Hundert und sechster Brief

Rosalia an Mariane S**.

[190] Da, Liebe! haben sie den Ausgang der kleinen Hausgeschichte von Cleberg und mir.

Mein Oheim und er hatten mich und Lisetten belauscht; daher ging auch Cleberg sogleich, alles zu Lisettens Abreise zu bestellen, und mein Oheim bat mich, auch ihm zu[190] vergeben, daß er sich mit meinem Manne gegen mich verbunden hätte, um mir die Idee seiner anglimmenden Liebe für Lisetten zu geben, nur, um den Gang meines Herzens in dieser so feinen und entscheidenden Gelegenheit zu beobachten. Er dankte mir für die innige Freude, die ihm mein edles und kluges Betragen gegeben habe; er versicherte mich, daß mein Mann mehr dabey gelitten habe, als ich, weil er alle meinen Schmerz und mein Kämpfen gegen meine aufgebrachte Empfindlichkeit gesehen hätte. Er habe deswegen eine Reise vorgeschlagen, um Clebergen noch ein paar Tage bey festem Sinn zu halten, und Herr Linke hatte den Auftrag, mich und Lisetten zu beobachten, dessen Anmerkungen mir eine süsse Belohnung für meine Unruhe seyn würde. Du hast die Hochachtung deiner Freunde verdoppelt; dein Mann verehrt dich auf das Neue; du mußt ihm vergeben, wie mir.

Bin ich nicht in einer sonderbaren Lage mit diesen zwey Männern und wie viele vortrefliche Herzen von Frauenzimmern würden elend durch die Leute, wenn sie sich nicht gerade zu, nach ihrem Sinn aufführten! Gott sey ewig für die Richtung gedankt, die er meinen Gefühlen[191] gab, und möge mir diese Erfahrung den Vorsatz der gedultigen und verschwiegenen Ertragung alles Uebels recht tief einprägen: möge die Ruhe des Herzens, die meine Ueberwindung des Widerwillens gegen Lisetten mich empfinden ließ, möge diese die Grundlage eines immer edelmüthigen Bezeigens gegen alle werden, die mich hier und da beleidigen können, unausgesetzt so gut zu seyn, als ich kann. Mariane! dieß, dieß sey die Stütze für den Gang meines täglichen Lebens, und möge die Vorsicht diesen herzlichen Vorsatz allein dadurch seegnen und lohnen, daß ich niemals einer niedrigen Leidenschaft des Neides, der Rache, des Hasses und der Eitelkeit zu Theil werde. Sagen sie Amen dazu, theure, edle Freundin! Sagen sie Amen zu diesem theuer erkauften wahren Wunsche meiner Seele, und schicken sie mir meine Briefe über diese Sache durch diesen Reitknecht zu. Cleberg und mein Oheim wollen sie sehen.

Lisette jammerte mich nun aufrichtig; wie wenig Kunst gehört für einem schönen, die Welt und Menschen kennenden Mann dazu, einem zärtlichen, etwas eiteln Mädchen etwas weis zu machen. Man wird sagen: ja! aber[192] Cleberg war ja ein verheyratheter Mann, das wußte sie! warum wußte sie doch noch Coquetenstreiche mit ihm anfangen? Ach, sie sah ihn gewiß nur aus dem Gesichtspunkt an, daß er ein schöner, artiger Mann sey, der viel Geist habe, und dessen Aufmerksamkeit auf sie, der größte Beweiß ihrer Liebenswürdigkeit war, und so wurde sie hingezogen. Die Arme! Hätte sie je vermuthen können, daß sie nur zu einem Probestück meiner Vergrösserung dienen sollen, so würde ihre beleidigte Eitelkeit sie geschützt haben: so wie die geschmeichelte ihre Verirrung veranlaßte.

