Scena II.

[110] Jesus Christus, Christophorus, Nestor, Franciscus, Vincentius, Lucifer.


JESUS CHRISTUS.

So kommet her all miteinander balt!

eur ganzes lon ir hie empfangen solt.

ir benedeiten tretet erstlich her

zu meiner rechten, ist mein ernst beger,

und erbet mein reich, welchs euch ist bereit

von anfang der welt biß in ewigkeit.

dann ich von hunger und durst war ser mat,

ir aber trenkt und machet mich gar sat:

als ich auch müd war und ein fremder gast,

herbergt ir mich und halft nur von der last.

als ich war in der welt gar bloß und nackt,

habt ir mit kleidern gnugsam mich bedackt.

ich hin gewesen auch ser schwach und krank,

darzu gefangen hart mit großem drang,

und als ir solches habt von mir vernommen,

seid ir, mich zu besuchen, zu mir kommen.

dafür ir erben solt mein ewigs reich

mit meinen lieben engeln allzugleich.

CHRISTOPHORUS.

Ach herr, wann han wir dich gesehn

arm, nackt und krank auf erden gen?

oder wann bistu hungerig

gewest, und wir gespeiset dich?

wann han wir dich doch je getrenkt?

solchs unser keiner nicht gedenkt.[110]

wann bistu kommen als ein gast

und guts von uns empfangen hast?

wann han wir dich gesehn gefangen

und seind, zu besuchen, zu dir gangen?

wir wißen nichts, das wir gethan

an dir, wie du gezeiget an.

JESUS CHRISTUS.

Ich sag euch warlich, warlich und fürwar,

das ir verbracht solchs an mir ganz und gar,

was ich euch semtlich hie gezeiget an.

dann was ir dem geringsten habt getan

in meinem namen, das ist mir beweist.

habt ir je einen armen man gespeist,

getrenkt, gekleidet, der gegleubt an mich,

das habt ir mir getan, gleubt sicherlich.

dafür ich euch alhie bei mir wil gebn

semtlich das ewig freudenreiche leben.


Helt ein weil still mit reden.


Und ir verfluchten zu der linken hant,

get hin von mir ins ewig feur allsant,

welchs dem teufel und den engeln sein

bereitet ist zu einer ewign pein!

dann ich bin hungerig gewesen ser,

ir habt mich nicht gespeiset; ja, noch mer,

ich bin von großem durst schier ganz verschmacht,

und ir habt mir nit ein trunk waßer bracht.

ich bin ein gast gewesen auch bei euch,

ir aber truget für mir alle scheuch,

versagt mir herberg, wolt mich nicht aufnemen;

darumb ich mich euer mag billich schemen.

ich bin auch nackt gewesen zu der zeit,

und ir habt mich damals gar nit bekleidt;

ich bin gewesen krank, gefangen, schwach,

welchs euch doch alles nie erbarmet noch.

ir seid nie komen und habt mich besucht,

derhalben solt ir alle sein verflucht![111]

NESTOR.

Herr, herr, wann haben wir dann dich

auf erd gesehn elendiglich,

durstig und hungrig oder krank,

und nicht gebracht dir speis und trank?

wann bistu dann je zu uns kommen,

do wir dich nicht hettn aufgenommen?

wann haben wir dich nackt gesehn

und bloß bei uns auf erden gen,

oder gefangen in der welt,

wie nacheinander hie vermeldt,

und hetten nicht gedienet dir?

wir bitten dein göttliche zier,

du wollest uns entschüldigt haben

und auch mit deinem reich begaben.

JESUS CHRISTUS.

Warlich, warlich zeig ich euch an,

was ir nicht einem habt getan

unter den geringsten, das habt ir

zum wenigsten getan auch mir!

so habt ir mich noch nie erkant

für euern einigen heilant,

kein rechte lieb zu mir getragn,

mein wort ganz in den wind geschlagn,

für all woltat, so ich euch schankt,

habt ir mir warlich nie gedankt,

noch dieselben genießen lan

den trostlosen nottürftign man,

der euer hülf bedorft und trost;

derhalben euer ausred laßt.

hie werbt ir nichts, es ist verlorn,

hab ichs euch doch gesagt zuvorn;

ins teufels reich gehöret ir,

da hilft nun gar kein bitten für.

