Eilfte Szene

[413] Frau Staar – bald darauf die Magd.


FRAU STAAR allein. Sieh, sieh, das Binchen ist auf einmal ganz lebendig geworden. Aber sie hat recht, wir müssen uns tummeln. – Ach du mein Gott! da fällt mir eben bei, es müssen ja auch noch Gäste gebeten werden; der Fremde kann doch nicht ganz allein mit uns essen. – Aber wen soll man einladen? – Da sind sie nun alle fort! – Mit wem soll man dergleichen wichtige Dinge beratschlagen? – Margarethe! Margarethe![413]

DIE MAGD kömmt.

FRAU STAAR. Lauft doch geschwind hin zu meiner Muhme, der Frau Oberfloß- und Fischmeisterin Brendel, und zu meiner Muhme, der Frau Stadtakzisekasseschreiberin Morgenroth, und sprecht: die Frau Untersteuereinnehmerin lasse sich der Frau Oberfloß- und Fischmeisterin und der Frau Stadtakzisekasseschreiberin ganz gehorsamst empfehlen, und wenn die Frau Oberfloß- und Fischmeisterin und die Frau Stadtakzisekasseschreiberin die Güte haben wollten, die Frau Untersteuereinnehmerin auf einen Augenblick zu besuchen, so würde die Frau Untersteuereinnehmerin solches mit großem Dank erkennen, sintemal etwas sehr Wichtiges vorgefallen sei.

DIE MAGD ab.

FRAU STAAR allein. Nun muß ich auch noch meine geblümte Kontusche anziehn – und eine andere Haube aufsetzen – aber der Peruckenmacher! – daß Gott erbarm! – der kömmt nur an Sonn- und Feiertagen – in der Woche geht er auf dem Lande umher und frisiert den Pastoren ihre Perücken. – Was ist anzufangen? – ich könnte mich freilich von der Sabine – aber die jetzigen Moden sind so lüderlich, so pudelmäßig – da ist nichts Geklebtes, nichts Geschniegeltes – weder Pommade noch Kammstrich! – Mein Sohn Niclas denkt auch an gar nichts. Hätte er den vornehmen Herrn noch ein paar Stunden im Steinbruch zappeln lassen, so könnte man ihn mit der gehörigen Gravität empfangen.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 413-414.
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