wieder aus. Er laßt sich auch vermehren / wann man die Stöcklein zerreist / und aus einem etliche macht / wann sie auch keine Würtzlein haben / wachsen gleichwohl.

Der Sommer-Majoran aber will Schatten und fettes Erdreich haben / und muß öffters gespritzt werden: im Frühling kan man die Stöcklein samt der Wurtzel zertheilen / und versetzen: er hat nicht gerne andere Kräuter um sich / und wird eines halben Schuhe weits von einander gesetzt.

Der Gebrauch des Majorans in der Artzney ist eben auch vielfältig / und seine medicinalische Krafft unterschidlich. Unter anderem wann er gesotten wird /so ist er für die / welche anfangen Wassersüchtig zu werden: die Blätlein mit Honig gestossen / und überlegt / vertreiben die blaue Fleck / und Mähler / so vom Schlagen oder Stossen herkommen. Das Pulver darvon / wie Taback in die Nasen genommen / reiniget / und stärckt das Haupt / die Lebens-Geister / und die Gedächtnuß / wie auch das Wasser / so darvon gebrennt wird.

Lavendel oder Spicanord seynd einerley Art / das erste wird Spiconardus mas: das andere aber Spiconardus fœmina genennt: das erste ist an Gestalt Blumen / und Würckungen stärcker / das andere aber lieblich- und annehmlicher.6 Der Lavendel wachst gerne an steinichten Orthen / wo er viel Sonnen hat /dann er ist warmer und truckner Eigenschafft / wie der Roßmarin / und Majoran.

Dieses Kraut ist auch gut für allerley Zuständ und Gebrechen des Hirns / auch für den Krampff / für das Hinfallende /[638] und den Schlag / Schlaffsucht etc. Zu welchem Ende die im Zucker candirte Blühe viel vermag. Lavendel stärcket ferner das Haupt / trücknet die Flüß etc. das aus den Blumen distillirte Wasser zwey Löffel voll getruncken / wiederbringt die verlohrne Sprach / und in dem Mund gehalten stillet es das von den Flüssen herkommende Zahnwehe etc. In der Apothecken werden viel conserven / Zucker / Oel / Wasser / Wein und Eßig daraus gemacht: die Lavendel-Blühe unter die Leinwadt gelegt / macht selbe wohlriechend / unter den wollenen Tüchter vertreibt die Schaben. In den Gärten wird auch ein ander Lavendel-Art gezüglet / Lavendula multifido folio, sie hat Holtzächtige / doch schöne liecht-grüne Stengel und Blätter / eines lieblichen Geruchs: sie tragt den Saamen auf fast gleiche Weiß in Aehren / mit liecht-blauen Blümlein.

Es kan meines Erachtens die Tugend insgemein füglich mit dem Roßmarin / Majoran / und anderen dergleichen wohlriechenden / und Hauptstärckenden Kräuteren verglichen werden / als welche ein so guten lieblichen Geruch von sich gibet / daß sie jedermänniglich / wo nicht an / oder nach sich ziehet / doch allen wohlgefallt / und angenehm ist.7

Ich sage nach sich ziehet / oder aufs wenig ist wohl gefallt: weilen es offt bey den sündigen Menschen heisset:


– – Video meliora, probóque

Deteriora sequor. – –


Das Gute mir zwar wohlgefallt

Doch das Bös mich an sich behalt.


Es können nemlich auch die Gottlose der Tugend /wegen ihrer angebohrnen Schönheit / und holdseeligkeit nicht feind seyn / sie müssen sie loben / lieben und hochschätzen / aber sie wollen ihnen die Mühe nicht nemmen / selbe auch in dem Werck zu üben.

Doch wird auch hingegen zum öffteren wahr das lateinische Sprichwort: Verba movent, exempla trahunt: die Wort / das zu sprechen beweget zwar Gutes zu thun / aber das tugendliche Exempel zwinget gleichsam durch einen heimlichen Liebs-Gewalt zur Nachfolg: und gleichwie die Imen / oder Bienen gern dahin fliegen / wo sie einen lieblichen Geruch der Blumen und Kräuter vermercken / also thun sich die ehrliche Gemüther bey denen tugendlichen Menschen gern einfinden / und aufhalten; dann die Tugend ist ein edles / und fürtreffliches Gut (das Gut aber ist der eigentliche Gegensatz des Willens / und der Liebe) welches von dem unendlichen Gut / das ist GOTT: als wie ein kleines Bächlein von dem unergründlichen Meer herflüsset.8 Nihil virtute amabilius est, nihil est quod hominen magis alliciat ad diligendum,9 sagt der beredte Cicero: Es ist nichts lieblichers als die Tugend / und es reitzet den Menschen nichts mehr zum Lieben an. Sie gibt auch von weitem / als wie die besagte Kräuter ein so gut und starcken Geruch von sich / daß wir / sagt er weiters / die Tugendsame lieben / wo sie immer seynd / auch wann wir selbe schon nie gesehen haben. Wiederum anderstwo: Quod honestum, & cum virtute est, id solum opinor bonum, in quo virtus est. nil ei ad beatè vivendum deesse puto. Was ehrlich und tugendsam ist / das achte ich allein für ein wahres Gut / und wer die Tugend hat /dem gehet nichts ab glückseelig zu leben: hingegen sagt er / ohne Tugend kan niemand glücklseelig seyn. So viel haltet ein Heyd von der Güte und Lieblichkeit der Tugend: Was solle nun ein Christ darvon halten?

Ferner / gleichwie der Roßmarin und Majoran das Haupt / das Hertz / und den Magen stärcket / also stärcket die Seel die Tugend / und das Hertz / oder den Verstand / und Willen / ja alleKräfften der Seelen.10 Ja in Heil. Schrifft wird zum öfftern virtus pro fortitudine, & potentia, die Tugend für die Macht /oder Stärcke genommen. Auch der weise Seneca sagt: Validiorem omnium & celsiorem virtus facit, nam cætera, quæ cupiditates nostras irritant, animum deprimunt, & labefaciunt. Die Tugend[639] allein stärcket /und erhöhet den Menschen / andere Ding aber / so die Begierden entzünden / die schwächen und unterdrucken das Gemüth. Was die Nerven / und Gebein dem Leib seynd / daß seynd die Tugenden dem Gemüth und der Seel: ohne Gebein und Nerven wurde der Leib zu Boden fallen / oder auf der Erden umkriechen als wie ein Wurm: ohne Tugenden kan sich das Gemüth nicht aufrichten / und die Seel klebet den irrdischen Dingen an.

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 637-640.
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