Dritter Auftritt.

[10] Herr Muffel, hat eine Schürze vor, und in derselben Salat, und andre Gartenfrüchte. Cathrine.


MUFFEL. Warum seyd ihr nicht in der Küche bey eurem Berufe, Cathrine?

CATHRINE. Ich habe hier auf Sie gewartet, Herr Pastor!

MUFFEL. Müßiggang macht faule, unnütze Bäuche.[10]

CATHRINE. Davon ist mir mein Fett nicht gewachsen.

MUFFEL. Wenn uns der Satan ausser dem Beruf antrift, so hat er noch einmal so viel Macht über unsre Seelen, als sonsten.

CATHRINE. So sind sie auch wohl nicht in ihrem Berufe gewesen, als sie mich – – –

MUFFEL. Unsre müssige Augen verführet er alsdenn, daß sie nach fremden Greueln sehen.

CATHRINE. Haben sie auch damals fremde Greuel gesehen, Herr Pastor, als sie – – –

MUFFEL. Unsre Ohren öfnet er den Lockungen der Unzucht und der Buhler.

CATHRINE. So hat mir der Satan damals die Ohren geöfnet, als sie in meiner Kammer – – –

MUFFEL. Der Satan will euch – – doch davon wollen wir ein andermal weiter sprechen. Ich habe eben jetzo Salat im Garten geschnitten. Ihr wißt, daß ich ihn allemal selbst schneide, damit ich keinen mit einem unrechten Verdachte beleidigen darf, wann etwa einmal etwas davon gestolen würde. Geht in die Küche, verleset ihn sauber, und macht ihn hübsch sauer und fett, und beflecket euer Gewissen nicht mit einem Gerichte für euch und Petern.

CATHRINE. Das Baumöl möchte mir wohl einen Fleck in die Schürze bringen, aber ins Gewissen glaub ich schwerlich.

MUFFEL. Glaubt, daß euch die gestohlne Bissen nicht gedeien.


Will abgehen.
[11]

CATHRINE für sich. Und er ist doch selbst so fett davon geworden. Zu Muffeln. Hören sie mich doch auf ein Wort, Herr Pastor.

MUFFEL. Nun, was habt ihr denn? haltet mich nicht lange auf; die Fremden sind unter Wegens, ich muß noch auf den Bewillkommungsgruß studiren, denn er muß geistlich seyn.

CATHRINE. Denken sie nicht mehr an die Abendbetstunden, die sie eine Woche lang mit mir gehalten haben? und sonderlich an die lezte darunter?

MUFFEL. O ja mein Kind! wir wollen auch ehstens damit fortfahren. Für sich. Die lezte Betstunde muß dem Mädgen doch wohlgefallen haben.


Will abgehen.


CATHRINE. Bleiben sie doch noch! wissen sie nicht mehr, was unter uns vorgegangen ist, als sie hinuntergehen wollten, und an mein Bette kamen?

MUFFEL bedenkt sich. Hum! ist mir vielleicht eine sonderbare geistliche Betrachtung dabey eingefallen? – –

CATHRINE. O nein! – –

MUFFEL. Und wollt ihr dieselbe gern in Uebung bringen?

CATHRINE. Ach nein! sie haben mir – – –

MUFFEL. Einen geistlichen Kraft- und Denkspruch mit zu Bette gegeben?

CATHRINE. Nein sag ich, sie haben sich auf demselben niedergesetzt. – –

MUFFEL. Und – –?[12]

CATHRINE. Und mich zu sich gerufen.

MUFFEL. Und – –?

CATHRINE. Und wann sie sonst nichts mehr von der ganzen Historie wissen wollen, so werden sie doch noch wissen, daß sie wieder da von aufgestanden sind, und daß sie ganz anders wieder aufgestanden sind, als sie sich hingesetzt haben, und daß sie mich – – –

MUFFEL. Cathrine!

CATHRINE. In einem ganz andern Zustande gelassen haben, als sie mich auf meiner Kammer vor der Betstunde angetroffen hatten.

MUFFEL. Cathrine! arme Cathrine! der Satan hat euch erschrecklich verblendet. Da werdet ihr euch mit unreinen Gedanken zu Bette gelegt haben, da hat euch denn der Satan einen bösen Traum eingegeben, und weil er uns Geistlichen, als seinen grösten Feinden, allen ersinnlichen Schimpf und Tort anzuthun sucht, so hat er mich zu dieser Unzucht als ein unschuldiges Werkzeug gebrauchen wollen, und mich euch deswegen im Traume so natürlich vorgestellt, daß ihr alles empfunden habt, was ihr hättet empfinden müssen, wann ich in leibhaftiger Gestalt bey euch gewesen wäre. Für sich. Das muß sie wohl glauben.

