Fünfter Auftritt


[69] Bittermann und Peter reißen die Türen auf. Es treten herein der Graf und die Gräfin mit ihrem Kinde an der Hand.


DER GRAF. Nun, da wären wir. Gott segne unsern Ein- und Ausgang! – Madam Müller, ich bringe Ihnen einen Invaliden, der in Zukunft zu keiner andern Fahne schwören will, als zu der Ihrigen.


Er umarmt sie.


EULALIA. Meine Fahne weht für die Einsamkeit.

DER GRAF. Und ist mit Liebesgötterchen auf allen Seiten bemalt.

GRÄFIN welche indessen auch Eulalien freundschaftlich umarmt und von ihr bewillkommt wird. Sie vergessen, Herr Gemahl, daß ich dabei bin.

DER GRAF. Zum Henker! Frau Gemahlin, ich kann doch nicht weniger tun, als Ihr süßer Herr Bruder. Der hat meine vier Schimmel halb totgefahren, um nur ein paar Minuten früher anzukommen.

DER MAJOR. Hätt' ich alle Reize dieses Aufenthalts gekannt, so möchten Sie wohl recht haben.

GRÄFIN zu Eulalia. Ist mein Wilhelm nicht recht groß geworden?

EULALIA. Das süße Kind!


Sie kauert sich zu ihm nieder und tiefe Melancholie überschattet ihr Gesicht.
[69]

DER GRAF. Nun, Bittermann, ich denke, Er hat für eine gute Mahlzeit Sorge getragen?

BITTERMANN. So gut sichs in der Eile hat wollen tun lassen.


Der Graf läßt sich seinen Oberrock ausziehen; indessen zieht der Major die Gräfin auf die Seite.


DER MAJOR. Ich bitte dich, Schwester, welche Perle hast du da auf dem Lande verscharrt?

GRÄFIN. Ha! ha! ha! Herr Weiberhasser! ist Er gefangen?

DER MAJOR. Gib Antwort!

GRÄFIN. Nun, sie heißt Madam Müller.

MAJOR. Das weiß ich; aber –

GRÄFIN. Aber mehr weiß ich auch nicht.

MAJOR. Scherz beiseite! ich wünschte zu wissen –

GRÄFIN. Scherz beiseite, Herr Bruder! ich wünschte, du ließest mich in Ruhe. Laut. Mein Gott! ich habe ja noch zehn mal hunderttausend Dinge zu besorgen. Das erste und wichtigste, mein Kopfputz. Ich wette, daß der Pastor und der Amtmann mir noch heute ihre untertänige Aufwartung machen werden; nun, da muß man wohl den Spiegel ein wenig zu Rate ziehen. Komm, Wilhelm, wir wollen uns ankleiden. Auf Wiedersehn, liebe Madam Müller! Sie geht mit dem Kinde ab.

MAJOR für sich. Ich bin in einer sonderbaren Stimmung. Er will gehen.

GRAF. Wohin, Herr Schwager?

MAJOR. Auf mein Zimmer.

GRAF. Ei so bleiben Sie doch! Wir wollen vor dem Essen noch einen Spaziergang in den Park machen.

MAJOR. Verzeihen Sie! Es spazieren mir so viele Dinge im Kopfe herum, daß ich an keinen andern Spaziergang denken kann. Ab.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 69-70.
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