Erster Auftritt.

[82] Brigitte, Peter.


BRIGITTE klopft inwendig.

PETER. Wann ich wüste, daß ein studirter Bettler draussen wäre, so wollt ich ihn bis Morgen früh anklopfen lassen. Ich weiß nicht, was die Thoren dazu bewegt, daß sie darum auf die Universität ziehen, damit sie hernach vor den Thüren der Dorfpriester ihr Brod betteln können – – –

BRIGITTE klopft noch einmahl.

PETER. Der Herr verziehe noch ein wenig, es ist mir noch nicht gelegen. Ich dachte sonst, die Narren studirten nur auf einen Priester, oder Advocaten, oder Docktor, aber, wie ich nun bey meinem Herrn aus der Erfahrung gelernt habe, so müssen sie auch auf einen Vaganten studiren, denn so nennt mein Herr die gestudirten Bettler – – –

BRIGITTE klopft recht stark.

PETER. Der Kerl muß sehr hungrig seyn, ich muß ihm nur aufmachen, ehe er mir die Thüre einschlägt.


Geht hin und macht auf.


BRIGITTE. Gott grüsse euch, mein Freund.[82]

PETER für sich. Nein, es ist doch kein Vagant, wie ich dachte. Vielleicht ist es aber eine Vagantin die Kerls wenden auch wohl Frauen haben, wie andre Menschen.

BRIGITTE. Ist dieses nicht des wohlehrwürdigen und hochgelahrten Herrn, Herrn Pastor Muffels, Behausung?

PETER für sich. Sie spricht schon in dem Bettlerthone, das hör ich an dem Titul. Zu ihr. Nein, dis Haus gehört zur Pfarre. Der wohlehrwürdige und hochgelahrte Herr, Herr Pastor Muffel, hat im Dorfe kein eigenes.

BRIGITTE. Ihro Wohlehrwürden wohnen doch aber hier?

PETER. Ja, mit Leib und Seele, und mit seinem treufleissigen Hausknechte Petern, das bin ich, und mit der weiland gewesenen Jungfer, Jungfer Cathrine, seiner Haushälterin.

BRIGITTE. Also bestehet seine ganze Haushaltung nur aus drey Personen?

PETER. Nein, aus vieren. Ich bin eine Person, mein Herr ist auch eine, aber Cathrinen muß ich gewisser Ursachen wegen für zwey Personen rechnen. Aber, mit Erlaubniß, wollen sie etwan einen Zehrpfenning von meinem Herrn auf die Wanderschaft, oder haben sie vielleicht den morgenden Kirchmeßbraten gerochen?

BRIGITTE. Ey! ihr ungeschliffner Flegel, meynt ihr, daß ihr eine gemeine Küsterfrau oder[83] eine Landstreicherin vor euch habt? denkt ihr, daß ich auf die Kirchmeß betteln gehe? Ich bin eine ehrliche, brave Conrecktorwittwe, und muß in acht Tagen eine Priesterfrau seyn.

PETER. Nicht so böse, Frau Conrecktorwittwe! ich habe allen Respeckt vor ihnen, ich wuste nicht, daß sie so hoch titulirt sind. Sagen sie mir nur in der Güte, wie man sie nennen muß, man kan einem ja seinen Titul nicht gleich an der Stirne lesen.

BRIGITTE. Jetzo heisse ich noch die Frau Conrecktorin, und das mit Recht. Denn es hat mir 400. Rthlr. an Präsenten gekostet, als mein seliger Eheliebster das Subconrecktorat mit dem Conrecktorate verwechselte. Ja ich habe noch überdem bey den Patronen der Schule manche bittre Thränen vergiessen müssen, ehe mein Mann durchdringen konnte.

PETER. Ist denn ein Conrecktor eine so grosse Creatur, daß sie ihren sel. Eheliebsten mit 400. Rthlrn. und mit ihren milden Zähren dazu verhelfen müssen?

BRIGITTE. Allerdings. Ueberdem wollte mein Mann nicht länger den kleinen Jungen die Knipgen mit dem Lineale auszahlen, und ich wollte gern Frau Conrecktorin heissen.

PETER. Was sind sie denn nun aber geworden? sind sie eine Excellenz, oder eine gnädige Frau, oder – – –[84]

BRIGITTE. Die Frau Conrecktorin schlechtweg, das ist mehr, als Excellenzen und gnädige Frauen.

PETER. Aber, Frau Conrecktorin schlechtweg, wollen sie hineingehen, oder soll ich meinen Herrn herausrufen?

BRIGITTE. Nein, den will ich eben nicht sprechen. Ich habe gehört, daß mein künftiger Herr Eheliebster, der wohlehrwürdige und hochgelahrte Herr, Herr Pastor Tempelstolz, hier seyn soll.

PETER. Er ist zwar hier, aber nicht als ihr künftiger Herr Eheliebster, sondern als der Fräulein Wilhelmine von Birkenhayn Bräutigam.

BRIGITTE. Was sagt ihr? was? was hat der Betrüger? sich schon eine Braut angeschaft? der Heuchler! ich will ihm lehren was er nicht weiß. Der Spitzbube! hier bring ichs ihm vom Consistorio, daß er mich heyrathen muß. Der Landstreicher! Ich will gleich hinein, ich will ihm die Augen auskratzen. Weil er macht, daß mir die Galle aufsteigen muß, so soll er sie auch recht bitter schmecken. Ich bin der Teufel selbst, wenn ich anfange; Laßt mich hinein – – –


Will hineingehen.


PETER. Ich will ihn lieber herausrufen, damit sie wenigstens alleine mit ihm seyn, wenn sie ihm die Augen auskratzen, er möchte sich schämen, wenn sie es vor allen Leuten thäten, die drinnen sind.[85]

BRIGITTE redt gegen die Thüre. Du unverschämter Betrüger, du Heuchler! wenn ich nicht in der Welt gewesen wäre, so sässest du noch in der Armenschule, und fastetest alle Tage einmahl, war ich dazumal nur gut genug, als du mir mein Geld ablogest? muß es nun ein Fräulein seyn, nun ich dich zum Brode verholfen. – –


Quelle:
Johann Christian Krüger: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt und Leipzig 1743, S. 82-86.
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