Dreizehnte Szene


[380] Vorige – Graf in einen weißen Mantel gehüllt, erscheint im Hintergrunde und hustet; die Gräfin beantwortet dies Zeichen.


ADOLPH beiseite. Husten? Aha! Nun das kann ich auch. Hustet.

GRAF leise. Sind Sie es, schöne Frau?

GRÄFIN leise. Ich bins!

ADOLPH beiseite – horchend. Ein Rendez-vous.

GRAF. Geben Sie mir Ihren Arm! Der Platz ist hier so frei. Der fatale Mondschein! Und kühl ist es auch.

ADOLPH beiseite. Pfui, alter Herr! Wer wird frieren?

GRAF. Ich denke, wir gehen.[380]

GRÄFIN mit verstellter Stimme. Wohin Sie wollen!

ADOLPH beiseite. Ach nein! So haben wir nicht gewettet. Ich war der erste auf dem Platze, und soll nun das leere Nachsehen haben! Vertritt ihm den Weg. Wohin, mein Herr?

GRAF mit dem Mantel übers Gesicht geschlagen, wodurch seine Sprache etwas unkenntlich wird. Was geht das Sie an?

ADOLPH. Ich kann kein Frauenzimmer entführen sehen, und am wenigsten von einem so dicken, alten Herrn, als Sie sind.

GRAF beiseite. Zum Teufel! das ist mein Sohn!

GRÄFIN beiseite. Mein Neveu! Vortrefflich!

ADOLPH. Wie? Was soll das Geflüster? – Sie sehen mich entschlossen, heute abend in Ihrer Gesellschaft zu bleiben, wenn anders die Dame schön ist, woran ich nicht zweifle; und wenn Sie ein lustiger, alter Patron sind, woran ich auch nicht zweifle –

GRAF. Junger Herr!

ADOLPH. Daß ich jung bin, ist eben nicht mein größter Fehler.

GRAF. Sie nehmen sich Freiheiten heraus –

ADOLPH. Ich bin ja der bescheidenste Mensch von der Welt. Ein anderer an meiner Stelle würde Sie schon längst davongejagt haben.

GRAF. Platz da!

ADOLPH. Nicht von der Stelle!

GRAF läßt den Mantel vom Munde fallen. Impertinenter Junge!

ADOLPH stutzt. Was?

GRAF. Geh mir aus dem Wege!

ADOLPH. Was Teufel, – ich glaube wahrhaftig – diese Stimme – es ist mein Vater!

GRAF. Der dich überall findet, wo du nicht hingehörst.

ADOLPH. Ich bitte tausendmal um Verzeihung!

GRAF. Geh zum Teufel!

ADOLPH. Ich konnte unmöglich glauben –

GRAF. Pack' dich fort!

ADOLPH mit etwas Ironie. Meinen alten dreiundsechzigjährigen Vater –

GRAF. Schweig!

ADOLPH. Um diese Stunde in solcher Gesellschaft –

GRAF beiseite. Ich möchte rasend werden!

ADOLPH. Ha, ha, ha! Gestehen Sie's nur, lieber Papa, das Abenteuer ist doch verdammt lustig.[381]

GRÄFIN schlägt den Schleier zurück. Adolph! Schämst du dich nicht?

ADOLPH. Was? die Tante?

GRAF läßt sie los. Alle Teufel!

GRÄFIN. Schämst du dich nicht, gegen deinen würdigen Vater einen so beleidigenden Verdacht zu äußern?

ADOLPH. Sind Sie es wirklich?

GRÄFIN. Nun ja! Was ist denn da zu verwundern? Der Abend ist schön. Dein Vater hatte Lust, einen Spaziergang zu machen. Nicht wahr, Bruder?

GRAF. Ja, ja – freilich!

GRÄFIN. Er wollte nicht allein gehen, und bat mich, ihm Gesellschaft zu leisten. Nicht wahr, Bruder?

GRAF. Allerdings!

GRÄFIN. Da kommt so ein Hans Hasenfuß, vertritt uns den Weg, sagt eine Sottise nach der andern, und meint am Ende wohl gar, der alte Vater sei ein ebenso leichtsinniger Mensch als der Sohn?

GRAF. Ja, ja, es ist abscheulich, mir so etwas zuzutrauen!

GRÄFIN. Ich habe mich über deine Geduld gewundert.

GRAF. Mir, der ich in aller Unschuld und Ehrbarkeit mit meiner leiblichen Schwester spazieren gehe!

ADOLPH. Ich bin ganz erstarrt! – Bester Vater! – Gnädige Tante! Ich weiß, hol mich der Teufel, – nicht, was ich sagen soll. Es war ein dummer Streich von mir, oder der Satan hat mir ein Blendwerk vorgemacht. Ich bin so beschämt!

GRÄFIN. So geh und schäme dich zu Hausei

ADOLPH. Untertäniger Diener! Ab.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 380-382.
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