Ich ging noch zu ihr, nahm Abschied, weinte mit ihr und schloß sie an mich: Lisette! liebenswürdige Lisette! ich bitte sie, verwahren sie ihr zärtliches Herz vor den Schmeicheleyen der Männer, von welcher Gattung sie seyn mögen; wachen sie über den Ausdruck ihrer Empfindungen, mein Kind, damit ihre Freude oder Mißvergnügen nicht gleich allen, die sie sehen, deutlich werde! Und, wenn sie eine Freundin brauchen, so rechnen sie auf Rosalia Cleberg. Sie ließ sich zu ihrer Tante aufs Land führen, wo sie schon eingeladen war und bis im Winter bleiben will. Ich weiß nun[193] nicht, ist Folgendes, was ich Ihnen schreiben werde, wirklich ein Beweis von einem Mangel seines Empfindens, wie ich es nannte oder wie Linke behauptet, Uebermaas der Vergütung, die Cleberg und mein Oheim mir schuldig zu seyn dachten, oder auch Uebermaas von Feinheit in mir. Irgend etwas ist es; denn der kleine Widerwille, den der Vorgang in mir erweckte, beweiset, daß Uebermaas da war. Ich wußte nicht, warum wir so lange allein gelassen wurden, und weder Latten, Hannchen oder Linke zu sehen und zu hören waren. Aber Cleberg hatte sie darum gebeten, um mit mir sprechen zu können. Als ich ihn meiner Vergebung versichert hatte, sagte mein Oheim: nun wollen wir im Laubensaal unser Abendbrod essen; Ott und seine Julie müssen dazu kommen. Cleberg ging hin, sie zu holen und mein Oheim führte mich am Arm durch den Garten hinunter, und gab mir durch tausend Liebkosungen seine Zufriedenheit zu erkennen. Alle unsere Freunde kamen uns an dem Bach entgegen; wir setzten uns auf Verlangen meines Oheims auf den Bänken am Ufer nieder. Linke allein blieb stehen, und gab auf meinen Oheim acht, der ihm endlich sagte: Ich bin[194] sicher, Herr Linke, daß alle liebe Freunde von Rosalien Antheil an Ihrem kleinen Tagebuche nehmen werden; lesen sie es doch vor! Und, liebe, liebe Mariane! was kam? die Erzählung des Vorsatzes von Cleberg mich durch Eifersucht auf eine Probe zu stellen, und das ganze Betragen von Lisetten, das meinige; Bemerkungen jedes meiner Freunde; Ottens, Juliens, und Hannchens Beurtheilungen; Lattens seine über Cleberg, über mich und Lisetten. Ich wurde ganz niedergedrückt vom Lobe der Liebe und dem Antheile, die alle an mir bewiesen hatten. Cleberg saß neben mir, hielt eine meiner Hände, drückte sie oft, küßte sie, legte auch seinen Kopf ein paarmal auf meinen Arm. Latten sprach sehr wenig; hatte aber das gefühlvollste Aussehn. Mein Oheim blickte mich mit nassen blinzenden Augen an, und klopfte mir oft auf die Achsel. Bravo, Rosalie, bravo! sagte er mit einer halb lachenden, halb weinenden Stimme, wenn Etwas zu meiner Erhebung dienendes vorgelesen wurde. Könnte ich doch eine Berechnung darüber darlegen was für Empfindungen von Seeligkeit in den wenigen Tagen von Kümmernissen für mich entstanden waren, als ich stillschweigend litt und mit so[195] viel Anmuth und Rechtschaffenheit zu tragen suchte. So war das Zeugnis meines Herzens Recht zu thun, Trost, Stärke und Lohn schon im Innern für mich; und nun sammlete ich eine so reiche Erndte des Beyfalls, von so viel edlen Menschen ein. O Mariane! es müßte sehr schlimm, sehr unglücklich mit mir gehen, wenn ich nicht fest, unwandelbar fest auf dem Wege des Guten bliebe. Ich bekannte, daß mich mein freundliches, sanftes Betragen gegen Lisette viele Ueberwindung gekostet habe. Cleberg und das Mädchen wurden getadelt und die Natur der Liebe und Eifersucht in Untersuchung gezogen; endlich dem guten Hannchen allein die Nutzanwendung zugeeignet, damit sie andern Frauenzimmern davon predigen möge; ich aber bat alle um den Beweis ihrer Achtung für mich, ja keiner Seele von der armen Lisette in diesem Ton zu sprechen, und redte mit Eifer gegen das ungerechte Betragen der Männer, und den Mißbrauch ihrer mehrern Geisteskräfte. Ich bat endlich Linken mir sein Heft zu geben, weil ich es als Denkmal seiner Freundschaft für mich ansähe. Er gab mirs, und ich ging mit Julien und Hannchen dem kleinen Feldheerd zu, bey dem meine[196] Köchin etwas warme Speisen im Walde bereitete. Linke muthmaßte meine Absicht, das Heft zu verbrennen, und kam schnell genug zu uns, um es mir just in dem Augenblicke aus den Händen zu reissen, da ich es unter den Gemüstopf stecken wollte. Er packte mich aber so hastig um den Leib, daß er mich vor Schrecken halb krank machte, und mir für den ganzen Abend Mattigkeit und Blässe zurückließ. Wir gingen in den Lauben-Saal, wo der Tisch gedeckt war. Wir speißten sehr vergnügt, unter Gesprächen über den wahren Werth der ausübenden Tugend, und der wahren Reitze, welche die Männer fesselte. Die Nacht sank gänzlich nieder, und mein Oheim zog dann den Zapfen aus, der den Tisch und die Stelle, auf welcher die Stühle stehen, fest hält und ließ uns da umdrehen. Ich ward bey der abgeänderten Aussicht, die mir vorkam auf einmal über den Anblick einer kleinen artigen Beleuchtung des ganzen nahen Hügels in Staunen gesetzt; indem die in die Anhöhe eingesteckten Lampen die Worte anzeigten:

