223. Untergegangenes Schloß im Güß.

Mündlich aus Steina.

[200] Bei Herzberg liegt ein Teich, der heißt der Güß, in dem ist vor langen Jahren ein Schloß untergegangen und das ist schon so lange her, daß es die Herzberger gar nicht mehr recht glauben wollten, drum haben sie einmal einem[200] Taucher vieles Geld geboten, er solle doch hinuntersteigen und zusehen, ob es wahr sei. Der hat's auch gethan und als er unten ankömmt, steht da ein prächtiges Schloß mit einer großen Thür, das ist gar herrlich anzuschauen; da ist er denn wieder heraufgestiegen und hat alles erzählt, und da haben sie ihn gebeten, er möge doch noch einmal hinuntersteigen und in das Schloß hineingehn, damit er ihnen erzählen könne, wie es darin aussehe. Auch das hat er gethan, ist wieder hinabgesprungen, ins Schloß gegangen und hat eine wunderschöne Prinzeßin mit einem großen Schlüßelbund an der Seite darin sitzen sehn. Als er darauf wieder heraufgekommen und alles erzählt, hat man gar sehr in ihn gedrungen, er solle noch zum drittenmale hinuntersteigen und ein Wahrzeichen mit heraufbringen, aber das hat er nicht gewollt; endlich jedoch haben sie ihm vieles vieles Geld geboten, wenn er es thäte, und da hat er sich doch bethören laßen und ist zum drittenmale hinabgestiegen. Aber er ist nicht wieder heraufgekommen, sondern statt seiner ist an der Stelle, wo er hinabgetaucht, ein großer Blutstrahl emporgequollen.

Quelle:
Adalbert Kuhn / W. Schwartz: Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg, Pommern, der Mark, Sachsen, Thüringen, Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Westfalen. Leipzig 1848, S. 200-201.
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