Sechster Auftritt


[23] Die Vorigen. Gretchen läuft voraus, Baculus hinter ihr her.


GRETCHEN. Laß Er mich in Ruhe; geh Er lieber hinauf zu den Gästen, die werden nicht wissen, wo wir bleiben.

BACULUS. Ja, Grete, aber du gehst mit.

GRETCHEN. Nein, ich bleibe da.

BARONIN. Lieber Mann, wem gehört dies Dorf?

BACULUS kurz. Dem Grafen Eberbach! Zu Grete. Ich sage dir, Grete –

NANETTE zu Gretchen. Ist's noch weit bis dahin?

GRETCHEN kurz. Eine dicke Stunde! Zu Baculus. Ich will aber nicht hinauf.

BARONIN. Ist der Graf zu Hause?

BACULUS wie oben. Weiß nicht! Zu Gretchen. Was sollen die Leute denken?

NANETTE wie oben. Ist der Baron Kronthal schon angekommen?

GRETCHEN wie oben. Weiß nicht! Zu Baculus. Mit rotgeweinten Augen?

BARONIN. Aber, ihr guten Leute, was habt Ihr denn? Vermutlich seid Ihr unzufrieden mit Eurer Tochter?

GRETCHEN. Tochter! Da sieht Er's!

BACULUS. Warum nicht gar Enkel!

NANETTE. Der Mann doch wohl nicht gar? –

BACULUS. Bald, zur Zeit aber noch Bräutigam.

GRETCHEN. Ach, gerechter Gott, ja!

BARONIN. Also ein verliebter Streit?

GRETCHEN. Streit? Ja, aber nicht verliebt.

NANETTE. Ei, worüber denn?

BACULUS. Das geht Ihn nichts an, Mosje Naseweis!

GRETCHEN. Will Er wohl höflich sein gegen fremde Leute? Er ist mir ein sauberer Lehrer.

BARONIN. Der Kleidung nach habe ich wohl die Ehre –

BACULUS. Zu dienen. Ich bin der Schulmeister des Orts.

GRETCHEN. Aber nicht lange mehr.

BACULUS. Was brauchst du denn das fremden Leuten auf die Nase zu binden?

BARONIN. Wie soll ich das verstehen?[23]

BACULUS. Nun sieht Er – aber wer ist Er denn eigentlich?

BARONIN. Ich bin – Student.

BACULUS. Ah so – ein hübsches Kerlchen! Und der andre?

BARONIN. Mein Stubenbursch!

GRETCHEN. Auch ein hübsches Kerlchen!

BACULUS zur Baronin. Wie lange studiert Er denn schon?

BARONIN. Ein Jahr; jetzt reise ich nach Hause.

BACULUS. Wie? Er ist schon fertig?

BARONIN. Allerdings.

BACULUS. Da macht Er eine Ausnahme. Sonst fangen sie nach dem dritten Jahre erst an zu studieren. Er hat mir aber so einen gewissen Ernst in seinem Wesen und kann mir vielleicht einen guten Rat erteilen; also, wie schon erwähnt, ich bin Schulmeister.

GRETCHEN. Schießt aber auch Böcke.

BACULUS mit einem gewichtigen Blick. Du sei ganz stille. Und da hatte ich denn das Unglück, im Tiergarten des Herrn Grafen einen Rehbock zu schießen.

GRETCHEN. Und da ist der Graf böse geworden, und will ihn vom Amte jagen.

BACULUS. So laß mich doch –

GRETCHEN. Und da muß nun auf ein Mittel gedacht werden, den Herrn Grafen zu versöhnen.

BACULUS. Und da dachten wir eben –

GRETCHEN. Ja, prosit, nichts dachten wir. Der Herr Graf sieht nämlich die jungen hübschen Mädchen gern –

BACULUS. Das heißt –

GRETCHEN. Ach, so laß Er mich doch reden! Weil nun die Leute sagen, ich wäre jung und hübsch –

NANETTE. Da haben die Leute recht.

BACULUS. Stubenbursch, schweige!

GRETCHEN. So waren wir übereingekommen, ich sollte aufs Schloß gehen und den gnädigen Herrn um Verzeihung bitten; mir schlüge er gewiß nichts ab.

BACULUS. Weißt du das schon so gewiß?

GRETCHEN. Nun will er aber nicht, weil er eifersüchtig ist.[24]

BARONIN. Hat denn der Graf Eurer Braut schon nachgestellt?

BACULUS. Ei, er kennt sie noch gar nicht; wenn er sie aber sieht, wird die Sache gleich in Ordnung sein; er hat ein entzündbares Herz.

BARONIN für sich. Mein Bruder steht in einem saubern Renommee.

BACULUS. Also muß auf andere Weise Rat geschafft werden.

BARONIN UND GRETCHEN. Aber wie?

BACULUS. Ich werde mich an die Frau Gräfin wenden, die soll viel über den Herrn vermögen.

GRETCHEN. Die Frau Gräfin mischt sich nicht in dem Herrn seine Angelegenheiten.


Baculus und Gretchen debattieren leise.


BARONIN. Nanette! Leise zu ihr. Ich habe einen köstlichen Einfall. Du hast recht, die Männerkleider möchten doch Verdacht erregen.

NANETTE. Nun also?

BARONIN. Gleich sollst du meinen Entschluß hören.


Nr. 4. Quartett


BARONIN.

Was meint Ihr, lieber Freund,

Sollt' es mir wohl gelingen,

Das Aussehen eines hübschen jungen

Mädchens zu erringen?

BACULUS UND GRETCHEN.

Ei nun, warum denn nicht?

Er hat ein glatt' Gesicht.

BARONIN.

Nun, Leutchen, wißt ihr was?

