Dritter Auftritt


[66] Peter – die Vorigen – bald nachher der Greis.


PETER. Ja, ich kann ihn nicht halten; er ist schon auf der Treppe.

EULALIA. Wer?

PETER. Der alte Tobies. Hätten Sie mir erlaubt, den Sultan auf ihn zu hetzen; meiner Six! er wäre nicht über die Schwelle gekommen.


Ab.


GREIS sich hereindrängend. Ich muß – guter Gott! ich muß! –

EULALIA sehr verlegen. Ich habe jetzt keine Zeit, Alter. Ihr seht, ich bin nicht allein.

GREIS. Ach! der gnädige Herr wird mir verzeihen.

DER MAJOR. Was wollt Ihr?

GREIS. Danken will ich! Empfangene Wohltaten sind ja auch eine Bürde, wenn man nicht danken darf.

EULALIA. Morgen, lieber Alter, morgen.

DER MAJOR. Keine falsche Bescheidenheit, Madam! Erlauben Sie ihm, daß er seinem Herzen Luft mache, und gestatten Sie mir, Zeuge eines Auftritts zu bleiben, welche redender[66] als Ihr Gespräch mich belehrt, wie edel Sie Ihre Zeit zubringen. – Rede, Alter, rede!

GREIS. O, daß jedes meiner Worte Segen auf Sie herunterbeten könnte! – Verlassen lag ich in meiner Hütte, Fieberfrost klapperte mir in den Zähnen. Der Wind sauste durch die Spalten meiner zerfallenen Wohnung, und der Regen schlug durch die zerbrochenen Fenster. Da hatt' ich keine Decke, meine Füße dreinzuwickeln; nur mein alter treuer Hund wärmte mich und wedelte mir Trost zu. Aber nicht einmal ein Bissen Brot war mir übriggeblieben für den treuen Gefährten meiner alten Tage. Ach! da erschienen Sie mir in Gestalt eines Engels, reichten mir Arzeneien, und Ihre tröstende liebliche Stimme wirkte kräftiger, als Ihre Arzeneien, kräftiger als die Hühnerbrühen, die Sie mir täglich schickten, und der Wein, womit Sie mich labten. Ich bin genesen; ich habe heute zum ersten Male, im Angesicht der Sonne, Gott meinen Dank dargebracht, und nun komme ich zu Ihnen, edle Frau. Lassen Sie mich meine Tränen auf Ihre wohltätige Hand weinen! Lassen Sie mich Ihre Knie umfassen! Er will niederfallen, Eulalia verhindert es. Um Ihrentwillen hat Gott mein Alter gesegnet. Der fremde Herr, der dort in meiner Nachbarschaft wohnt, hat mir heute einen Beutel mit Gold geschenkt, um meinen Hans loszukaufen. Ich bin auf dem Wege nach der Stadt; ich kaufe meinen Hans los; dann gibt er mir eine brave Schwiegertochter; dann schaukele ich vielleicht noch Enkel auf meinen Knien – und Sie, wenn Sie dann vor meiner glücklichen Hütte vorübergehen – o wie wohl muß Ihnen zumute werden, wenn Sie sich sagen: das ist mein Werk!

EULALIA bittend. Genug, Alter, genug!

GREIS. Ja wohl genug! denn ich kann's doch nicht so von mir geben, wie es hier in meinem Herzen geschrieben steht. Gott weiß das besser. Gott und Ihr Herz mögen es Ihnen vergelten! Ab.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 66-67.
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