11. Szene.

[34] Vorige. Leopold.


LEOPOLD rasch durch die Mitte. Was geht denn eigentlich hier im Hause vor? Fast alle Mieter sind auf dem Hofe versammelt; als ich vorbeikam zischelten sie sich untereinander zu: Das ist er! Das ist er! Und dabei sahen die Leute so drohend aus, als führten sie etwas gegen mich im Schilde.

WEIGELT. Es soll sich bloß einer unterstehen! Die ganze Bande jage ich raus. Wahrscheinlich hat sie der Korbmacher aufgehetzt. Ach, du weißt noch gar nich, Leopold, sie haben mir angewiesen aufs Amtsgericht mit die Exmistion. Nu gehen wir ans Kammergericht, nich wahr?

LEOPOLD zerstreut. Gewiß, gewiß.

WEIGELT. Aber das is noch nich alles an Neuigkeiten heute, du wirst noch mehr zu hören kriegen. Da, sieh mal hin, dein Fräulein Schwester und der Herr Schustergeselle Starke wollen sich heiraten.

LEOPOLD. Nicht möglich?!

WEIGELT. Das habe ich auch gesagt. Is dir schon so eine Frechheit von einem simplen Schuster vorgekommen?

RUDOLF drohend. Herr!

CLARA fällt Rudolf in den Arm.

LEOPOLD. Ich begreife nur Clara nicht. Daß dem Herrn Starke dein Vermögen sehr begehrlich erscheint, ist am Ende nicht zu verwundern.

RUDOLF. J, da soll ja gleich –

CLARA hält Rudolf abermals zurück.

WEIGELT. Siehste, Leopold, auf den Gedanken bin ich noch gar nich gekommen. Aber du hast ganz recht, mein Geld sticht ihm in die Nase. Und ich will mir auch nich lumpen lassen.[34]

LEOPOLD bei Seite. Wie?

WEIGELT zu Clara. Dabei bleibt's: Wenn du den Menschen heiratest, sind wir geschiedene Leute. Aber das Vermögen, das deine Mutter ins Haus gebracht hat – die 10000 Taler – sollst du haben. An dem Tage, wo du Hochzeit machst, werde ich das Geld für dich eintragen lassen auf mein Haus.

LEOPOLD bei Seite. Oho, so war's nicht gemeint.

RUDOLF. Behalten Sie Ihr Geld, ich will Ihr Geld nicht.

WEIGELT. Ich lasse mir von Ihnen nischt schenken, Sie – Sie – Erbschleicher!

RUDOLF sich von Clara losmachend. Nun ist's aber genug. Ich will mich – um Clara's willen – zusammennehmen, sonst würde ich Ihnen und Ihrem sauberen Herrn Söhnchen anders auf den Pelz rücken!

WEIGELT. Leopold, gib mir deinen Stock. Nimmt Leopolds Spazierstöckchen und hält ihn abwehrend gegen Rudolf.

LEOPOLD flüchtet sich hinter Weigelt.

RUDOLF. Soviel aber will ich Ihnen doch sagen: Vergessen tue ich Ihnen den Schimpf, den Sie heute angetan haben, nie.

WEIGELT zeigt nach der Mitteltür. Raus! Ale beide!

CLARA. Vater! Läuft zu Weigelt und fällt, bittend ihre Hände erhebend, vor ihm auf die Knie.

WEIGELT. Du hast die Wahl zwischen uns und ihm.

CLARA. Ich kann nicht anders, Vater.

WEIGELT. Dann geh!

RUDOLF hebt Clara auf und führt sie zur Seite. Steh' auf, Clara. Denken Sie an mich, Herr Weigelt, es könnte doch vielleicht mal die Stunde kommen, wo Sie Sehnsucht hätten, Ihre Tochter zu umarmen. Aber dann geht der Weg an mir vorbei. Daß es mit ihrem prahlerischen Reichtum nicht gar zu lange dauert, dafür wird Ihr Früchtchen von Sohn schon sorgen. Und wenn Sie Hungerpoten saugen! Ehe Sie nicht vor mir auf den Knien liegen, wie Ihr Kind vor Ihnen gelegen hat, eher essen Sie in meinem Hause kein Stück Brot. So – Seine Mütze aufsetzend. jetzt komm, Clara! Ab mit Clara durch die Mitte.

LEOPOLD gezwungen lächelnd. Es ist zu lächerlich!

WEIGELT ebenso. Nich wahr, Leopold, zu lächerlich? Hahaha!


Quelle:
Adolph L’Arronge: Gesamt-Ausgabe der dramatischen Werke. Berlin 1908, S. 34-35.
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