Dritter Auftritt


[16] Gretchen. Baculus.


BACULUS seufzend. Grete!

GRETCHEN. Herr Sebastian?

BACULUS wie oben. Grete! Grete!

GRETCHEN. Nun, was will Er denn?

BACULUS. Da haben wir die Pastete!

GRETCHEN. Ach, was Pastete! Nichts Feines haben wir, nicht einmal einen Wildbraten – weil Er dumm war.

BACULUS. Du hast deine liebe Sippschaft eingeladen, du willst hoch traktieren und meintest, ohne Wildbraten wäre der Schmaus nicht vornehm genug –

GRETCHEN. Nun ja, wofür heirate ich Ihn denn? Ich bin genug verspottet worden. Das junge hübsche Gretchen, sagten die Leute, und der alte häßliche Schulmeister –

BACULUS. Nu, nu –

GRETCHEN. Ich dachte, spottet ihr nur! Kann ich nur erst recht traktieren, so stimmt ihr ein andres Liedchen an, und ist vollends ein Rehbraten dabei, so platzt ihr alle vor Neid.

BACULUS. Nun bin ich denn auf dein Begehren in der Dämmerung hinausgeschlichen und habe im Tiergarten des Herrn einen feisten Rehbock geschossen.

GRETCHEN. Und ist dumm gewesen und hat sich ertappen lassen!

BACULUS. Rede nicht so einfältig; ich bin ja doch kein Wilddieb von Profession, du hättest mich sollen stehen sehen mit dem Mordgewehr in der Hand. Siehst du, so stand ich da und überlegte, ob ich losdrücken sollte oder nicht; und das gute Tier, soviel ich in der Dämmerung erkennen konnte, stand so ruhig da, als ob es fragen wollte: »Ist das Nächstenliebe?« Bauz, da ging der Schuß los, und gleich darauf ich auch, weil ich jemand kommen hörte; am Ende des Tiergartens wurde ich erwischt, und ich glaubte bis jetzt noch gut weggekommen zu sein, daß ich nur die Flinte eingebüßt hatte.[16]

GRETCHEN. Und wo bleibt denn nun der Rehbock?

BACULUS. Hol der Kuckuck den Rehbock! Wenn ich nur erst wüßte, wo der Schütze bliebe. Der gnädige Herr hat mir soeben in dem Schreiben ganz freundschaftlich erklärt, daß er mich auf der Stelle meines Amtes entsetzt und ich mich zum Teufel packen soll.

GRETCHEN. Aber Er will ein Studierter sein und läßt sich so leicht verblüffen? Konnte Er denn nicht sagen, das Wild habe Ihm Seinen Acker verwüstet?

BACULUS. Mein Acker liegt doch nicht im Tiergar ten!

GRETCHEN. Was will Er denn nun anfangen?

BACULUS. Darauf antworte du! Wer hat mich verleitet, gegen meine Grundsätze zu handeln?

GRETCHEN. Er? Grundsätze? Hahaha!

BACULUS. Na, wenn der Informator einer zügellosen Dorfjugend, ein Pädagog, keine Grundsätze haben soll, wer soll sie denn haben?

GRETCHEN. Red Er nicht so viel gelehrtes Zeug, ich versteh' es doch nicht. Sag Er lieber, was Er zu tun willens ist.

BACULUS. Höre, Gretchen – ich wüßte wohl ein Mittel – wenn du wolltest – aber nein – wenn du auch wolltest, ich will nicht.


Nr. 2. Duett


GRETCHEN.

Laß Er doch hören! Laß Er doch hören!

BACULUS.

Bei diesem schlimmen Fall

Hilft weiter nichts als bitten.

Nur bin ich bei dem Herrn

Nicht gar zu wohl gelitten.

Wenn du nun gingst und bätest

Bei unserm gnäd'gen Herrn,

Das wirkte, denn er siehet

Die hübschen Weiber gern.

GRETCHEN.

Sieh mal an, die Pfiffigkeit

Hätt' ich Ihm nicht angesehn.

Weil es denn nicht anders ist,

Will ich Ihm zuliebe gehn.

BACULUS.

Ne, Gretchen, so vermehrte

Am End' sich mein Malheur,[17]

Und mir blieb von dem Bocke

Nichts als das Zubehör.

GRETCHEN.

Pfui, pfui! Schäm Er sich!

BACULUS.

Ich wäre närrisch ganz und gar.

GRETCHEN.

Ich bin ihm treu auf ewig!

BACULUS.

Bis jetzt noch, das ist wahr.

GRETCHEN.

Ich werd' nach fünfzig Jahren

Ihm auch so treu noch sein.

BACULUS.

Ganz recht, nach fünfzig Jahren,

Da stimm' ich selber ein!

