Vierzehnte Szene

[417] Sperling mit einem großen Blumenstrauß – Die Vorigen.


SPERLING. Frau Untersteuereinnehmerin – Frau Oberfloß- und Fischmeisterin – Frau Stadtakzisekasseschreiberin – allerseits gehorsamster Diener! Ich war in meinem Garten – der Herr Vizekirchenvorsteher hat den Ratsboten nach[417] mir geschickt – ich bin gelaufen wie ein Sonnenstrahl! Kaum hab' ich mir so viel Zeit genommen, diese Kinder des Frühlings zu pflücken.

DIE DREI FRAUEN. Wissen Sie schon?

SPERLING. Alles weiß ich. Ein berühmter Gelehrter – umgeworfen – das Nasenbein gequetscht – Empfehlungsschreiben vom Minister –

FRAU STAAR. Ein Gelehrter, sagen Sie?

FRAU BRENDEL. Nur ein Gelehrter?

FRAU MORGENROTH. Ei du mein schöner Kaffee! der in die Kohlen lief.

FRAU STAAR. Glauben Sies nicht, Frau Muhme. Ich habe alle meine Lebstage gehört, daß die Minister sich wenig um Gelehrte kümmern. Nein, nein, es hat eine andere Bewandtnis.

SPERLING. Und ich bleibe dabei, der Mann mit der gequetschten Nase ist ein Gelehrter, kömmt aus Ägypten oder aus Weimar; hat die Säule des Pompejus gemessen, oder doch Wieland aus dem Fenster gucken sehn. Kurz, wir haben keine Zeit zu verlieren. Hier sind die Blumen, schaffen Sie mir nur geschwind die Kinder herbei. Kinder muß ich haben! dann mag er kommen und sehn was in Krähwinkel geschieht!

FRAU STAAR. Nun, nun, sie sollen gleich hier sein. Ab.


Sperling steht seitwärts und probiert pantomimisch den Empfang.


FRAU MORGENROTH. Haben die Frau Gevatterin wohl bemerkt, wie lächerlich die alte Frau Muhme sich gebärdet?

FRAU BRENDEL. Jawohl, Frau Gevatterin, sie bläht sich wie ein Teig am Ofen.

FRAU MORGENROTH. Lieber Gott! ihr Mann war doch nur Untersteuereinnehmer.

FRAU BRENDEL. Wie er starb blieb er einen Rest in die Kasse schuldig.

FRAU MORGENROTH. Und was wird das für ein Traktament werden? wissen Sie noch vor acht Wochen den Braten? er war ja ganz verbrannt.

FRAU BRENDEL. Und wie sie aussieht! was wird sie anziehn?

FRAU MORGENROTH. Sie hat ja nur drei Kleider.

FRAU BRENDEL. Ganz recht, das braune –

FRAU MORGENROTH. Und das weiße –

FRAU BRENDEL. Und das stoffene –[418]

FRAU MORGENROTH. Das hat sie machen lassen, wie der Bürgermeister zum ersten Male taufen ließ.

FRAU BRENDEL. Um Vergebung, Frau Gevatterin, das wurde gemacht, als der Vizekirchenvorsteher seine zweite Frau heiratete.

FRAU MORGENROTH. Die auch eine Närrin war.

FRAU BRENDEL. Jawohl, jawohl.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 417-419.
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