Gebt mir ein Frauenkleid,

Wir machen uns den Spaß

Und gehn aufs Schloß noch heut.

Da Ihr dem gnäd'gen Herrn

Nicht ganz besonders traut,

So gebet mich dort aus

Für Gretchen, Eure Braut.

Ein Bräut'gam ohne Brot,

Das wär' ja ewig schade.

Ich helf' Euch aus der Not

Und bitt' für Euch um Gnade.[25]

BACULUS UND GRETCHEN.

Ein toller Einfall ist es zwar,


Doch kann er Nutzen bringen;

So ein Student, es bleibet wahr,

Weiß Rat in allen Dingen.

Doch wenn der Spaß mißlingt,

Dann steht es schlimm, es bringt

Uns desto größern Schaden!

Doch Mut gefaßt!

Hoffentlich glückt der Spaß;

Morgen sind wir / bin ich vielleicht schon geborgen,

Hoffentlich glückt der Spaß!

BARONIN.

Ein toller Einfall ist es zwar,

Doch kann er Nutzen bringen;

Vielleicht kann selber ich sogar

Mir Vorteil auch erringen.

Wenn auch der Spaß mißlingt,

Was liegt daran, es bringt

Mein Ansehn ihm nicht Schaden,

Drum Mut gefaßt!

Hoffentlich glückt der Spaß;

Morgen seid ihr vielleicht schon geborgen.

Hoffentlich glückt der Spaß!

NANETTE.

Ein toller Einfall ist es zwar,

Doch kann er Nutzen bringen;

Die gnäd'ge Frau, es bleibet wahr,


Weiß Rat in allen Dingen.

Wenn auch der Spaß mißlingt,

Was liegt daran, es bringt

Ihr Ansehn ihm nicht Schaden.

Drum Mut gefaßt!

Hoffentlich glückt der Spaß;

Morgen ist er vielleicht schon geborgen.

Hoffentlich glückt der Spaß!

BACULUS.

Nun, Grete, schnell hinein

Und hole Deinen Staat.

GRETCHEN.

Sogleich. Ich geh' doch mit?

BACULUS.

Ja, du wärst gleich parat;

Das geht nicht.[26]

GRETCHEN.

Ei, warum nicht?

Soll ich alleine bleiben?

BARONIN.

Sie kann mit meinem Freunde

Sich ja die Zeit vertreiben.

BACULUS.

Den Teufel auch! Gelegenheit macht Diebe!

GRETCHEN.

Er sieht so fromm, tu Er mir das zuliebe!

BACULUS.

Fromm hin, fromm her!

NANETTE.

Ihr zweifelt?

BARONIN.

Ihr wollt nicht? Meinetwegen,

So unterbleibt es.


Sie will gehen.


BACULUS.

Nun ja doch, habe nichts dagegen.

GRETCHEN zur Baronin.

So gehe ich hinein,

Hol ihm 'nen Anzug schmuck und fein.

BACULUS.

So geh hinein! So geh hinein!


Gretchen ab ins Haus.


BACULUS zu Nanette.

Pst! Herr Stubenbursch, ich will Ihm etwas sagen!

Wenn Er es mir verspricht, recht brav sich zu betragen,

Wenn Er mir das verspricht,

So geb' ich, daß die Zeit nicht lang Ihm wird,

So'n siebzig Schreibebücher, die Er korrigiert;

Da kann Er sich ein Weilchen amüsieren.


Für sich.


Die Grete sperr' ich ein, darauf kann sie parieren.

GRETCHEN mit dem Anzuge.

Da bin ich.

BACULUS.

Junger Herr, nun komm Er, folg er mir,

Ich kleid' Ihn an.

BARONIN.

Ich bitte, bleib Er nur ruhig hier;

Das tue ich allein, ich bin darin sehr eigen.

GRETCHEN.

So will ich Ihm die Oberstube zeigen.

BACULUS.

Warum nicht gar, das wird durch mich geschehn.

GRETCHEN.

Ich freu' mich drauf, als Mädchen Ihn zu sehn.

BACULUS UND GRETCHEN.

Ein toller Einfall ist es zwar

Doch kann er Nutzen bringen;

So ein Student, es bleibet wahr,

Weiß Rat in allen Dingen.

Doch wenn der Spaß mißlingt,[27]

Dann steht es schlimm, es bringt

Uns desto größern Schaden!

Doch Mut gefaßt!

Hoffentlich glückt der Spaß;

Morgen bin ich / sind wir vielleicht schon geborgen,


Hoffentlich glückt der Spaß!

BARONIN.

Ein toller Einfall ist es zwar,

Doch kann er Nutzen bringen;

Vielleicht kann selber ich sogar

Mir Vorteil auch erringen.

Wenn auch der Spaß mißlingt,

Was liegt daran, es bringt

Mein Ansehn ihm nicht Schaden.

Drum Mut gefaßt!

Hoffentlich glückt der Spaß;

Morgen seid ihr vielleicht schon geborgen.

Hoffentlich glückt der Spaß!

NANETTE.

Ein toller Einfall ist es zwar,

Doch kann er Nutzen bringen;

Die gnäd'ge Frau, es bleibet wahr,

Weiß Rat in allen Dingen.

Wenn auch der Spaß mißlingt,

Was liegt daran, es bringt

Ihr Ansehn ihm nicht Schaden.

Drum Mut gefaßt!

Hoffentlich glückt der Spaß;

Morgen ist er vielleicht schon geborgen.

Hoffentlich glückt der Spaß!


Baronin mit den Kleidern ins Haus ab.


Baculus folgt ihr.


Quelle:
Albert Lortzing: Der Wildschütz oder Die Stimme der Natur. Nach Kotzebue frei bearbeitet, Stuttgart 1969, S. 23-28.
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