Erste Szene.


[122] Gottsched, Frau Gottsched, Katharina, Schladritz, sämtlich auf der linken Seite stehend. Rechts Gellert und Cato; ebenfalls rechts vorn: Bolza, Gräfin, Wilhelmine. Später Siegmund.

Pause nach dem Aufgehen des Vorhangs.


GOTTSCHED mit dem Stocke aufstoßend und dann auf und nieder gehend. Diese Unwürdigkeit wird doch aber unerträglich! Man läßt uns hier warten wie Dienstboten – Nach hinten rufend. Holla!

FRAU GOTTSCHED. Lieber Gottsched, sei vorsichtig und erbittre unsre Widersacher nicht noch mehr!

GOTTSCHED sich rasch nach ihr wendend. Vorsichtig! So? Vorsichtig! Vor einer Stunde wußtest du, ich sei schier furchtsam, und jetzt soll ich auf einmal unvorsichtig sein! Wer auf Weiber hört, dessen Weg wird ein Zickzack –! Vorsichtig sei man, solange die Lage zweifelhaft, Madame! Ist sie einmal unzweifelhaft schlimm und gefährlich wie die unsrige, dann sei man wie ein Schwert! Das, Madame, war stets meine Meinung, die Meinung Ihres Gemahls den Sie nicht zu würdigen wußten! Geht nach hinten und ruft. Wachtmeister Siegmund!

FRAU GOTTSCHED. Gottsched!

SCHLADRITZ. Der Wachtmeister ist tück'sch, Herr Professor, hetzen Sie ihn doch um Gottes willen uns nicht noch ärger auf den Hals! Man weiß ja ohnedies nicht mehr, wo man vor Angst die Hände und Füße lassen soll –

GOTTSCHED stößt nach Schladritz zu heftig mit dem Stocke auf, blickt aber doch halb besorgt rechts nach hinten.

SCHLADRITZ vor dem Aufstoßen erschreckend. Na – wir sind ja nicht zu Hause, Herr Professor! Machen Sie uns doch nicht noch unglücklicher durch solchen Spektakel! Zu Katharina. 's ist wahr!

SIEGMUND kommt rechts aus dem Vorzimmer – auf dieser Seite wird das Zimmer des Auditeurs gedacht – und kommt langsam näher, während Gottsched nach vorn zurückgeht.

GOTTSCHED mitten auf der Bühne. Wozu sind wir hier? Wo ist Seine Behörde, auf welche Er sich so martialisch berufen hat?[122]

SIEGMUND. Herr Professor, 's sollte mir lieb sein, wenn Sie später so befehlshaberisch und protzig aus diesem Saale gehen könnten!

GOTTSCHED. Was?

CATO. Warum läßt uns General Seydlitz so lange warten!

SIEGMUND. Weil er nicht mehr in Leipzig ist.

GOTTSCHED. Was?

CATO. Wie?

GELLET. Nicht mehr in Leipzig?

FRAU GOTTSCHED. Fort?!

GRÄFIN. Wie?!

SCHLADRITZ. Gott Lob und Dank!

SIEGMUND. Freuen Sie sich nicht zu früh; die Sache ist vielleicht noch schlimmer geworden.

CATO. Wo ist der General?

SIEGMUND. Wie wir vorhin aus des Professors Quartier rückten, kam doch Infanterie. Es sind Nach den Wachen zeigend. wie Sie an den gefürchteten Blechmützen sehn, Grenadiere von der Garde, welche den Prinzen zu begleiten pflegen.

CATO, GELLERT UND GOTTSCHED. Den Prinzen Heinrich?

SIEGMUND. Den man jeden Augenblick in Leipzig erwartet; General Seydlitz ist ihm entgegengeritten mit dem Stabe.

GOTTSCHED. Viktoria!

GELLERT. Das wäre ein Glück!

CATO. Das wäre entscheidend!

GRÄFIN. Der Prinz selber!

GOTTSCHED. Viktoria! Nun hat Euer brutales Reiterwesen ein Ende!

SIEGMUND. Viktoria! Ich will's Ihnen wünschen. Es sieht aber gar nicht danach aus. Unser Prinz ist gerecht, aber streng, und bei seiner Armee muß was Fatales passiert sein: seine Ankunft hier ist unerwartet, seine Grenadiere sind zu Wagen angekommen, unser ganzer Stab ist wie verdutzt, und General Seydlitz ist ihm vorhin auf dem schlechten Pflaster die Grimmsche Gasse 'naus entgegengejagt, als ob sein Pferd die Knochen gestohlen hätte, und kreuz-grimmig hat er dabei ausgesehn, kurz also: es spukt und wetterleuchtet[123] sehr verdächtig, und dies ist das größte Unglück für Sie und Ihren Prozeß, denn nun wird der Prozeß im Sturme, also gottsjämmerlich, für Sie abgemacht. Sie aber, Herr Professor Viktoria, sind gerade am allerschlimmsten dran, wenn draußen im Kriege was vorgefallen ist!

GOTTSCHED. Warum denn ich?

FRAU GOTTSCHED. Warum denn gerade er, lieber Wachtmeister!

SIEGMUND. Dort drinnen Nach rechts hinten deutend. sitzt erstlich der Auditeur, welcher die Anklagen gegen Sie alle notiert hat, – der einzige Federfuchser unter uns! – Und dort drinnen steckt fürs zweite noch jemand, der schlecht paßt zu Ihrer Viktoria und dem Prinzen Heinrich!

FRAU GOTTSCHED UND GOTTSCHED. Wer?

CATO UND GELLERT. Was?

SIEGMUND. Ich will Ihnen das Geschöpf zeigen!


Geht nach hinten bis an die Tür rechts und winkt rechts hinüber. Es erscheint Gottfried, den er an der Schulter einige Schritte vorzieht.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 25, Leipzig 1908–09, S. 122-124.
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