[5] Kulican, und sein Feld-herz Mortong, nebst etlichen Buben, welche tartarische Soldaten vorstellen, alle haben die blosse Säbel in der Hand.
KULICAN.
Hört nur zu morden auf, genug ist Blut vergossen,
Was noch von Feinden da, sind für uns Kinder-possen.[5]
So hast du Kulican, auch dieses Reich bekriegt,
Nu! Nu! so gehts schon an, das heiß ich recht gesiegt;
Ich kan als Sieger jetzt auf tausend Leichen gehen,
Zeigt auf die 2. todte Buben.
Der Wahl-platz ist bedeckt, man kan darauf nicht stehen,
Hier ligt des Cyrus Macht, hier schwimmt der Perser Blut,
Gebt mirs zu sauffen her, zu kühlen meine Wut.
Beherzte Tartarn! Freund! ihr Brüder! tapfre Leute!
Er umarmet alle.
Empfanget euern Lohn, hier nehmet eure Beute.
Du Mortong Groß-vezier! du Ursach meiner Ruh!
Sey jetzt auf dich bedacht, und greif aufs Beste zu.
Zeigt auf die todten Soldaten.
MORTONG.
Herr! ist das nicht zu viel für meine schlechte Thaten?
KULICAN.
Nein, nein, greif du nur zu, alsdann erst ihr Soldaten.
Die tartarischen Buben wollen plündern, der Vetzier aber stost sie fort, nimmt denen Todten die Kleider, und läst den Uberrest denen Soldaten, welche sich mit denen Schuhen deren Todten müssen begnügen lassen.
MORTONG.
Verlangst du nichts davon? Herr! soll nichts deine seyn?
KULICAN.
Mir gib die Kleider her, das andre bleibet dein.
Nihmt die Kleider unter seinen Arm.
MORTONG.
O Großmut ohne Ziel, o Güte sonder gleichen,
Hat 2. Casquet; küst Kulican die Füsse.
KULICAN.
An Gnade werde ich wol keinem Helden weichen.
Hebt den Vezier auf.
Ich sehe auch das Wol von meinem Unterthan
Weit lieber, glaubt es mir, als wie mein Eignes an.
Die Buben haben den Kulican die Hand geküst.[6]
MORTONG.
Denn Göttern seye Dank, die diesen Schatz mir geben,
Jetzt brauch ich weiter nichts, ich kan schon ehrlich leben.
KULICAN.
Nun habt ihr euer Glück durch meine Huld gemacht,
Jetzt seyd auch auf mein Glück, und auf mein Wol bedacht.
Ach Freunde helffet mir, ach last mich nicht verderben!
Helft meiner Raserey, sonst muß ich sicher sterben.
Du schönes Götter-bild Prinzeßin Pumphia!
Nur blos aus Lieb zu dir, ist Kulican jetzt da.
Doch still, was sehe ich; o Himmel! mein Verlangen,
Mein Wünschen, und mein Ziel kommt eben hergegangen,
Last sehn; betrüg ich mich,
Kulican nimmt ein Perspectiv aus dem Sack, und siehet damit in die Mitte der rechten Seiten.
Ach nein, es ist mein Kind,
Kulican ist ganz frölich, gibt das Perspectiv dem Vetzier.
Schau, sag, ob die nicht schön? sonst sag ich, du bist blind.
MORTONG dieser haltet das Perspectiv für das Aug, und schaut ganz vorne an die rechte Seiten, und schreyt.
Potz tausend Safframent, das muß ich selbst gestehen,
Daß dies die Schönste ist, die ich noch hab gesehen.
Die lohnt sich wol der Müh, die man für sie gemacht.
KULICAN ernsthaft.
Gib mir mein Perspectiv.
Greift darnach.
MORTONG gibt es nicht her.
Das hätt ich nie gedacht.
Soll man in Persien dergleichen Schönheit finden?
KULICAN.
Gib mir mein Perspectiv.
Will es wieder haben.
MORTONG gibt es wieder nicht her, sondern hat es beständig vor das Aug gehalten.
Das kann ich nicht ergründen.[7]
KULICAN nimmt das Perspectiv mit Gewalt.
So laß nur wieder aus.
MORTONG.
Mein Herr! erlaube doch,
Wills Perspectiv wieder haben.
KULICAN.
Guck du wo anderst hin, geh! sag ich, eh dich noch
Mein Zorn den Augenblick in Staub, und Koht verkehre.
Kulican greift an den Säbel.
MORTONG.
Halt, Herr! ich gehe schon, und danke für die Ehre.
KULICAN.
Begib dich in das Feld?
Mortong neiget sich, und gehet ab.
Ich geh aufs neu in Streit,
Und hoff das schöne Herz der Pumphiä zur Beut.
Verbirgt sich, doch im Abgehen hat er allezeit auf die rechte Seiten gesehen, als wann Pumphia daher
käme.
Buchempfehlung
Julian, ein schöner Knabe ohne Geist, wird nach dem Tod seiner Mutter von seinem Vater in eine Jesuitenschule geschickt, wo er den Demütigungen des Pater Le Tellier hilflos ausgeliefert ist und schließlich an den Folgen unmäßiger Körperstrafen zugrunde geht.
48 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro