Sechste Szene.


[172] Gallen. Struensee.


GALLEN. Um Gottes willen eilt, Struensee, wir vergehen vor Angst!

STRUENSEE. Und sie ist milder gesinnt gegen mich?

GALLEN. Sie wird Euch vergeben, wenn Ihr kräftig gehandelt habt! Eilt und trefft Vorkehrungen!

STRUENSEE. Sie sind getroffen! Aber sie, Ihr sprecht es zur Hälfte aus – sie hat mir noch nicht vergeben?


Kurze Pause.


GALLEN. Struensee, diese heiße Beflissenheit um die Gunst der Königin in so bedrängtem Augenblicke kann Euren Feinden die gefährlichste Waffe liefern, und – Eure Freunde für Euch entwaffnen. Besinnt Euch!

STRUENSEE nach vorn kommend, wohin sie ihm folgt. Ihr habt ganz[172] recht. Für sich. Und ihr am wenigsten darf ich mein Herz verraten! Laut, ihre Hand ergreifend. Ihr gehört zu meinen Freunden?

GALLEN. Zu Euren treusten, wenn Ihr durch liebenswürdige Aufmerksamkeit meine Seele nicht getäuscht habt.

STRUENSEE. O, sprecht nicht so! Seht auf meinen Ursprung zurück, und rechnet es meinem bürgerlichen Herkommen zu, wenn ich im Hofleben Verstöße begehe. Was hat mich in die Höhe gebracht? Die Gunst des Königs. Was erhält mir die Gunst des Königs? Die Gunst der Königin. Sie war gegen mich eingenommen, als mich der König erhob, und es hat meiner eifrigsten Beflissenheit bedurft, mir ihr Wohlwollen zu erwerben, es bedarf heute noch meiner strengsten Aufmerksamkeit auf mich selbst, mir dieses Wohlwollen zu bewahren, denn meine bürgerliche Erziehung, die ohne Form und Rückhalt zu verkehren geneigt ist, mein rasches, nur das Wesen der Dinge ergreifendes Naturell sind ihr zuwider –

GALLEN. Zuwider?

STRUENSEE. Oder doch peinlich! Muß ich nicht außer mir sein, wenn ihrem königlichen Wesen so Unwürdiges begegnet, wie heute geschehen ist, und wenn die Beschuldigung auf mich fällt, daß ich durch ungeschicktes Regiment solche Unbill erzeugt, daß ich aus Leichtsinn sie wenigstens nicht vorhergesehen und die Königin nicht davor gewarnt und behütet hätte? Wenn sie mir nicht vergibt, wer hält mich gegen den andringenden Sturm meiner Feinde? Und was ist ein Sturm meiner Feinde, wenn König und Königin für mich sind? Des halb, meine Freundin, deshalb ist mir die Vergebung der Königin wichtiger, als ein Straßenaufruhr, der sich bereiten soll! Hab' ich unrecht?

GALLEN. Bin ich geneigt, Euch unrecht zu geben? Wär' ich dann noch Eure Freundin?

STRUENSEE ihr die Hände küssend. Meine liebevollste Freundin!

GALLEN. Glaubt Ihr das wirklich?

STRUENSEE. Darf ich nicht?

GALLEN. Ja, Struensee, Ihr dürft's! Und nun eilt, Euch gegen außen zu schützen, ich übernehm's, den Sinn der Königin Euch zu versöhnen. Eilt! eilt!

STRUENSEE zum Gehen gewendet. Mein innigster Dank wird's Euch lohnen! Geht.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 24, Leipzig 1908–09, S. 172-173.
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