5. Szene.

[15] Weigelt durch die Mitte eintretend.

Weigelt, ein derber Handwerksmeister, etwa 50 Jahre alt, dunkles Haar, sehr rüstig. Er trägt große goldene Ringe, mit denen er kokettiert, eine dicke Uhrkette und altmodischen Rohrstock mit vergoldetem Knopf. Sein Auftreten ist ein sehr sicheres und selbstbewußtes.


Auftritts-Lied.


WEIGELT.

Mein Leben kennt bloß eine einz'ge Wonne,

Und dafür geb' ich Alles in den Kauf.

Mein Sohn, mein Leopold, ist meine Sonne,

Mein ganzer Mensch geht in dem Vater auf.

Ich habe zwar noch eine Tochter Kläre,

Sie ist, ich weiß es, auch ein gutes Kind;

Allein, wie ich mir auch dagegen wehre,

Für ihre guten Seiten bin ich blind.

Meine einzige Passion

Ist mein Sohn!


Ich rauche nicht und schnupfe nicht und esse

Bescheiden selbst das einfachste Gericht;

Daß ich nicht trinke, zeigt der Nase Blässe,

Auch in ein Wiener Café geh' ich nicht.[15]

Ich gehe nicht mit Flinte oder Angel

Nach Wildpret oder Fische auf die Jagd;

Ich geh' auch in einen Tingeltangel

Und auch nicht an die Börse, wo es kracht.

Meine einzige Passion

Ist mein Sohn!


Mein Vater war Schuster, hatte Vermögen und einen einzigen Sohn – gerade wie ich. Aber was hat er für mich getan? Gar nischt. Er hat mir aufwachsen lassen, wie und so lang ich wollte, dann hat er sich hingelegt, is gestorben und hat mir nischt hinterlassen, als sein Geld und die Kunst, aus Leder, Pech und Draht Stiebeln zu machen. Ich bin – Sich umsehend. allein kann ich es mir ja gestehen – ein ganz ungebildeter Mensch; ich befinde mir in einem ewigen Kampf mit der Grammatik. Und das is mein Schmerz. O, warum gab es in meiner Jugend noch keinen gütigen Magistrat, der nachlässige Eltern zwung – zwängte – zwickte. – Zum Publikum. Da sehen Sie's – Energisch. zwong, ihre Kinder in die Schule zu schicken?! Aber so bin ich aufgewachsen als reiner Naturmensch. Wenn ich sage, Naturmensch, dann meine ich, ohne Gumminasium, ohne Universum. Dafür habe ich mir aber gelobt: Gottlieb, sagte ich mir, wenn du mal Nachkommenschaft kriegst, und es is ein Junge, denn soll er lernen, was in ihm ringeht, damit er sich nich, wie sein Vater, zu schämen braucht vor einem dämlichen Schusterjungen, der orthodox schreiben kann. Und so kam es auch. Freudestrahlend. Mein Leopold! Das is ein andrer Kerl wie ich – ja! Studiert hat er sogar – jux utri – utri – na egal, jux hat er studiert – ja! Minister kann er werden, wenn er will – ja! Aber wie ich den Bengel auch lieb habe, des glaubt keen Mensch nich. Was er sich wünscht, das kriegt er – man hat es ja dazu! Mein Sohn, mein Leopold, soll mal anders von mir denken, wie ich von meinem Vater. Er weiß auch nich, wie schlecht ich mit die Grammatik stehe. Bewahre! Mein Tochter Kläre schreibt meine Briefe und liest mir die Zeitung vor, so daß ich immer Bescheid weiß, was in die Welt vorgeht. Auch 'ne Bibliothek habe ich – ja! Schiller und Goethe! Und die kann ich sehr gut von einander unterscheiden. Schiller habe ich nämlich in Rinds- und Goethe in Schweinsleder binden lassen, und auf Leder versteh' ich mir – ja!


Quelle:
Adolph L’Arronge: Gesamt-Ausgabe der dramatischen Werke. Berlin 1908, S. 15-16.
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