[216] Lorenz aus des Königs Zimmer. Guldberg von hinten eintretend. Die Vorigen.
LORENZ. Staatsrat Guldberg! Des Königs Majestät befiehlt Euch, einzutreten.
GULDBERG leise. Sieg oder Tod! Zu Ranzau. Habt ihn im Auge, daß kein Unglück geschieht, sämtliche Wachen kennen ihn; wenn er entweichen will, ist er des Todes. Tritt ein zum Könige.
STRUENSEE. Vetter Lorenz!
LORENZ. Armer Friedrich![216]
STRUENSEE. Was hab' ich dir getan? Was tust du mir?
LORENZ. O Gott, das Schrecklichste, und doch konnt' ich nicht anders. Vor einer Stunde ließ mich der König rufen und sprach zu mir: Schwöre mir, Prediger, daß du mir treu berichten willst, was du in nächster Stunde von Struensee hören und sehen wirst. Tonlos. Ich schwor. Dann ward mir dieses Kleid gereicht, und ich mußte dir folgen auf Schritt und Tritt, und was ich sah und hörte, armer Friedrich, hab' ich, meinem Schwur getreu, bekannt.
STRUENSEE ebenso tonlos. Dies ist erschrecklich! Pause – er ermannt sich. Sei's drum! Es wird ein schwerer Kampf. Aber ich kann ihn bestehn: in meinem Geiste, in meinem Herzen, in meinen Sehnen sind die Kräfte dafür. Lebt doch meine Mutter noch, an deren Leben mein Wohl gekettet ist wie das Schiff an den Anker!
RANZAU halblaut. Deine Mutter ist tot!
STRUENSEE auffahrend. Wer sagt das? – Pause. Vetter Lorenz!
LORENZ. Fasse dich, Friedrich! Diese Nachricht hat mich von Holstein hergeführt!
STRUENSEE ihn starr betrachtend und nur flüsternd. Todesvogel! – Laut ausbrechend. Allmächtiger Gott, ich bin allein! Sich das Gesicht mit den Händen bedeckend im größten Schmerze. Meine Mutter tot!
Pause.
GALLEN. Graf Ranzau, helft! Dieser Anblick zerreißt das Herz!
RANZAU. Auch das meine! Fasse dich, Struensee! Mit meinem Leibe will ich dich decken!
GALLEN. Wir gehen mit Euch, Struensee, bis in den Tod!
STRUENSEE sich mit Entschiedenheit aufrichtend. Niemand soll mit mir gehn! Dies sei mein wahrer Stolz, der Stolz des Plebejers, den ihr verraten habt! Ja, einer nach dem andern habt ihr mich verraten, weil ich nicht von eurer Kaste war! Eure Freundschaft, eure Grundsätze, eures Herzens Adel, ja euer deutsches Vaterland habt ihr verraten, um mich, des Bürgers Sohn, zu stürzen! Das tatet ihr! Und darum weis' ich jetzt jeglichen Dienst von euch mit Entrüstung zurück. Dies ist der Stolz des deutschen Bürgersohnes Struensee. Ich hab' den Sinn erhoben bis zum Höchsten, ja! Nun denn, ich will euch zeigen, daß mein Sinn die höchste Schreckensprobe auch allein besteht, und daß mein Auge ohne Zucken der blutigen Gefahr, dem Tode selbst, entgegenblickt! – Zurück! – Es folgt niemand meinem Schritte! Bis daher hab' ich in diesem[217] Hause geboten, wir wollen sehn, ob meine Stimme plötzlich unbekannt und wirkungslos geworden, und ob die Krieger, welche ich geworben, des Bürgersohnes Wort verstehen werden. Ab.
Pause; von da an alles schnell.
LORENZ fortwährend unverwandt die Gräfin betrachtend. Ich seh's mit Schrecken, Ihr tragt nur das Kleid, Ihr seid die Königin nicht, ich habe falsch gezeugt.
GALLEN. Das hast du, unglücklicher Mann.
LORENZ. Gegen meinen Friedrich!
GALLEN. So mach es gut!
LORENZ. Wie kann ich!
GALLEN hat ihn bei der Hand ergriffen. Eile mit mir zum Könige. Sie zieht ihn hastig nach des Königs Tür. Aus dieser tritt Guldberg.
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