»Lebelang, edle Rosalia!«

Ein Kranz vom blauem Feuer brannte umher, und Fritzgen Latten kam zu mir gehüpft,[197] noch mit der Zündruthe in der Hand und küßte freudig meine Hände; Ich habe die Lampen von ihrem Namen angezündet. Zärtlich umarmte ich ihn, und wünschte mir ein so gefühlvolles Kind, möchte es Mädchen oder Knabe seyn. Als ich nach Hause ging, gab er mir eine artige Brieftasche, und wünschte mir gute Nacht. Ich öfnete sie, und fand folgendes:

»Noch ist meine Seele nicht groß genug, alle den Werth der Seeligkeit zu fassen, an ihre edle Brust gedrückt zu werden: aber mein Vater wird mich lehren, wie ich sie verehren soll, und dann komme ich und lerne süsse liebende Weisheit von ihnen, und bin wieder so glücklich, die Luft zu athmen, die sie umgiebt. Fritz Latten.«

Ich las es flüchtig durch, denn der Tag hatte von Clebergs Seite so viel Eindruck auf mich gemacht, daß ich nichts, als ihn dachte, und ihm auch diese Brieftasche erst den andern Tag zeigte, da wir alle über Lattens Abreise traurig und verwirrt beysammen saßen. Cleberg las diese Zeilen einigemale mit Aufmerksamkeit und Lächeln durch. Guter rechtschaffener Latten, sagte er gerührt: Gott erhalte dich, wo du auch seyn magst![198]