GRETCHEN.

Ich bin ein ehrbar Mädchen!

BACULUS.

Ei, Kind, das weiß ich ja!

GRETCHEN.

Tret Er nicht meiner Treu' zu nah!

BACULUS.

Ei, Kind, das weiß ich, das weiß ich ja!

GRETCHEN.

So darf ich?

BACULUS.

Was denn, Gretchen?

GRETCHEN.

Aufs Schloß?

BACULUS.

Wohin?

GRETCHEN.

Aufs Schloß!

BACULUS.

Nein, du bleibst da!

GRETCHEN.

So empfindlich mich zu kränken

Und so argwöhnisch zu sein!

Wart, das werd' ich Ihm gedenken,

Kann ich niemals Ihm verzeihen.

Nun will Er mich gar bewachen!

Was sie sagten, wird doch wahr:

Glücklich kann mich niemals machen

Solch verliebter alter Narr.

BACULUS.


Kind, ich will dich gar nicht kränken,

Aber klug muß man doch sein,

Niemand wird mir das verdenken,

Freilich siehst du das nicht ein.

Magst du weinen oder lachen,

Deiner Tugend droht Gefahr;

Wollt' ich diese nicht bewachen,

Wär' ich wohl ein ganzer Narr.

GRETCHEN setzt sich, das Gesicht von ihm gewendet, auf eine Bank und schluchzt.

Ich armes, armes Mädchen,

Wie wird es mir ergehn?[18]

BACULUS setzt sich auf die andere Seite zu ihr; sie dreht sich um.

Herzallerliebstes Gretchen,

Versuch's, mich anzusehen.

GRETCHEN.

Ich will nicht!

BACULUS.

Nur ein bißchen!

GRETCHEN.

Ich will nicht!

BACULUS.

So tu es doch,

Dann reich' ich dir ein Küßchen!

GRETCHEN.

Nun ja, das fehlte noch!


Sie steht auf.


Ich kann Ihn nicht mehr leiden,

Er mag fortan mich meiden,

Aus ist es mit uns beiden,

Ich will Ihn nicht mehr sehn.

Aus, aus, aus ist's,

Ich will ihn nicht mehr sehn!

Aus, aus, aus ist's,

Er kann Seiner Wege gehn!

BACULUS.

Wie? Trau' ich meinen Ohren?

Denkst du nicht mehr daran,

Daß Treue du geschworen

Deinem Sebastian?


Sehr gerührt.


Wie kannst du so mein Herz touchieren?

Denkst du daran, als du – noch klein –

Das Abc nicht konnt'st kapieren,

Mit Sanftmut paukt' ich dir es ein.

Früh starben Vater dir und Mutter,

Ich nahm mich der Verwaisten an,

Gab Obdach, Kleidung dir und Futter,

O Gretchen, denkst du noch daran?

O Margarete, denkst du noch daran? –

GRETCHEN besänftigt.

Viel Dank bin ich Ihm schuldig,

Er nahm sich meiner an,

Drum fügt' ich mich geduldig,

Will nehmen Ihn zum Mann.

Nur muß Er mich auch quälen

Mit Eifersucht nicht mehr.

BACULUS.

Was soll ich dir's verhehlen?

Ich liebe dich zu sehr.

GRETCHEN schmeichelnd.

Ich hab' Ihn auch lieb.[19]

BACULUS entzückt.

Mädchen!

GRETCHEN.

Das weiß Er ja!

BACULUS.

Ich bin dem Wahnwitz nah!

GRETCHEN.

So darf ich?

BACULUS.

Was denn, Gretchen?

GRETCHEN.

Aufs Schloß?

BACULUS.

Wohin?

GRETCHEN.

Aufs Schloß!

BACULUS.

Nein, du bleibst da!

GRETCHEN.

So empfindlich mich zu kränken

Und so argwöhnisch zu sein!

Wart, das werd' ich Ihm gedenken,

Kann ich niemals ihm verzeihn.

Nun will Er mich gar bewachen!

Was sie sagten, wird doch wahr:

Glücklich kann mich niemals machen

Solch verliebter alter Narr.

BACULUS.

Kind, ich will dich gar nicht kränken,

Aber klug muß man doch sein;

Niemand wird mir das verdenken,

Freilich siehst du das nicht ein.

Magst du weinen oder lachen,

Deiner Tugend droht Gefahr;

Wollt' ich diese nicht bewachen,

Wär' ich wohl ein ganzer Narr.


Gretchen geht schnell zur Seite ab; Baculus folgt ihr.


Quelle:
Albert Lortzing: Der Wildschütz oder Die Stimme der Natur. Nach Kotzebue frei bearbeitet, Stuttgart 1969, S. 16-20.
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