Siebenter Auftritt

[128] In dem Augenblicke, wo Richard auf den zurückweichenden Haufen eindringen will, tritt ein Hauptmann mit einer Schar Söldner auf, einen gefangenen Sickingschen Lanzknecht bringend. Vorige.


HAUPTMANN zu Richard.

Herr Kurfürst! Diesen Lanzknecht fingen wir,

Mit einer Schlinge von der Mau'r ihn reißend.

Kund kann er tun des Feindes Plan und Stärke.

RICHARD zum Lanzknecht.

Du hörst, was man von dir begehrt. Gib Auskunft,

Wenn dir dein Leben lieb! Tritt ein in meinen Dienst.

LANZKNECHT.

Viel lieber sterb ich in Franziskus' Huld,

Als daß ich leb, ein trierscher Pfaffenknecht!

EIN SÖLDNER.

So stirb, du Hund!


Er ersticht ihn. Pause.


RICHARD.

Schafft diesen Leichnam fort!


Der Hauptmann ab mit den Söldnern, die die Leiche

des Lanzknechts mitnehmen.

Zu den Bürgern.


Euch aber sag ich: laßt euch diesen Toten

Ein Beispiel sein! Zur Leiche mach ich den,

Der eine Miene nur verzieht! Zur Mauer, fort!

DRITTER BÜRGER leise zum Vierten.

Reizt ihn jetzt nicht – ich spreche noch mit Euch;

Wir bringen's doch noch auf das Unsrige.

RICHARD.

Verschwenderisch an euern Toren gießt

Der beste Adel hin die roten Ströme

Aus seinem fürstlichen Geäder – und

Ihr wolltet sparen euer Pöbelblut?

Eu'r niedres Dasein schonen, wo der Kampf

Für dieses Lebens Heiligtümer rast?

Der fromme Mönch sogar, des Schwerts unkundig,[128]

Bewehrt die Hand, des Betens nur gewohnt,

Wirft opfernd sich dem Tod entgegen, kämpft

Für seinen Glauben, seinen Gott! – Und ihr

Wollt denken an eu'r elend Hab und Gut?


Man hört einen Choral der Mönche hinter der Szene.


CHORAL.


Erste Strophe.


Spe mercedis et coronae

stetit martyr in agone

ad mortem obediens

morte Christum imitatus

fide firmus et firmatus

firmo gressu gradiens.

RICHARD.

Seht her, da nahen sich die frommen Streiter,

Entschlossen freudig, eine zweite Mauer

Der Stadt zu bilden aus der eignen Brust.


Es erscheint auf der Bühne die Prozession der Mönche, das Allerheiligste und die Fahne mit dem Muttergottesbilde voran.


CHORAL.


Zweite Strophe.


Furit furor militaris

ut vir sacer sacris aris

immoletur hostia

quem occidunt saevientes

introducunt nescientes

ad aeterna gaudia.


Wie das Allerheiligste auf der Bühne erscheint, fallen der Erzbischof und alle Anwesenden auf die Knie. Der Zug zieht, die zweite Strophe des Chorals absingend, langsam und hin und wieder anhaltend

über die Bühne. Wie das Allerheiligste die Bühne passiert hat, erhebt sich der Erzbischof und nach ihm die andern Anwesenden.


RICHARD die Arme segnend ausbreitend.

Steht auf, gestärkt jetzt durch des Himmels Segen!

Der Herr der Heerscharn selber ficht mit euch

Und wendet von euch ab des Feindes Schwerter,

Die heil'ge Jungfrau schwebet euch voran,

Sie winkt euch zu aus ihrem Himmelsglanz.

Selig, wer heut sein Blut vergießet! Denn

Gleichwie das Blut des Herrn, also löscht aus

So sel'ger Tod des Lebens Sünd' und Irrtum.

Geöffnet sind ihm Seiner Glorie Himmel,

Die Paradiese Seiner Herrlichkeit.[129]

Die Heil'gen jauchzen preisend ihm entgegen,

Zur Rechten Seines Thrones wird er stehn,

Verklärt im ew'gen Glanze seines Lichts!

Auf denn! Zur Mau'r! Ich selber führe euch.

Als euer Feldgeschrei ruft an die heil'ge Jungfrau.

ALLE.

Zur Mauer auf! Trier und die heil'ge Jungfrau!


Sie stürzen ab, vom Erzbischof geführt.


Quelle:
Ferdinand Lassalle: Franz von Sickingen. Stuttgart 1974, S. 128-130.
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