Ott hatte ihm zu seiner Reise alle Anstalten gemacht, und kam um zehn Uhr uns die Danksagungen und Freundschaftsversicherung des Edlen zu bringen. Cleberg sprach lang allein mit ihm, kam dann mit gerührter Miene wieder zu uns, und war den ganzen Tag und Abend sanft traurig. Wir sprachen viel von Latten, alle mit Antheil und vieler Verehrung. Fritzgen hatte sehr um sein Feld und Hannsen geweint. Da versprach ihm sein Vater, daß es fortgebaut werden sollte. Und das soll es auch, sagte Cleberg, und für seinen Hanns will ich auch sorgen. Der Himmel weiß, wenn wir ihn wieder sehen den lieben Mann! Denn ich muß es Ihnen nur sagen, es ist Liebe die ihn weit von uns führt. Liebe für mich! Dieser entfliehet er nach Holland. Durch Otten werden wir hören, ob er lebt und wohl ist. Ach, sagte ich ihnen nicht, daß es gefehlt sey, als das Tagebuch von Linken gelesen wurde? und sie gaben ihm auch meine von ihnen zurück. gekommenen Briefe hin, zu was taugte dieses Aufweisen? Der arme Latten! Gefühl ist die Klippe, an der seine Weisheit immer scheitern wird. Ich habe doch niemals nichts von Liebe gegen mich bemerkt; ausgenommen, ein[199] paarmal däuchte mich, daß er sein Fritzgen schnell von mir rief und ihn mit etwas Erröthen auf die Stelle küßte, wo, so zu sagen, die Küße lagen. Aber sein Auge war so bescheiden zur Erde gesenkt und seine Unterredung und sein Bezeigen ging so gewöhnlich fort, daß ich mir diese Bemerkung vorwarf und als falsch untersagte. Er bot mir auch seinen Arm seltener an, als die andern Männer; doch, da er sonst kein Frauenzimmer führte, so machte ich auch keine Glossen darüber. Nun bin ich froh, daß er weg ist, und Linke singt auch: »Seelig die Abwesenden!« Meine Briefe sind mir beynah verhaßt worden, weil sie, wie Ott sagt, Latten den Garaus gemacht haben; aber Cleberg hat sie mit vielem Nachdenken gelesen, und mir über alle Stellen, wo ich seine Leidenschaft zu sehen glaubte, die Auflösung gegeben. Niemals hat er Lisetten allein gesprochen; niemals ihre Hand, oder ihre Lippen berührt; nur so viel Blicke und halbe Worte zu ihrem Lobe angewandt, als nöthig war, mich besorgt zu machen. Des Mädchens Eitelkeit machte sie zunderartig, sagte er. Abends, als ich ihn aus dem Fenster beobachtete, lag er wirklich am Stock gelehnt und dachte an die traurige[200] Wirkung, die seine tolle. Grille schon auf mich gemacht hatte. Ich war auch schon blasser, hagerer, und er unentschlossener, wie ich, ob er den Abend noch sprechen sollte, und mitten unter diesen Gedanken hört er gehen, sieht sich um und erblickt Lisetten, die ihm sehr unangenehm war, weil er von Linke schon alles wußte. Er begegnete ihr mit Ernst, wie er auch den zweyten Tag bey den Kupferstichen that, da er auch erst einen Augenblick vor mir in das Zimmer gekommen, und aus Unwillen, sie da zu finden, wieder in das Nebenzimmer geeilt war. Daher wäre ihre Unzufriedenheit gekommen und ihre Klagen über seinen Stolz und seine Falschheit. Ach, meine Mariane, es war doch eine häßliche Spielerey, die der Mann da mit mir, vor hatte, und mich zum Balle jedes Zweifels und jedes Argwohns machte, die mich alles in dem schlimmsten Verstande nehmen liessen! Ich will über nichts mehr Auslegungen herklügeln und alle gute Menschen warnen, sich nicht von Ahndungen hinreissen zu lassen. Es ist doch ein wesentlicher Theil meines Wohls dahin, ich fühle es, und Cleberg befürchtet es. Mit Latten ist uns auch was verlohren, und ich sehe fast ganz deutlich, daß es den artigen Cleberg[201] verdrießt, daß er keine Beobachtung auf dieser Seite über mich machen konnte. Latten, meint er, wäre der einzige gefährliche Mensch für mich gewesen, da würde der Streit zwischen meinen Grundsätzen und meinem Geschmack sehr stark und sehr schön gewesen seyn. Salie! wärest du auch vor Latten geflohen? Nein denn ich fürchtete ihn nicht. Dein Bild und mein Misvergnügen über alle Männer waren meine Schutzwehr, und werden es bleiben. Wir offen bey Ott zu Mittag, und Julie sagte mir mit Thränen noch vieles von Latten, daß er seine Abreise so schmerzlich gefunden, und sie gebeten habe, ihre kleine Rosalia recht wohl zu besorgen, und für seinen Fritz zu erziehen; daß er bey all unsern Armen und Kranken gewesen, auch oft in die Dorfschule gekommen sey; bey ihrem Ott gar viel geweint habe. Es erweichte mein Herz!