CATHRINE. Das war eine rechte Postillenmässige Auslegung meines Textes, Herr Pastor. Nach meiner Art zu denken sind so wohl die Verblendung als der Traum ein blosses Nichts; wie hat nun daraus ein gewisses[13] Etwas werden können, welches ihnen vielleicht ganz ähnlich sehen wird.

MUFFEL. Was? zum Henker Cathrine, wie habt ihr euch so übel vorgesehn, daß ein Etwas draus geworden ist? So stark kan doch auch keine Verblendung werden. Hum! hum! – – Ich muß doch auch wohl dabey gewesen seyn.

CATHRINE. Das muß ich am besten wissen.

MUFFEL. Es ist doch mit allem dem ein vertrackter Streich! ich hab es eben so böse nicht gemeinet. Denn das werdet ihr doch wohl meinem Amte zutrauen, daß ich es nicht werde aus unheiligen Absichten gethan haben. Ich that es nur blos, meinem Fleische wehe zu thun, damit ich nicht in größre Sünden gestürzet würde. Aber der Teufel hat alle meine gute Absichten verkehret, und hat euch dadurch zu Falle kommen lassen.

CATHRINE. Ja, ja, der Teufel hat alles gethan. Er müste nicht die geringste Erkenntlichkeit besitzen, wann er den Geistlichen so feind wäre. Denn, glauben Sie mir, man würde seiner gar nicht auf Erden gedenken, man würde seinen Nahmen kaum wissen, denn man würde sich dazu die Mühe nicht nehmen, er würde nicht die Ehre haben, an so vielem Unglücke und an so vielen Bosheiten schuld zu seyn, wann sich die Geistlichen nicht recht darauf übten, ihn ihren Gemeinden bey aller Gelegenheit abzumahlen,[14] und wann sie ihn nicht zu einem mächtigen Tyrannen der Menschen, und zu einem Leibpächter aller Bosheiten machten. Der Teufel ist bey den Geistlichen ein rechter Eulenspiegel. Wann unsre Knechte sechs Pfennige in der Carte verliehren, so ist er gewiß dabey gewesen, und hat dem Verspieler zu dem Verluste verholfen.

MUFFEL. Ums Himmels willen, Cathrine, wer hat eure arme Seele mit solcher Vernunftsseuche angesteckt.

CATHRINE. Ich kan es der Frau von Birkenhayn Tochter nicht genug verdanken, daß sie mich, als ich vor einigen Jahren bey ihrer Frau Mama diente, ein wenig klug gemacht hat.

MUFFEL. Ein Teufelskind hat sie aus euch gemacht. Ihr gute Cathrine! ach eure blinde, unschuldige Seele! die jammert mich. Doch wir haben jetzt etwas wichtigers zu bedenken, sagt mir nur, wie wir mit Ehren aus unserm Handel kommen?

CATHRINE. Ja Herr, ich weiß keinen andern Rath, als daß wir je eher, je lieber, Hochzeit miteinander machen.

MUFFEL. Nein Cathrine, nein, ihr würdet euch nicht in den geistlichen Stand schicken.

CATHRINE. Mir dünkt, die Frau Pastorin sollte mich so gut kleiden, als sie der Herr Pastor. Ueberdem werden die Priesterfrauen doch wohl nicht auch auf die Universität ziehen[15] müssen. Oder bringen die Prediger ihre Frauen von der Universität mit herunter?

MUFFEL. Die Bauren würden nicht die gehörige Ehrerbietigkeit vor euch haben, die sie vor einer Priesterfrau haben müssen. Hört, Cathrine! ich will euch eures gleichen zum Manne geben, ich will euch die Hochzeit ausrichten, und noch dazu 100. Rthlr. zum Brautschatze schenken. Seyd ihr damit nicht zufrieden?

CATHRINE. O ja, das ist mir zehnmal lieber, als Sie, und ihr geistlicher Stand. Denn haben sie mir erst den Korb gegeben, so geb ich ihn Ihnen hiermit wieder. Wenn Sie aber ja jemanden dis Glück gönnen wollen, so muß es Peter seyn. Denn wir haben uns schon seit einiger Zeit her gegeneinander so angestellet, als wann wir mit der Zeit ein Brautpaar werden wollten.

MUFFEL. Da kommt er eben gelaufen, was muß er wollen?


Quelle:
Johann Christian Krüger: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt und Leipzig 1743, S. 10-16.
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