Zweite Szene.


[192] Köller durch den Vorhang eintretend. Ranzau.


KÖLLER. Weil alles vorbereitet sein mußte. Sobald der Ball begonnen hat, ist keine Zeit mehr übrig, und wenn es nicht heut' geschieht, so ist die Ausführung dreifach schwieriger.

RANZAU. Heute noch? So weit sind wir noch lange nicht.

KÖLLER. So weit müssen wir kommen. Niemals hab' ich Struensee in Sturm und Strudel und außer Gleichgewicht gesehen wie heut'; sobald er Brandt gesprochen, sobald er die heutigen Aufregungen überdauert hat, wird er sich fassen, wird er sich des[192] Königs wieder bemächtigen, wird er mit frechen Maßregeln uns entgegentreten!

RANZAU. Ist Brandt bei ihm?

KÖLLER. Noch nicht. Aber Struensee hat zu wiederholten Malen nach ihm gesendet, er gibt Befehle nach allen Seiten, die ihn retten müßten, hätt' ich nicht alle Ausgänge besetzen, all seine Boten aufhalten und durch unsere Boten ersetzen lassen.

RANZAU. Was wagt Ihr? Ihr versperrt uns den Rückweg! Heute vielleicht noch, spätestens morgen erfährt er das Schicksal seiner Boten –

KÖLLER. Ich will keinen Rückweg, und was er morgen erfährt, wenn es ein Morgen für ihn gibt, soll sein Todesurteil sein!

RANZAU. Oder das Eure! Wohin treibt Euch die Hast! Wir sind ja Guldbergs noch gar nicht versichert!

KÖLLER. Er ist noch immer beim Könige?

RANZAU. Noch immer; es ist ihm also noch nicht gelungen, den König zu überzeugen!

KÖLLER. Aber auch noch nicht mißlungen, sonst wär' er abgewiesen, und die Gräfin Gallen hab' ich im Fluge gesprochen –

RANZAU. Was sagt sie?

KÖLLER. Noch heute soll's entschieden werden! sagte sie, und sie war bleich und fürchterlich, und versprach, sogleich hierher zu kommen und Verabredungen mit uns zu treffen für die Maskerade.

RANZAU. Entschieden wird's zu Eurem Verderben, wenn Struensee sie versöhnt!

KÖLLER. Wie kann er das?

RANZAU. Durch herzliche Offenheit, die ihm eigen ist. Baut nur auf den Haß eines Weibes, deren Haß in Liebe wurzelt!

KÖLLER. Liebeshaß soll ja der stärkste sein!

RANZAU. Solang' er dauert; ein Sonnenblick verwandelt ihn!

KÖLLER. Guldberg!

RANZAU. Guldberg!


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 24, Leipzig 1908–09, S. 192-193.
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