Warum, ach warum, mußte ich ihm gefallen! ich seine Ruhe stören! Möchte dieses schmeichelhafte Looß auf jemand anders gefallen seyn, und ich, als seine Freundin und Trösterin, ihn noch bey uns sehen, ihn zerstreuen helfen! Möge der erste Abendwind, den er nach dem schwülen Tage herbey rufen[202] wird, auch dieses sein Wohl zerstörendes Aufwallen einer unordentlichen Liebe verwehen, und nichts übrig lassen, als was Erinnerung einer treuen zärtlichen Schwester seyn kann, welche ich so gern für ihn gewesen wäre! Die van Guden hatte wohl Recht zu sagen: Süße und bittre Leidenschaften unterbrechen den Gang unsers Glücks und unserer Tugend. Möge er beyde auf dem Wege seiner edlen Flucht finden und der Himmel sein Herz mit Stärke und Ruhe segnen!

Mein Cleberg ist sehr sorgfältig um mich herum, und läßt mir die Freude für Arme bey ihm zu bitten. Ich und Julie unterhalten vier arme alte Weibsleute; diese müssen aber, da alle junge bey der Erndte zu thun haben, für die kleinen Kinder im Dorfe sorgen. Wir haben ein Tagelöhner-Häußgen mit einem Baumgarten gekauft, darinn wohnen die vier Weiber, denen die Kinder recht gern zulaufen und auch zugetragen werden; die dann in dem Baumgarten sorgloß und frey herum krabeln, spielen und springen. Mädchen, die schon etwas Geschicklichkeit haben, sitzen da und spinnen, nähen oder stricken, welches Julie und ich einigen von ihnen gelehrt haben; auch müssen[203] die kleinen Mädchen das Dorf vor den Häusern hin sauber halten. Bey vielen haben wir es schon dahin gebracht, daß auf einer Seite des Eingangs schmale Streifen von Rasen oder Blumenbeeten angelegt sind; auf der andern, Bänke oder eine halbe Laube; da wir dann oft mit unsern Männern herumgehen, uns zu den Leuten setzen, mit ihnen sprechen, und mein Oheim oder Cleberg mit dem Pfarrer vereint, oft einen kleinen Streit schlichten helfen. Latten hatte wohl wahr gesagt: der Landmann ist ein lieber kostbarer Mensch. Mißhandlung, Verachtung und Härte macht ihn bös und ändert seine natürliche Anlage zu einfachen, guten Gesinnungen! Wir muntern sie sehr zum Fleiß und Ordnung auf; hingegen bekommen sie auch oft kleine Festtage; das heißt, die jungen Leute einen Tanz, die Alten einen Trunk und das meistens bey der Linde im Dorfe. Der gute Latten wollte ihnen auch einen frölichen Tag machen, und wurde dieser Freude beraubt. Ist es aber nicht schön, daß er auf alles Verzicht thun konnte, jeden Entwurf des Vergnügens, jedes genossene aufgeben, um ja nichts gegen seine Pflichten und gegen unsere Ruhe zu[204] thun? Edler, edler junger Mann, Gott leite dich!

Cleberg läßt mich nicht am Rahmen fortnähen, und wollte Lisetten ihre Arbeit nachschicken. Es schien mir aber grausam und ich widersetzte mich so lang, bis er nachgab. Nun liegt alles verschlossen. Rachsucht an leblosen Dingen, sagte ich: kommt aus der nämlichen Ursache, wie die Bewegung des Danks und der Liebe gegen Sachen, die eine uns werthe Person gleichsam einweyhete. Er gab mir recht, und ich nähe nun mit Hannchen an weissem Haus-Leinen. Julie kommt auch mit ihrem Strickzeug und unsere Männer lesen dann, wann wir keine Fremde haben und ihre Geschäfte vorbey sind, etwas aus neuen Schriften, aus Zeitungen, sprechen darüber, und wir freuen uns, so gute, vernünftige Männer und Freunde zu haben.

Uebermorgen kommt Frau Grafe, eine Ihrer Nichten, und ihr Mann auf vierzehn Tage zu uns; und dann wird der anfangende Herbst uns bald in der Stadt sammlen.[205]

Quelle:
Sophie von La Roche: Rosaliens Briefe an ihre Freundin Mariane von St**. Theil 1–3, Teil 3, Altenburg 1797, S. 190-206.
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