FRANCISCUS.

O herr, wiltu nu gar vergeßen,

das ich gehalten so vil messen,[112]

und stets gelebt in harten orden,

umbs himmelreich ein münnich worden

und fest gehalten dein gebot,

auf erd gelitten große not,

auch keine regel nie gebrochen,

gefastet zweimal in der wochen,

vigili und horas gesungen?

und sol nun werden abgedrungen

von deinem reich? bedenk es recht,

verstoß doch nicht mich armen knecht,

und laß desselben mich genießen.

VINCENTIUS.

Ach herr, wirst uns ja nicht ausschließen,

die wir auf erden alle tag

gehabt so große mü und plag,

umb deinet wegen vil getan,

wie hie Franciscus zeiget an.

gesungen stets bei tag und nacht,

dadurch selig zu werdn gedacht.

darzu han wir in Heiligkeit,

mein herr, gelebet allezeit.

uns abgesondert von der welt,

dein kirchenampt recht wol bestellt,

gefirmt, geölet und dergleichen

die großen, kleinen, arm und reichen.

NESTOR.

Herr, han wir nicht in deinem namen

vil ding geweissagt allesamen?

han wir nicht teufel ausgetriben,

vil messbücher darzu geschriben,

Antiphon, Responsoria,

die man gebrauchet anderswa?

han wir in deinem namen nicht

groß und vil wunder ausgericht,

all heiligtum recht vol verwart

und durchaus keinen fleiß gespart?[113]

o herr, bedenk es wol und ebn,

und gib uns auch das ewig lebn.

JESUS CHRISTUS.

Schweigt still, ich hab euch nie erkant.

ir habt geleret menschen tant

und vil abgötterei auf erden

getriben und wolt dadurch werden

selig, und nie gegleubt an mich.

ir seid verdammet ewiglich.

LUCIFER.

O zeter, immer ach und weh

schrei ich über disen haufen hie,

die iren heilant, Jesum Christ,

der in zu gut mensch worden ist,

nicht haben wollen recht erkennen,

sondern sich laßen von ihm trennen.

ach, ach, wer Jesus, Gottes son,

geschicket aus des himmels tron

zu uns, die wir seind ganz verlorn,

und wer ein engelein geborn

mir und all mein geselln zu trost,

dadurch wir weren worden erlost,

ach, ach, wie wollen wir so gern

han angenomen disen herrn

und from sein worden all zugleich!

nun schrei ich zeter über euch,

das ir euch nicht gehalten fest

an euern herren Jesum Christ,

der allen menschen ist zu gut

ein mensch geboren und sein blut

vergoßen an des kreuzes stam.

verflucht solt ir nun sein zusam

mit uns und leiden ewig qual

on unterlaß in unserm sal.

nun schreiet, alle teufel hie:

o zeter, zeter, ach und we!


Da schreien die teufel all zugleich zeter, ach und we.

[114] Und die verdammten schreien durch einander.


Herr, herr, herr, herr, etc.

JESUS CHRISTUS.

Ich kenn euch nicht, weicht von mir schnell,

ir übelteter gehört zur hell.

ir teufel, nemt sie alle hin,

seind euer beut und ganz gewin.

schweigt still und machet nur kein wort;

hie wird nun keiner mer gehort.

nur immer hin zur hellen grunt,

daraus ir nimmer komen kunt.

LUCIFER.

Nun greifet an und laßt uns laufen,

das wir hinbringen unsern haufen.


Da schleppen die teufel einen nach den andern hin zur hellen, die immer ach und we schreien, heulen und weinen.


Quelle:
Schauspiele aus dem sechzehnten Jahrhundert. Leipzig 1868, S. 110-115.
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