3. Szene.

[61] Vorige. Weigelt.


WEIGELT tritt aus dem Hintergrunde links auf. Der olle Schwalbach is noch nich da. Und nirgends ein leerer Tisch?

ERSTER KELLNER zeigt auf den Tisch links. Wollen Sie vielleicht hier Platz nehmen?

WEIGELT. Ja, das ginge, da kann man gleich die Eingangstüre übersehen. Geht nach dem Tisch links und bemerkt Minna. Nanu, da ist ja Minna?[61]

MINNA freundlich grüßend. Guten Abend, Herr Weigelt.

WEIGELT. Wie kommst du denn hierher?

MINNA. Sie haben mir ja erlaubt, auszugehen.

WEIGELT. Aber in dies Lokal –?

MINNA. Es is jetzt das feinste, Herr Weigelt.

WEIGELT. So? Bei Seite. Das is ja 'ne hübsche Gesellschaft für mich.

ERSTER KELLNER zu Weigelt. Sie wünschen?

WEIGELT. Einstweilen bloß Bier.

ERSTER KELLNER. Sogleich.

WEIGELT setzt sich an den Tisch links, an welchem Schmidt sitzt. Guten Abend, mein Herr.

SCHMIDT hält eine Zeitung in der Hand und schläft; er antwortet nicht.

CLARA bemerkt Weigelt und fährt erschrocken zusammen. Mein Gott!

ALLE an dem Tisch rechts durcheinander. Was gibt's? Was ist geschehen?

CLARA leise zu Rudolf. Rudolf, ich bitte dich, sieh dorthin. Deutet auf Weigelt.

RUDOLF Weigelt bemerkend. Na, was weiter! Ein neuer Gast, den ich nicht kenne und den du auch nicht kennst, hörst du? Wir sind hier in einem öffentlichen Lokal, in dem man sich gefallen lassen muß, mit Gott weiß wem zusammen zu sitzen, sonst –! Steht auf.

CLARA erfaßt Rudolfs Hand und sieht ihn bittend an; er setzt sich wieder.

WEIGELT ist bei Rudolfs letzten Worten aufmerksam geworden, hat seine Augen nach rechts gewendet und springt auf. Schwerebrett! Bin ich da in eine Falle geraten? Da is ja meine – die ganze Sippschaft! Wie sie mich anglotzen. Soll ich gehen? Nein. Was habe ich nötig, vor ihnen auszureißen. Erst recht nicht! Setzt sich wieder.

ZERNICKOW. Ach, das ist eine unangenehme Störung. Wir waren so vergnügt, und jetzt – Weinerlich. Das verstimmt mich.

WEIGELT. Ich gucke doch nu nich hin, aber ich fühle es, daß sie alle nach mir hersehen. Wenn ich mir nur verstecken könnte. Halt, die Zeitung! Nimmt Schmidt die Zeitung aus der Hand. Mein Herr, Sie erlauben wohl?

SCHMIDT erwachend. Was fällt Ihnen denn ein? Sehen Sie nicht, daß ich die Zeitung lese?

WEIGELT. Sie schlafen ja.[62]

SCHMIDT. Ich habe aber noch nicht ausgeschlafen. Nimmt sich die Zeitung wieder.

CLARA. Rudolf, laß uns nach Hause gehen.

RUDOLF. Was fällt dir ein? Jetzt bleiben wir erst recht. Absichtlich laut. Ich verzehre hier mein Geld, das ich mir durch meine Arbeit verdient habe; ich kann jedem Menschen dreist in die Augen sehen. Trinkt rasch sein Bier aus und ruft dann. Kellner, noch ein Seidel!

WEIGELT. Der Kerl will mir ärgern. Nur unbefangen. Zu Schmidt. Mein Herr, was halten Sie vom Papst?

SCHMIDT einen grunzenden Ton von sich gebend. Hm!

WEIGELT. Sie wundern sich auch, daß er nach Berlin kommt, nich wahr?

SCHMIDT. Wer?

WEIGELT. Na, der Papst. Haben Sie es denn nich gelesen?

SCHMIDT. Wo?

WEIGELT. Na, da in der Zeitung steht es ja, gleich hier auf die erste Seite. Zeigt auf eine Stelle in der Zeitung.

SCHMIDT sieht hin. Das ist ja die Lotterieliste.

WEIGELT. Suchen Sie man, Sie haben es gewiß übersehen. Es wird ja schon ein neues Ballett für ihn einstudiert.

SCHMIDT betrachtet Weigelt ängstlich und rückt etwas weiter.

WEIGELT. Was halten Sie denn von Bebel?

SCHMIDT. Wieso?

WEIGELT. Na, ob er nach Paris gehen wird – er soll doch da Kaiser werden.

ERSTER KELLNER. Hier, ein Seidel. Stellt vor Weigelt ein Glas Bier hin.

SCHMIDT steht auf und retiriert ängstlich. Herrjeh, der muß irgendwo entsprungen sein – ich danke! Kellner, bezahlen! Gibt dem Kellner Geld und entfernt sich dann rasch, immer scheue Blicke auf Weigelt werfend.


Quelle:
Adolph L’Arronge: Gesamt-Ausgabe der dramatischen Werke. Berlin 1908, S. 61-63.
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