Scena V.

[98] Christophorus, Satan, Athanatus, Rapax.


SATAN.

Nun schicket euch zum handel fein,

hie wil der kram von nöten sein.

die drei knecht seind zu schand gemacht,

ir heiligkeit er nichtes acht.

ein ander zil wil ich im stecken,

ob ich in dadurch könt abschrecken.

du, Rapax, bald heraußer such

mein tintfaß und das schwarze buch.

ich hab noch einzuschreiben mer.

Athanate, trit erstlich her

und deine kunst versuch an den,

welchen du sihst dort einher gen.

CHRISTOPHORUS.

Diß waren rechte teufels knecht,

die Gottes wort nicht füren recht,

und predign nur von eigen werk.

ich bit, o herr, mein glauben sterk

durch deines heilign geistes kraft,

das keiner ja an mir nichts schafft

mit seiner falschen ler und wan.

leit du mich her auf rechter ban.

ATHANATUS.

Woher so trotzig? schnaubstu noch?

ich wil dir zeign ein ander loch,

daran du hast gedacht noch nie;

wirst nun nicht lang mer leben hie.

ich bin der tot, sih mich recht an,

der dir den hals zerbrechen kan.

CHRISTOPHORUS.

Ei, ist doch sterben mein gewin!

nimstu mir schon das leben hin,[99]

die sel kanstu mir nemen nicht;

dann also mein herr Christus spricht:

wer an mich gleubet, wird nicht sterben,

sondern das ewig leben erben.

was sol ich mich dann fürchten nun?

ich weiß, du kanst mir gar nichts tun;

dann im propheten stet also:

du tot, wo ist dein stachel, wo,

den dir auch Christus hat genomen?

darfst damit nicht mer zu mir komen.

ATHANATUS.

Verleßt du dich darauf so gar?

wer weiß noch, ob es als sei war,

was die propheten han geschriben?

ist vil ding unterwegen bliben

und nicht geschehn, was sie vermeldt.

zu mir gehört die ganze welt.

gedenk, das ich zu fürchten sei.

ist keiner vor dem tode frei;

dann Christus gleich so wol als du

hat sterben müßen, schau nu zu.

CHRISTOPHORUS.

Ich weiß wol, das er ist gestorben,

dadurch er uns das lebn erworben

und dir genommen alle macht;

darumb ich deiner gar nichts acht.

du giltst nicht mer, ist mit dir aus,

darfst weiter haben keinen strauß.

RAPAX.

Ho, lieber christ, es hat kein not,

darfst gar nicht schrecken vor dem tot!

dann du bist heilig und gerecht

und gar nicht mer der sünden knecht.

durch deine werk, die du getan,

hastu verdient den himmel schon.[100]

sei frölich und gar wol zu mut,

das gsetz dir warlich gar nichts tut;

dann es allein dieselben straft,

welche mit sünden seind behaft.

du aber bist gerecht und frum,

derhalben darfst nichts geben drumb.

darzu kan dir kein teufel schaden,

weil du stets bleibst in Gottes gnaden

und tust auf erden keine sünd,

die dir ein schaden bringen künd.

CHRISTOPHORUS.

Du kanst die sachen herrlich schmücken!

vermeinst, ich merke nicht dein tücken.

pack dich mit deinem falschen schein!

es kan kein mensch on sünden sein.

er sei so heilig, als er wil,

dennoch er teglich sündigt vil.

durch eigen werken kan niemant

vor Got werden gerecht erkant.

allein wer gleubt an Jesum Christ,

vor Got gerecht und selig ist.

der hat bezalt, was wir verschuldt,

und uns erworbn des vaters huld.

wer baut auf eigen heiligkeit,

der ist verdammt in ewigkeit

und hat an Christi reich kein teil,

der uns erworbn das ewig heil,

welchs ich verhoff auch zu bekommen

mit allen gotseligen frommen.

zeuch hin, du rechte teufels art,

den werkheilign dise fart

und brauch bei inen deine kunst,

die hie gewesen ist umbsunst.

SATAN helt das buch und tintfaß.

Umbsunst kom ich jetzunt nicht hrein.

ich weiß nicht anders, du bist mein,[101]

darzu vil menschen one zal.

hie hab ich eure sünde al

geschriben in diß schwarze buch,

und wann ich hin und wider such,

ist niemands im register mer

als deine sünd so groß und schwer,

die du teglich auf dich geladen,

das bu komst nimmermer zu gnaden.

ergib dich mir nur ganz und gar,

du bist verdammt mit haut und har.

CHRISTOPHORUS.

Ho, durchs verdienst des herren Christ

mir alle sünd vergeben ist.

SATAN.

Bißher ists allzeit so geschehn,

das Got der vater nie gesehn

der menschen sünde, sondern sein

von Jesu Christ verhelet fein,

und Got der vater gar nicht weiß,

das ir so sündigt all mit fleiß.

nun wil ichs selber bringen für,

damit er doch mög gleuben mir

und geb euch all in mein gewalt,

das ich euch strafe manigfalt

und für euch semtlich zu der hellen,

zu Lucifer und mein gesellen.

und sonderlich du bist der best,

den ich so lang und wol gemest.


Und get mit seinem register nach dem tron.


Quelle:
Schauspiele aus dem sechzehnten Jahrhundert. Leipzig 1868, S. 98-102.
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