1. Szene.

[59] Zernickow. Natalie. Marie. Anna. Emma. Mehlmeyer. Rudolf. Clara. Alle an einem Tische rechts. Herr Schmidt an einem Tische links. Kellner. Gäste.

Ein sehr lebhaftes, bunt bewegtes Leben.


RUDOLF auf den Tisch klopfend. Kellner, noch ein Seidel!

CLARA. Rudolf, wirst du auch nicht zu viel trinken? Du weißt, du kannst nicht viel vertragen.

RUDOLF. Potztausend, Cläre, heute, wo uns der Herr Rat Zernickow die Ehre gibt, mit uns zu kneipen, soll ich mir doch nicht etwa Zwang antun? Nee, das kannst du nicht verlangen; heute mußt du dich schon d'rauf gefaßt machen, daß ich ein bischen über die Schnur haue.

ZERNICKOW. Ja, Frau Starke, heute müssen Sie uns ein wenig die Zügel schießen lassen. Ich kriege von meiner Alten auch Absolution, – Zu Natalie. nicht wahr?

NATALIE. Ich bitte dich, Carl, trinke ja nicht zu viel. Bedenke, daß wir uns in einem öffentlichen Lokal befinden; und wenn du einen Spitz hast, dann weinst du immer.

ZERNICKOW. Einstweilen aber lache ich und bin sehr vergnügt; du siehst also, es hat noch keine Gefahr.

ERSTER KELLNER an den Tisch rechts tretend. Die Herrschaften haben geklopft?[59]

RUDOLF. Ja, ein frisches Seidel.

ZERNICKOW. Mir auch!

RUDOLF Mehlmeyer zurufend. Na, und Sie, Fritze?

MEHLMEYER sitzt mit dem Rücken halb dem Publikum zugewendet, neben Emma, deren Taille er mit dem linken Arm umfaßt hält, indem er eifrig mit ihr spricht; gleichzeitig trommelt er auf der Schulter der auf der anderen Seite neben ihm sitzenden Anna eine Passage. Dudeldidum!

RUDOLF. He, Mehlmeyer!

ANNA Mehlmeyer auf die Hand schlagend. Aber Fritz!

MEHLMEYER auffahrend. Ja, was gibts?

RUDOLF. Ob Sie auch noch ein Seidel wollen?

MEHLMEYER. Natürlich.

ERSTER KELLNER. Schön. Nimmt die leeren Gläser und gebt ab.

RUDOLF. Na, Fritze, Sie phantasieren wohl wieder mit Emma?

EMMA. Im Gegenteil, wir beschäftigen uns mit sehr reellen Dingen; wir überlegen, wieviel Geld wir brauchen, um Hochzeit zu machen.

RUDOLF. Gar nichts, wenn Ihr Euch lieb habt. Dann geht es auch so, nicht wahr, Cläre? Umarmt Clara und küßt sie.

ALLE lachen und rufen. Bravo!

CLARA verlegen. Aber Rudolf! Ich fürchte, du hast schon zu viel getrunken.

RUDOLF. Weil ich dich küsse? Schlechtes Weib, du! Bin ich etwa weniger zärtlich, wenn ich nüchtern bin?

ZERNICKOW. Es ist wahr, Ihr führt ein Leben wie die Turteltauben. Weinerlich. So was stimmt mich immer weich. Streckt seinen Arm nach Natalie aus. Natalie, wo bist du denn.

NATALIE rückt etwas weiter mit ihrem Stuhl. Carl, ich bitte dich!


Quelle:
Adolph L’Arronge: Gesamt-Ausgabe der dramatischen Werke. Berlin 1908, S. 59-60.
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